Unerschütterlich im Glauben. Fulton J. Sheen

Unerschütterlich im Glauben - Fulton J. Sheen


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erweiterte sich mein Gesichtskreis, als das kommerzielle Fernsehen 1951 auf die Idee kam, einen Priester ins Programm zu nehmen. Nachdem ich zu dieser Zeit bereits viele Jahre lang im ganzen Land Vorträge gehalten hatte, befand ich mich eigentlich nicht mehr in dem Stadium, in dem ich mich noch auf Experimente einlassen wollte. Die Frage war: Konnte ein Geistlicher im Fernsehen in einer kommerziell gesponserten Sendung auftreten? Im ganzen Land wurde unter Radio- und Fernsehredakteuren eine Umfrage gestartet. Alle – außer Boston – reagierten zustimmend. Die Kirche und ihre Bischöfe hatten mit der Einladung nichts zu tun, ebenso wenig mit der finanziellen Förderung. Eines der Probleme war das Honorar. Für mich war es eigentlich kein Problem, denn ich war entschlossen, keinesfalls Geld für meine Auftritte anzunehmen. Da ich damals mein Leben ganz der kirchlichen Missionsarbeit in Afrika, Asien und anderen Teilen der Welt verschrieben hatte, schloss das von mir geleitete Büro des Missionswerkes, des »Päpstlichen Werkes der Glaubensverbreitung« den Vertrag ab und benutzte mich lediglich als seinen Sprecher. Ich erinnere mich, dass das Honorar für einen Abend 26 000 Dollar betrug. Im Laufe der Jahre belief sich, auch dank spontaner Spenden, der Ertrag für die Missionsarbeit auf mehrere Millionen Dollar, von denen jeder Cent in einer der Not leidenden Regionen der Welt landete, um dort Krankenhäuser und Schulen zu bauen und die weitere Verbreitung des Wortes Gottes zu ermöglichen. Wir hielten einen Rekord an Postsendungen, die jeden Tag in unserem Büro eingingen, der sich über Jahre hinweg im Durchschnitt zwischen 15 000 und 25 000 Briefen pro Tag bewegte.

      Gelegentlich bat ich meine Hörer, mir ein 10-Cent-Stück für die Armen der Welt zu schicken. Von da an wurden wir mit Briefen überschwemmt, an die eine Münze geklebt war. Einige sandten sogar ihren alten Goldschmuck. Studenten verkauften ihre High School- oder College-Ringe und gaben den Gegenwert an die Mission. In einer Fernsehsendung erwähnte ich, dass ich gerne Schokoladenkekse aß. In der Woche darauf konnten wir kaum die Tür zum Büro öffnen, die durch Schachteln mit Schokoladekeksen blockiert war. Wir öffneten einen gelben Umschlag und herausfielen 10 000 Dollar in bar. Auf einem Zettel war mit Bleistift gekritzelt: »Ich brauche das nicht mehr. Gott hat mir gesagt, ich soll es den Armen geben.« In einem anderen Brief wurde ich darum gebeten, die beigelegten 3 000 Dollar an eine Versicherungsgesellschaft weiterzugeben, als Reuegeld – was erledigt wurde. Es entstanden endlos viele Zeichnungen von mir und zahllose Fotos von Kindern, die so angezogen waren wie ich, wenn ich meine Fernsehauftritte hatte. Ein blindes Paar in Minneapolis kaufte sich ein Fernsehgerät der Firma Admiral, um seine Dankbarkeit unserem Sponsor gegenüber – Admiral – zum Ausdruck zu bringen. Eine Frau in New Jersey berichtete, ihre Katze säße während meiner Sendungen immer vor dem Fernsehgerät und schaue mir zu. (Es gäbe weniger Klagen über Nachbarskatzen, wenn man ihnen allen angewöhnen könnte fernzusehen!) Eine ältere Frau in Iowa zog sonntagabends für die Sendung immer ihr schönstes Kleid an, als ob sie in die Kirche ginge. Ein mittlerweile berühmter Schauspieler fragte mich, ob er meinen Namen lebenslang benutzen dürfe – Martin Sheen. In zahllosen Haushalten wurden die Kinder angewiesen, still zu sein, während ich im Fernsehen auf Sendung war. Ich bin überrascht, dass die jüngere Generation deshalb nicht mit einem Hass auf meinen Namen aufgewachsen ist. Viele Personen, die ich im Zusammenhang mit meiner Fernseharbeit traf, waren so überrascht, mir zu begegnen, dass sie häufig sagten, dass ich ihr ganzes Leben lang eine Inspiration für sie gewesen sei oder dass sie große Verehrer von mir seien.

      Sogar das Weiße Haus gehörte zu meinem Publikum. Auf dem Weg zu meinem Büro im »Päpstlichen Werk der Glaubensverbreitung« sah ich eines Nachmittags Präsident Eisenhower in einer Autokolonne die Park Avenue in New York hinunterfahren. Wenige Tage später erhielt ich folgenden Brief:

       Lieber Bischof Sheen:

      Gestern Abend wurde ich beim Alfred-Smith-Dinner darüber informiert, dass Sie, als ich auf den Straßen von New York unterwegs war, an einer Straßenecke angehalten und mich gegrüßt haben. Ich habe Sie nicht gesehen, aber ich versichere Ihnen, dass ich mich von Ihrer freundlichen Aufmerksamkeit sehr geschmeichelt fühle.

