Unerschütterlich im Glauben. Fulton J. Sheen

Unerschütterlich im Glauben - Fulton J. Sheen


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Bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Bleiben Sie informiert darüber, was die moderne Welt beschäftigt. Lesen Sie ihre Dichtung, ihre Geschichtsschreibung, ihre Literatur. Behalten Sie Architektur und Kunst im Auge. Hören Sie ihre Musik und erleben Sie ihre Aufführungen im Theater. Und dann versenken Sie sich tief in den heiligen Thomas und in die Weisheit der Alten – so werden Sie dazu in der Lage sein, ihre Irrtümer zu widerlegen. Der zweite Rat: Zerreißen Sie Ihre Aufzeichnungen am Ende jedes Jahres. Nichts zerstört das intellektuelle Wachstum eines Lehrenden so sehr wie das Aufbewahren seiner Notizen und die Wiederholung desselben Kurses im folgenden Jahr.«

      Ich versuchte, den weisen Ratschlägen des Kardinals zu folgen. Zusätzlich zu dem Bemühen, auf dem Laufenden zu bleiben, was das zeitgenössische Denken betraf, nahm ich mir auch vor, nie dasselbe Seminar zweimal abzuhalten. Als ich an der Philosophischen Fakultät zu lehren begann, unterrichtete ich Natürliche Theologie. Dabei stellte ich fest, dass ich einige Aufzeichnungen wieder verwendete, die ich schon einmal benutzt hatte, und mich deshalb intellektuell nicht weiterentwickelte. Daraufhin beschloss ich, jedes Jahr einen anderen Kurs zu geben, der aber immer einen Bezug haben sollte zur Natürlichen Theologie und zur Existenz und Natur Gottes. Die Kurse variierten also im Laufe der Jahre. Es gab einen Kurs über Geschichtsphilosophie, im nächsten Jahr einen über die Philosophie des Marxismus, dann über Religionsphilosophie, Wissenschaftsphilosophie und so weiter. Und sie alle wurden gehalten im Licht des Denkens des heiligen Thomas von Aquin.

      Um mich auf diese neuen Themen vorzubereiten – ich war noch nicht wirklich bewandert darin –, begab ich mich jedes Jahr im Sommer nach London und verbrachte die zweite Junihälfte, die Monate Juli und August sowie den ersten Teil des Septembers damit zu lesen und mich für den bevorstehenden Kurs im kommenden Jahr vorzubereiten. Morgens, abends und an den Wochenenden hatte ich jeweils meinen Einsatz als Hilfspfarrer in der St.-Patrick’s-Kirche am Soho Square. Zusätzlich zu dieser zurückgezogenen Vorbereitung im Britischen Museum wendete ich auch wenigstens sechs Stunden zusätzlich für die Vorbereitung jeder einzelnen Vorlesung auf. Es ist leicht möglich, dass sich ein Professor ohne konstante Anregungen und weiteres Studium in einen staubtrockenen Intellektuellen verwandelt.

      Ein perfektes Beispiel für einen Philosophen, der stecken blieb, ist Immanuel Kant. Nie verließ er die Stadt Königsberg. Er erzählte jedes Jahr, und zwar immer am selben Tag, denselben Witz. Dieser lautete: »Warum gibt es im Himmel keine Frauen?« Kants Antwort war: »In der Heiligen Schrift steht, im Himmel sei eine Stille von einer halben Stunde gewesen.« Kant unternahm jeden Tag denselben Spaziergang mit einer Pünktlichkeit, dass die Hausfrauen von Königsberg ihre Uhren danach stellen konnten. An einem Tag fiel der Spaziergang aus, und zwar als eines von Rousseaus Werken erschien, das Kants Einstellung stark veränderte und dazu führte, dass er sich der praktischen Vernunft zuwandte. Aber das ist ein anderes Thema.

      Um auf die frühen Jahre des Lehrens zurückzukommen: Nach dem Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 1928, in dem es viel Fanatismus gegen die katholische Kirche gab, beschlossen die Bischöfe, dass an der Katholischen Universität von Amerika ein Studienfach für Apologetik eingeführt werden sollte. Ich wurde vom Rektor, Bischof Corrigan, gebeten, einen Lehrplan für diese Kurse zu entwerfen. Ich legte den Plan in Form einer Pyramide an: Im unteren Teil befanden sich Themen wie Journalismus, Medien, Kommunikation, Religionspsychologie und weiter oben die mehr theologischen Themen, die sich auf die Verteidigung der Kirche bezogen. Der Rektor war zufrieden mit dem Plan und bat mich, hierfür Professoren zu suchen. Mir wurde die Erlaubnis gewährt, europäische Professoren auszuwählen. Ich fragte nach: »Habe ich die Befugnis, ihnen zu sagen, dass sie eingestellt sind?« – »Ja, wenn Sie Männer finden, die Sie für qualifiziert halten.« – »Wie hoch wird ihr Gehalt sein?« Und es wurde ein Betrag festgesetzt. Ich reiste nach Europa und fand rund zehn qualifizierte Professoren aus England, Frankreich und Deutschland – sie alle sprachen Englisch – als künftigen Lehrkörper für das neue Studienfach Apologetik.

