Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
voneinander entfernt vor Anker. Hasard hoffte, daß die französischen Piraten nach ihrer vernichtenden Niederlage erst einmal genug hatten. Er glaubte nicht, daß sich die beiden entwischten Schiffe in den nächsten Stunden wieder hier blicken lassen würden.
Er wandte sich an Terry.
„Meine Hochachtung, Mister Terry“, sagte er. „Es war eine ausgezeichnete Schlacht. Ich hätte mir keinen besseren Mitstreiter aussuchen können.“
Er meinte zwar nicht, was er sagte, aber warum sollte er Terry nicht seine Anerkennung aussprechen? Vielleicht nahm das seinem Zynismus und seiner Überheblichkeit ein bißchen die Spitze.
Hasard merkte schnell, daß er sich gründlich getäuscht hatte. Das Grinsen auf Terrys Gesicht war schon mehr als eine Beleidigung. Er tat, als hätte der Seewolf noch weit untertrieben.
„Sie sind nicht der einzige, Mister Killigrew, der große Stücke auf mich hält“, erwiderte er großspurig. „Wie wäre es, wenn Sie mir den Oberbefehl über unser Unternehmen übertrügen? Das Risiko, daß etwas schiefgeht, wäre damit ausgeschaltet.“
Der Seewolf hörte neben sich ein Geräusch, das sich wie eine Mischung aus dem Brummen eines Braunbären und dem Stöhnen eines geschundenen Mannes anhörte. Aus den Augenwinkeln sah er Carberry heranstampfen. Der Profos blieb neben ihm stehen, und sein Gesicht sah aus, als müßte ihm jeden Augenblick Dampf aus den Ohren und der Nase steigen.
„Es freut mich, daß Sie nicht an Minderwertigkeitskomplexen leiden, Mister Terry“, sagte Hasard. „Und es ist mir durchaus recht, wenn Sie und Ihre Männer während unseres Einsatzes keine Fehler begehen.“
Easton Terry begann zu lachen, aber seine grauen Augen blieben davon unberührt. Sie blickten Hasard kalt an.
„Sie scheinen ein Mann ohne Humor zu sein, Killigrew“, erwiderte er heiter.
Hasard hob die Schultern.
„Wahrscheinlich haben wir nur eine andere Art von Humor“, sagte er. Er wies zu den Felsen hinüber, die den schmalen Sandstrand einschlossen. „Gehen wir dort hinüber und beratschlagen, wie wir die Sache am besten anpacken. Ich nehme nicht an, daß sich die beiden geflohenen Schiffe so bald wieder in dieser Bucht sehen lassen werden.“
„Das will ich meinen“, sagte Terry.
Hasard winkte seinen Männern zu, ihm zu folgen. Carberry stiefelte dicht neben ihm her.
„Wie lange willst du dir das von dem verdammten Affen noch bieten lassen?“ fragte er wütend. „Laß mich sein hämisches Grinsen mit einem Belegnagel breitklopfen, und ich verspreche dir, daß ich ein halbes Jahr auf meine Rumrationen verzichte.“
Der Seewolf schüttelte den Kopf.
„Bleib ruhig, Ed“, sagte er leise. „Du weißt, wie wichtig unsere Mission für England ist. Ich konnte mir den Partner nicht aussuchen. Er ist ein harter Kämpfer, und das ist im Augenblick das wichtigste. Vielleicht kann er nicht mal was dafür, daß er immer so schäbig grinsen muß.“
„Und ob der was dafür kann!“ stieß Carberry hervor, und sein narbiges Gesicht glühte vor Zorn. „Das ist ein eiskalter Hund, den Englands Wohlergehen einen Scheißdreck interessiert, glaub mir. Das ist ein Killer, nichts weiter. Und wenn wir uns mit ihm einlassen, wird er uns eines Tages alle unter die Erde bringen.“
„Du übertreibst, Ed“, murmelte Hasard, aber er wußte, daß Carberry im großen und ganzen recht hatte. Er selbst schätzte Terry nicht viel anders ein. Seine ganze Art bewies, daß für ihn nur eins zählte: er selbst.
Im Sichtschutz der Felsen blieb der Seewolf stehen und wartete, bis Terry und seine Männer heran waren.
Der Seewolf blickte ihnen entgegen. Ein paar von ihnen kannte er aus London schon mit Namen. Da war der hochgewachsene, schlanke Jerry Reeves, Terrys Bootsmann. Er war ein Mann, der voller Energien zu stecken schien, immer in Bewegung, die Augen überall. Reeves sollte ein hervorragender Kanonenschütze sein, und im Gefecht gegen die französischen Freibeuter hatte er sein Können schon in ausreichendem Maße unter Beweis gestellt.
