Buchstäblichkeit und symbolische Deutung. Matthias Luserke-Jaqui

Buchstäblichkeit und symbolische Deutung - Matthias Luserke-Jaqui


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der Transformation der AisthesisAisthesis von Literatur.

      Für das Werk KULTURGESCHICHTE DER LITERATURKULTURGESCHICHTE DER LITERATUR hat sich im Laufe der Arbeit folgende konzeptuelle Struktur ergeben. In der Einleitung wird das Verständnis von PhilologiePhilologie als einer KULTURGESCHICHTE DER LITERATUR diskutiert. Hier werden die grundlegenden Methodendiskussionen der Neueren deutschen LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft sowie Positionen der Nachbardisziplinen kritisch rekapituliert. Dieser Teil ist der Darlegung der Grundparadigmata von PoiesisPoiesis, KatharsisKatharsis und AisthesisAisthesis und ihrer Herleitung aus der aristotelischen Poetik gewidmet. Das Philologieverständnis von Friedrich SchlegelSchlegel, Friedrich mit seinem Begriff der ExperimentalphilologieExperimentalphilologie wird ebenso thematisiert wie theoretische Positionen zum Thema BuchstäblichkeitBuchstäblichkeit und DeutungDeutung, einschließlich der RezeptionstheorieRezeptionstheorie, kritisch gewürdigt werden. Der Begriff des PermatextesPermatext als eines kulturgeschichtlichKulturgeschichte beständigen Referenztextes wird am Beispiel der aristotelischenAristoteles Poetik neu in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt. Der DiskursDiskurs über DeutungDeutung und Bedeutung in der Literatur der ModerneModerne wird kritisch analysiert, die hermeneutischeHermeneutik Differenz der DeutungDeutung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten sowie grundsätzlich die Möglichkeiten und Grenzen des Verstehens im Spannungsfeld von BuchstäblichkeitBuchstäblichkeit und symbolischer Deutungsymbolische Deutung werden problematisiert.

      Aus diesem konzeptuellen Aufriss ergeben sich folgende Diskussionspunkte: Theoretischer Bezug und Methodendiskussion, Konzepte der Kulturgeschichtsschreibung, Buchstäblichkeit und Deutung in Sozialgeschichte, Poststrukturalismus, New Historicism, Dekonstruktion, Mikrophilologie, Rezeptionstheorie, Hermeneutik und in anderen Wissenschaftsdiskursen. Die Geschichte der literarischen HermeneutikHermeneutik wird dabei nur am Rande eine Rolle spielen, statt dessen liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung des Deutungsproblems (mehrfacher SchriftsinnSchriftsinn). Buchstäblichkeit und symbolische Deutung können als Strukturkonzept einer Kulturgeschichte gewonnen werden, das Kultur als TextKultur als Text und Kontext liest. Die Paradigmata von Poiesis, Katharsis und Aisthesis stellen dabei die Grundlegung dar. Der erste Teil (Poiesis) entfaltet den Gebrauch des Paradigmas der PoiesisPoiesis, hier wird PhilologiePhilologie als Überlieferungsgeschichte verstanden, was Aspekte der Handschriftengeschichte, der Druckgeschichte und der Editionsgeschichte literarischer Texte einschließt. Deren systematische Fundierung wird rekonstruiert und unter anderem an den Beispielen der aristotelischenAristoteles Poetik, GoethesGoethe, Johann Wolfgang WertherDie Leiden des jungen Werthers und am Thema der Autorschaft diskutiert. Der zweite Teil (Katharsis) widmet sich dem Gebrauch des Paradigmas der KatharsisKatharsis, hier wird Philologie als Wirkungsgeschichte verstanden, was Aspekte der Gattungsgeschichte, der Rezeptionsgeschichte und der Wissenschaftsgeschichte einschließt. Zur WirkungWirkung gehört nicht nur die affektive Wirksamkeit von LiteraturLiteratur, sondern auch die symbolischesymbolisch Deutungsmöglichkeit. Literatur entfaltet ihre Wirkung auch in ihrer DeutbarkeitPoetik (Aristoteles)Poetik (Aristoteles). Deutbarkeit ist ein wesentliches Merkmal der Wirkung von Literatur. Wirkungskonzepte vom MittelalterMittelalter bis in die Gegenwart werden an ausgesuchten Textbeispielen untersucht. Am Ende dieses Teils gehe ich explizit auf die Möglichkeiten der transdisziplinären Interaktion zwischen LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft und Musikwissenschaft u.a. am Beispiel von MozartMozart, Wolfgang Amadeus und MendelssohnMendelssohn, Moses ein. Der ChorChor als eine ästhetische Schnittstelle von literaler, musikaler und theatraler Kunst in Johann KlajsKlaj, Johann OratorienOratorien wird einer genauen kulturgeschichtlichenKulturgeschichte Re-Lektüre zwischen Textierung und NotationNotation unterzogen. Der dritte Teil (AisthesisAisthesis) entfaltet den Gebrauch des Paradigmas der Aisthesis, hier wird Philologie als Deutungsgeschichte verstanden, was Aspekte der LiteraturgeschichteLiteraturgeschichte, der transdisziplinären Diskursgeschichte, der Theorie- und Thesengeschichte bis hin zur Mikrogeschichte des Buchstäblichen am Beispiel von GoethesGoethe, Johann Wolfgang WertherDie Leiden des jungen Werthers, von CortázarCortázar, Julios RayuelaRayuela und von Lammellentexten einschließt. Die beispiellose Karriere des Möglichkeitsbegriffs in Literatur und Literaturwissenschaft unter dem Label des MimesisMimesispostulats, die Möglichkeiten der Textdeutung als InterpretationInterpretation kultureller Deutungsmusterkulturelle Deutungsmuster am Beispiel von Texten der Frühen NeuzeitFrühe Neuzeit, des BarockBarock, der AufklärungAufklärung, des Sturm und DrangSturm und Drang, des 19. Jahrhunderts und der klassischen ModerneModerne (EinsteinEinstein, Carl, MusilMusil, Robert, DöblinDöblin, Alfred) bilden die Referenzgrundlage.