      Ich telegrafierte dem Rektor, berichtete ihm von den Professoren, die ich ausgesucht hatte, und bat ihn, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen und sie zu bitten, die Professuren anzunehmen. Bis August hatten sie noch nichts vom Rektor gehört und selbst im September noch nichts. Nun wurde ich mit Telegrammen von diesen Professoren überschwemmt: »Was ist aus dem Vorschlag geworden? Sollen wir an die Universität kommen?« Mir wurde bewusst, dass der Rektor nichts unternommen hatte, um sie einzustellen. Deshalb sandte ich ein Telegramm an alle Professoren und teilte ihnen mit, dass ich meine Kompetenzen überschritten hätte und sie deshalb um Verzeihung bitte.

      Im Jahr darauf bestellte der Rektor mich wiederum ein und sagte: »Ich möchte, dass Sie die Leitung für das neue Studienfach Apologetik übernehmen.« Ich lehnte höflich ab – mir war klar, dass er den Zwischenfall des Vorjahres bereits vergessen hatte. Ein Studienfach mit einem Lehrstuhl für Apologetik kam nie zustande.

      Viele Jahre lang war der Dekan der Philosophischen Fakultät Pater Ignatius Smith, ein Dominikaner, der nicht nur ein fantastischer Lehrer war, sondern auch ein berühmter Prediger. Mein Seminar fand immer nachmittags um vier Uhr statt. Bevor ich den Seminarraum betrat, der direkt neben dem von Dr. Smith lag, ging ich zu ihm und besuchte ihn für zehn Minuten. Er verließ mit mir den Raum und erzählte mir auf dem Weg zu meinem Seminarraum eine lustige Geschichte – sodass ich lachend dort ankam. Meine Verbindung mit Dr. Smith, die jahrelang währte, war eine der glücklichsten meines Lebens.

      Einmal wurde ich von einer Fachschaft eingeladen, Teil der Prüfungskommission zu sein und die Seminaristen zum Abschluss des S. T. B. (Sacrae Theologiae Baccalaureus) zu prüfen. Da ich mich auf die Schnelle nicht an die Daten der frühen Konzile und anderer Details dieser Art erinnern konnte, musste ich anders vorgehen. Den ersten Studenten, der hereinkam, fragte ich: »Würden Sie zugestehen, dass als Folge der Ursünde eine Störung im Universum eintrat: Die Tiere wurden wild, Disteln wuchsen, und der Mensch musste sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen?« – »Ja«, war seine Antwort. »Wenn Sie also einräumen, dass es zu einer allgemeinen Störung der Natur als Folge der Erbsünde kam – warum ist Gott dann Mensch geworden? Warum haben wir keinen Pantheismus anstelle einer Menschwerdung Gottes? Warum hat Gott sich nicht in die gesamte Natur eingelassen, die sich gegen ihn aufgelehnt hatte?« Die anderen Professoren protestierten, weil die Frage unfair sei, und man bat mich, den Prüfungsausschuss zu verlassen. Meine Verteidigung lautete: »Ich wollte lediglich herausfinden, ob der Student denken kann.« Die Antwort, die ich von ihm erhofft hatte, war: Da die niedere Natur durch den Menschen gefallen war, war es angemessen, dass die gesamte niedere Natur auch durch den Menschen mit Gott versöhnt werden sollte. Deshalb kam es zur Menschwerdung Gottes und nicht zum Pantheismus.

      Zu lehren begeisterte mich. Ich liebte es, weil es so viel mit der Weitergabe des göttlichen Wortes zu tun hatte. Häufig kam mir an der Universität der Gedanke: »Warum haben wir Dozenten einen Kündigungsschutz, Fußballtrainer jedoch nicht?« In den Hörsälen und Seminarräumen kann es Mittelmäßigkeit geben. Ein Fußballtrainer, der keine Mannschaft zusammenstellen und trainieren kann, die gewinnt, kann gehen. Alte Generäle werden allmählich vergessen – schlechte Lehrer und Dozenten werden jedoch einfach weitergereicht. Lehren besteht häufig darin, dass ein Inhalt aus den Aufzeichnungen des Lehrers in die Aufzeichnungen des Studenten hinüberwechselt, ohne dass er mit dem Verstand von auch nur einem der beiden in Berührung gekommen wäre.

      Ich fühlte mich den Studenten gegenüber zutiefst moralisch verpflichtet. Deshalb verbrachte ich so viel Zeit mit der Vorbereitung jeder Vorlesung. In einem Zeitalter sozialer Gerechtigkeit gerät ein Umstand leicht aus dem Blick: die moralische Pflicht der Professoren, ihren Studenten für die Studiengebühr, die sie bezahlen, einen angemessenen Gegenwert zu liefern. Das bezieht sich nicht nur auf die Lehrmethode, sondern auch auf den Inhalt. Ein Lehrer, der selbst nichts mehr lernt, ist kein Lehrer. Lehren ist eine der erhabensten Berufungen auf Erden, denn letztlich besteht der Sinn und Zweck aller Bildung in der Erkenntnis der Wahrheit und der Liebe zu ihr.

      Einige Praktiken, die nach meiner Beobachtung für den Lehrbetrieb wichtig sind, lauten wie folgt: Meine erste Regel war: Nie hinsetzen. Im Sitzen entfacht man kein Feuer. Wenn die Studenten für das einstehen sollten, was ich ihnen vermittelte, dann sollte ich auch für sie stehen bleiben.

      Ich habe Tausende Vorlesungen und Vorträge gehalten, aber kaum einmal habe ich


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