      Ich hätte die Gelegenheit gerne genutzt, um mich – wenn auch nur kurz – mit Ihnen zu unterhalten.

       Mit persönlichen Grüßen, herzlichst, Dwight D. Eisenhower

      Ich beantwortete den Brief folgendermaßen:

       Mein lieber Präsident Eisenhower:

       Wenn der Präsident in Amerika auf der Straße an einem Freund vorbeikommt und es unabsichtlich versäumt, ihn zu grüßen, dann schreibt er einen persönlichen Grußbrief. Das ist Demokratie!

      Wenn in Russland der Diktator an einem Freund vorbeikommt, ohne ihn zu grüßen, dann bedeutet das, dass dessen Liquidierung unmittelbar bevorsteht. Das ist Kommunismus! Offen gestanden, Mr Präsident – ich bin froh, dass Sie mich nicht gesehen haben! Der Gruß hätte eine Sekunde gedauert, Ihr Brief wird mich ein Leben lang begleiten.

       Gott sei mit Ihnen!

      Es erreichten mich auch viele Bitten und Anfragen. Eine, an die ich mich erinnere, kam von einem jüdischen Jungen in Pittsburgh, dem von seinen Eltern gesagt wurde, er sei noch nicht alt genug, um eine Kippa zu tragen. Er wandte ein: »Bischof Sheen trägt doch eine, warum dann ich nicht?« Heimlich schrieb er mir einen Brief und bat mich um meinen Pileolus, und ich sandte ihn ihm. Später erschien in den Zeitungen von Pittsburgh ein Bild von ihm mit seiner bischöflichen Kopfbedeckung. Ein Mädchen aus Minnesota schrieb und erzählte mir, ihr Pferd sei gestorben und sie habe seither nicht aufgehört zu weinen. Die Familie war zu arm, um ihr ein neues Pferd zu kaufen. Und sie bekam ihr Pferd.

      Für unsere Fernsehsendung gab es nie irgendwelche Proben, was dem Produzenten viel Geld ersparte. Zum Teil lag das daran, dass ich nie mit Notizen arbeitete. Das Time Magazine sandte einmal eigens einen Journalisten ins Aufnahmestudio, der herausbekommen sollte, mit welchem Trick ich Woche um Woche arbeitete und Fernsehauftritte bewältigte, ohne dass ich einen Teleprompter oder Spickzettel benutzte. Das Einzige, was ich an Requisiten benötigte, war eine Tafel. Sie war mit einem Drehgelenk versehen, sodass sie umgedreht werden konnte, wenn eine Seite vollgeschrieben war. So erzeugte ich die Vorstellung, dass ein »Engel« – das war einer der Bühnenhelfer – die eine Seite der Tafel abwaschen würde, während ich mich aus der Reichweite der Kamera begab. Wenn die Tafel sauber war, benutzte ich sie unter Umständen ein weiteres Mal, doch ihre Sauberkeit wurde immer dem Engel zugeschrieben, der zu einer nationalen Berühmtheit wurde.

      Als Lehrer schrieb ich manchmal Wörter auf, die ich erklären wollte, oder zeichnete einfache Bilder. Für Grafik jeder Art habe ich überhaupt kein Talent. Tatsächlich war ich darin so ungeschickt, dass einer der Verantwortlichen der Kunstakademie von New York mir ein Stipendium anbot, um zeichnen zu lernen und somit die menschliche Rasse in Zukunft nicht mehr zu blamieren. Die Sache hatte allerdings einen großen Vorteil: Sie brachte das Publikum in die Lage, sich dem Redner überlegen zu fühlen, denn die Zuschauer konnten zeichnen und ich konnte es nicht.

      Ich trat im Fernsehen als Bischof in schwarzer Soutane und mit einem violetten Umhang (Ferraiolo) auf. Einmal hielt ich einen Vortrag in Longmeadow, Massachusetts. Der Vortragssaal lag im zweiten Stock. Einige Jungen auf der anderen Straßenseite sahen mich an jenem warmem Abend auf der Bühne und sie riefen »Superman«.

      Eine Angewohnheit, die ich schon im Kindergarten gehabt hatte, war, dass ich immer »JMJ« oben auf die Tafel schrieb. Dies mache ich auch bei jedem Bogen Papier, bevor ich ihn beschreibe – und ich hoffe, dass dies auch eines Tages auf meinem Grabstein eingeprägt sein wird. Als Antwort auf viele Anfragen identifizierte mich das Publikum dann irgendwann über die Worte Jesus, Maria und Josef.

      Es gab zahlreiche Lokale, die immer meine Sendung eingestellt hatten, die zur gleichen Zeit wie die Sendung von Milton Berle ausgestrahlt wurde. Das lag teilweise an den vielen Taxifahrern, die sich meine Fernsehsendung gern ansahen und während dieser halben Stunde eine Pause einlegten. Ein Taxifahrer fragte mich einmal: »Haben Sie ein Buch geschrieben?« Ich bejahte. Er sagte: »Wenn ich nicht schon ein Buch hätte, würde ich Ihres kaufen.«

      Das Urteil der Zuschauer veränderte sich je nachdem, wie ich auf ihrem Fernsehbildschirm erschien. Als ich einmal als Mitwirkender bei einer Bischofsweihe in Brooklyn


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