Unerschütterlich im Glauben. Fulton J. Sheen
sie wieder zu verlassen.« Wahrscheinlich sind die besten Redner jene, über die das Publikum am Ende sagt: »Ich wünschte, er hätte länger gesprochen.«
Ein Gebiet, das während meiner späteren Jahre viel Zeit in Anspruch nahm, waren Vorträge an Universitäten. Ich wurde mehrere Hundert Mal von weltlichen Universitäten eingeladen, sehr viel häufiger als von katholischen Universitäten. Dabei habe ich festgestellt, dass einige religiöse Menschen oft lieber weltlich wären, aber andererseits auch weltliche Menschen lieber religiös sein wollten. Bei meinen Universitätsvorträgen wurde mir bewusst, dass die Anwesenden umso begeisterter reagierten, je religiöser das Thema war. In Los Angeles traf ich an der Universität von Kalifornien mit dreißig bis vierzig Studenten zum Abendessen zusammen. Während der ersten halben Stunde äußerten sie sich abfällig und beleidigend.
Als Straßenprediger in Alabama, 1930er-Jahre (Fulton J. Sheen Archiv).
Ich beachtete ihre Beleidigungen überhaupt nicht, sondern überging ihre Bemerkungen mit einer kleinen, leichthin gesagten Überlegung. Nach einer halben Stunde hatten sie sich dann beruhigt und verhielten sich völlig normal. Ganz offensichtlich mussten sie einfach eine bestimmte Rolle spielen – eine Rolle, von der sie annahmen, sie sei für diese Phase des Studentenlebens angemessen.
Bei der Jugend in diesem Land gibt es eine beträchtliche Opferbereitschaft. Sicher nicht das geringste Problem besteht darin, dass die Älteren die Jungen nicht herausfordern. Die jungen Menschen rebellieren gegen die bürgerliche Moral ihrer Eltern, die an den amerikanischen Lebensstil glaubten, bei dem unter Wohlstand materieller Erfolg verstanden wurde. Allerdings hatten ihre Eltern sich nie gefragt, wie sie sich in ihrem Leben verhalten sollten, nachdem sich ihre Lebensbedingungen verbessert hatten. In gewissem Maße war Religion ein Bestandteil dieser bürgerlichen Moral. Sie vermittelte keine echten religiösen Erkenntnisse über den Sinn des Lebens, sondern vielmehr psychologische und soziologische Ansichten, um die Religion dem bequemen bürgerlichen Leben anzupassen.
An einer der von mir besuchten staatlichen Universitäten gab es ein Problem. Der Rektor der Universität holte mich am Flughafen ab und erzählte mir, dass die Studenten am Tag zuvor zwei Gebäude niedergebrannt hätten. Er sagte: »Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie den Vortrag nicht halten müssen, denn ich befürchte, dass es zu einem unangenehmen Zwischenfall kommen könnte. Ich habe zwar Mitglieder des Kuratoriums gebeten, bei Ihnen auf der Bühne zu sitzen, aber sie können Sie nicht schützen.«
Ich sagte ihm, dass ich den Vortrag halten werde. Das Thema, für das ich mich ursprünglich entschieden hatte, habe ich vergessen. Da es jedoch Unruhen an der Universität gab, beschloss ich, über ein anderes Thema zu sprechen. Rund zehntausend Studenten erschienen, und ich sprach ungefähr eine Stunde lang über Keuschheit und Sittsamkeit, und zwar in einer Weise, dass die Studenten es verstehen konnten. Am Ende des Vortrags standen sie auf, klatschten und jubelten und kamen auf die Bühne, um mit mir zu sprechen.
Der Rektor der Universität sagte hinterher zu mir: »Ich bin seit zwanzig Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.« – »Was ist so anders?«, fragte ich ihn. »Nun ja«, erwiderte er, »andere Redner kommen und ergreifen Partei – Schwarz gegen Weiß, Gelb gegen Grün, Blau gegen Rosa – oder sie erzählen den Studenten, dass ihre Eltern und die Universitätsleitung falschliegen.« Er sagte: »Sie hingegen haben sie herausgefordert, und zwar mit etwas, das sie noch nie zuvor gehört haben. Und sie suchen doch nach einer Herausforderung!«
Wie ich bereits sagte – je religiöser das Thema der Rede ist und je stärker sie sich auf die Kreuzigung unseres Herrn bezieht, je mehr sie unseren modernen Heiden das unbekannte Element des Sich-selbst-Opferns nahebringt, desto empfänglicher sind sie. Es mangelt dem Herrn nie an potenziell Bekehrbaren in allen Altersstufen. Das Problem ist eher die Aktivierung dieses Potenzials, und das hängt weitgehend von uns ab. Wie lange der gute Gott mir noch erlauben wird, auf diese Weise zu wirken, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ich versuchen werde einzutreten, solange er die Türen öffnet, und ich werde jene Türen wählen, die mir ein Maximum an spirituellen Möglichkeiten bieten. Ich bitte ihn täglich, mir meine körperliche Stärke und geistige Wendigkeit zu erhalten, um sein Evangelium predigen und sein Kreuz und seine Auferstehung verkündigen zu können. Ich bin so froh, dass ich dies tun kann, dass ich manchmal Folgendes glaube: Wenn ich zu unserem guten Gott in den Himmel kommen werde, dann werde ich ein paar Tage ausruhen und ihn dann bitten, dass ich wieder auf die Erde zurückkehren und noch ein bisschen weiterarbeiten darf.