Neben Reeves stand Stoker, der Decksälteste der Terry-Crew. Shane hatte behauptet, der Kerl hätte mehr Ähnlichkeit mit ihrem Schimpansen Arwenack als mit einem Menschen. Der Eindruck war nicht unrichtig, hatte Stoker doch viel zu lange Arme für seinen gedrungenen Körper. Außerdem hatte er eine flache, in tausend Falten gelegte Stirn. Stoker sah ziemlich bescheuert aus, aber immer, wenn Hasard in seine Augen blickte, dachte er, daß der Mann ein Bluffer war. Er war offensichtlich bei weitem nicht so dumm, wie er aussah.
Mulligan, der auf Terrys anderer Seite stand, war als Schiffszimmermann auf der „Fidelity“. Er war ein großer, ungeschlachter Klotz mit stoppelkurzen strohblonden Haaren und einem etwas träumerischen Blick.
Der Ausdruck der kalten Augen des Mannes neben ihm war alles andere als träumerisch. Halibut hieß der Kerl, der sich an Mulligans Seite hielt. Mit seinem stumpfsinnigen Gesichtsausdruck hatte er schon so manchen getäuscht, aber der Seewolf spürte, daß dieser Kerl zu der hinterhältigen Sorte gehörte, die es fertigbrachte, die eigene Großmutter wegen ein paar Pennies um die Ecke zu bringen.
Die vier anderen Burschen waren dem Seewolf vom Namen her unbekannt, aber sie standen den anderen wahrscheinlich an Kampfkraft in nichts nach. Terry hatte sicher nicht die schwächsten Kerle für diesen Landgang ausgesucht.
„Es gibt nicht viele Möglichkeiten für die überlebenden Schiffbrüchigen, sich hier in dieser Gegend zu verbergen“, begann Terry. „In den Dörfern dürfen sie sich nicht sehen lassen, weil man ihnen die Haut abzieht, wenn man sie unbewaffnet erwischt. Und sie werden außer ein paar Messern keine Waffen mehr bei sich haben.“
Der Seewolf nickte. „Ich nehme auch an, daß sie sich in den Wäldern verborgen haben. Es dürfte uns nicht schwerfallen, sie zuhauf zu treiben und gefangenzunehmen.“
Terry blickte den Seewolf an.
„Und was wollen Sie mit den Kerlen anfangen, Killigrew?“ fragte er zynisch. „Wollen Sie sie in Ihre Kammer zu einem Glas Port einladen?“
„Darf ich mit einer Gegenfrage antworten, Terry?“ fragte Hasard zurück. „Wie haben Sie es sich vorgestellt?“
„Eine ziemlich einfältige Frage, Mister Killigrew“, erwiderte Easton Terry überheblich. „Wir werden uns ein oder zwei Gefangene holen und den Rest über den Haufen schießen oder niederstechen, damit wir nicht irgendwann und irgendwo wieder auf sie treffen, wo sie uns dann töten könnten.“
Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf die harten Gesichter seiner Männer, und er war froh, daß Terrys mörderische Absicht bei ihnen genauso auf eisige Ablehnung stieß wie bei ihm selbst.
„Wir sind keine Mörder, Mister Terry“, sagte Hasard kalt. „Merken Sie sich das, solange Sie unter meinem Kommando stehen. Wir werden alle Piraten, die wir im Wald auftreiben, lebend einfangen und an Bord unserer Schiffe bringen.“
„Dürfen wir uns wehren, wenn sie uns angreifen?“ fragte der Mann namens Halibut hämisch, und Terry, der es sich eigentlich hätte verbitten müssen, daß sich einer seiner Männer ungefragt in die Unterhaltung einmischte, setzte nur sein abfälliges Lächeln wieder auf.
Der Seewolf überging die Bemerkung des plattnasigen Mannes.
„Ich werde jede Zuwiderhandlung gegen meinen Befehl unnachsichtig bestrafen“, sagte er mit harter Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Terry drehte sich mit einem Grinsen um und wollte seinen Männern das Zeichen zum Aufbruch geben, aber Hasards Stimme hielt ihn zurück.
„Es ist nicht so, daß ich Ihnen nicht traue, Mister Terry“, sagte er, „aber ich möchte, daß ein paar meiner Männer mit Ihnen gehen, ein paar von Ihren Männern mit mir.“ Er drehte sich um. „Shane, Blacky und Carberry, ihr schließt euch der Gruppe Mister Terrys an.“
Sie traten sofort zu Terrys Leuten hinüber. Hasard dachte einen Augenblick daran, ob er keinen Fehler begangen hatte, ausgerechnet