6. Evangelisierung über die Medien
Ich wurde im Zeitalter der Elektrotechnik geboren, in dem man Lichtwellen nutzt, um das Wort zu verkünden. Das Radio ist wie das Alte Testament, denn man hört das Wort, ohne es zu sehen. Das Fernsehen ist wie das Neue Testament, denn das Wort wird sichtbar, es wird Fleisch und wohnt unter uns. Die erste Radioansprache hielt ich beim Radiosender New York City am Tag der Inbetriebnahme des Senders. Ich trat auch in der ersten religiösen Fernsehsendung in New York auf, als es in der ganzen Stadt erst wenige Fernsehgeräte gab. Die zwei Dutzend oder etwas mehr Kerzen, die auf dem Studioaltar unter den hellen Jupiterlampen aufgestellt waren, schmolzen in der Hitze.
1928 begann ich mit der Arbeit beim Radio. Damals wurde ich von den Paulusbrüdern von New York gebeten, mehrere Predigten in der Kirche zu halten, die von dem damals sehr beliebten Radiosender WLWL aufgenommen und gesendet wurden. Die riesige Kirche war bis auf die letzten Plätze besetzt. Für den Altarraum wurden noch Kissen ausgegeben und an den Seitenaltären zusätzliche Stühle aufgestellt. Eingeladen hatte mich Pfarrer Riley, der in den ersten Minuten herauskam, um mir zuzuhören, dann jedoch wieder zurückging und zu einigen seiner Mitbrüder sagte: »Ich habe keine Ahnung, warum ich diesen Mann je eingeladen habe.« Pfarrer Lyons, der in Rom mein Beichtvater gewesen war und bei der Einladung wahrscheinlich eine Rolle gespielt hatte, bat Pfarrer Riley, noch einmal hinauszugehen und noch etwas länger zuzuhören. Das führte dann dazu, dass diese Kanzel und diese Sendung über viele Jahre hinweg mein Wirkungsbereich waren.
Nachdem ich bereits seit Kurzem als Professor an die Universität berufen worden war und diese Radiosendungen gestaltet hatte, wählten die Bischöfe der USA mich als den Ersten, der in überregionalen Radiosendungen auftreten sollte – eine Möglichkeit, die ihnen die Nationale Radiogesellschaft eröffnet hatte. Damals gab es so viele Prediger und Priester, die sich um eine Sendezeit im Radio bewarben, dass CBS und NBC beschlossen, diese Anfragen zu kontrollieren, indem sie lediglich den repräsentativen Institutionen der Katholiken, Protestanten und Juden zugestanden, geeignete Sprecher zu auszuwählen. Es gab nicht nur Verwirrung aufgrund der Anfragen, sondern häufig kam es auch vor, dass diejenigen, die im Radio zu Wort kamen, die Gelegenheit nutzten, um ihre »Feinde« oder die Opposition niederzumachen. Eine gewisse Kontrolle im Hinblick auf Anstand und Nächstenliebe war unbedingt erforderlich.
Ich begann mit meiner ersten landesweiten Radiosendung an einem Sonntagabend in New York während der Hauptsendezeit, und zwar zur selben Zeit, zu der »Amos ’n’ Andy« an den Wochentagen auftraten. Kurz nach der Sendung »Katholische Stunde« stand der unvergessliche Fred Allen auf dem Programm. Ich wählte als Thema eine allgemeinverständliche Darstellung der christlichen Lehre über die Existenz Gottes, die Gottheit Jesu Christi, die Kirche und das religiöse Leben. Die vehementeste Kritik kam von der katholischen Presse in Milwaukee und Oklahoma City. Beide drängten darauf, dass ich aus dem Programm genommen und durch zwei Männer ersetzt werden sollte, die Amos und Andy imitieren und wie sie über Religion diskutieren sollten. Die Tendenz, das nachzuahmen, was bei den Leuten ankam, war in all den Jahren charakteristisch für einige Kirchenmänner.
Während früher Ausstrahlungen der Sendung »Die katholische Stunde«, 1930er-Jahre (Fulton J. Sheen Archiv).