      Die KULTURGESCHICHTE DER LITERATURKULTURGESCHICHTE DER LITERATUR bietet mitnichten eine Großtheorie. Ich versuche stattdessen den Term KULTURGESCHICHTE DER LITERATUR als Metabegriff differenter kulturwissenschaftlicher Theorieprofile und Lösungsansätze geltend zu machen. Kulturgeschichte zeichnet sich dann durch eine Kombinatorik unterschiedlicher Selbstthematisierungsvorschläge aus.4 Dadurch will sich eine KULTURGESCHICHTE DER LITERATUR ihre Anschlussfähigkeit an unterschiedliche Konzeptualisierungsformen von KulturKultur, von Kulturtheorie und von Kulturwissenschaft bewahren. Sie verfolgt das kulturgeschichtliche Kontextualisierungsgebot, sie festigt durch den Rekurs auf einen kontextualistischen Kulturbegriff das figurative Denken, sie kommentiert den Wandel textueller Kommunikation und sie erklärt die TransformationTransformation von KulturtechnikenKulturtechnik. Kulturwissenschaftlich zu arbeiten bedeutet, die Synergieeffekte von Theoriedebatten und Methodendiskussionen für die jeweilige Einzeldisziplin zu nutzen. Dieser kontextualistische Ansatz lotet die gemeinsame Schnittmenge von Text und KontextKontext auf der Gegenstandsebene und von DeutungDeutung und BedeutungBedeutung auf der methodologischen Ebene aus, sie bildet die Bezugsgrundlage sowohl in methodologischer als auch in gegenstandsspezifischer Hinsicht. Jeder Text hat einen Kontext, aber der Text ist nicht sein Kontext. Die Deutung eines Textes referiert auf die Bedeutung seines Kontextes und die Deutung eines Kontextes referiert auf die Bedeutung seines Textes. Die Deutung eines Textes erschöpft sich nicht in dem, was sein Kontext bedeutet, und die Bedeutung eines Textes erschließt sich nicht allein aus der Deutung seines Kontextes. Vielmehr erlangt der Text Bedeutung durch die Deutung seines Kontextes. Dabei geht es nicht um Deutung als einer ausschließlichen Rekonstruktion historischer BedeutungBedeutung, sondern die Bedeutung eines Textes liegt in der DeutungDeutung seines Kontextes, die selbst wiederumPoetik (Aristoteles)Poetik (Aristoteles) kontextabhängig, also historisch-kulturellen Veränderungen unterworfen ist. Das heißt, KulturKultur ist nicht TextText (das wäre gegen einen textualistischen Kulturbegriff vorzutragen)5, sondern Kultur ist KontextKontext, kulturwissenschaftliches Arbeiten ist kontextualistisches Arbeiten.6

      Die KULTURGESCHICHTE DER LITERATURKULTURGESCHICHTE DER LITERATUR arbeitet mit dem sogenannten erweiterten Literatur- und MedienbegriffMedienbegriff. Gegenstand der kulturwissenschaftlichen Forschung ist nicht ausschließlich die fiktionale LiteraturLiteratur, sondern auch die nicht-fiktionale. Expositorische Texte (Gebrauchstexte) haben hier dieselbe wissenschaftliche Valenz wie fiktionale Texte. Die KULTURGESCHICHTE DER LITERATUR untersucht die Techniken und Praktiken kultureller Prozesse und deren literarischer Medien. Kulturelle Technik bedeutet allgemein die Bereitstellung der Techniken zur Ausbildung kultureller Identität, die informationell, medial, politisch-gesellschaftlich, sprachlich, regional, berufs- und tätigkeitsspezifisch, personal etc. erfolgen kann, wobei auch Aspekte materieller Volkskultur berücksichtigt werden. Kulturelle Praktiken meint die Festschreibung und Auflösung von Geschlechterdifferenzen, von Machtverhältnissen, von Mechanismen der Trivialisierung und Elitarisierung bzw. Kanonisierung von Literatur, die literarische Enkulturation, die mediale FunktionFunktion der Literatur im Sinne einer Vermittlung kultureller Standards, Verhaltens- und Bewusstseinsformen und generell die Funktionalisierung von Literatur zur Sicherung eines historisch-kulturellen Prozesses. Natur im Sinne einer Metapher als Buch zu lesen, ist uns lange geläufig. Nun aber wird dieser Blick umgekehrt, nicht die Natur erscheint als ein Text, sondern das, was der Fall ist (WittgensteinWittgenstein, Ludwig), die Kultur ist Text und Kontext gleichermaßen (insofern kann man von einem kon-textualistischen Kulturbegriff sprechen). Das ist der doppelte Blick der ModerneModerne, diesen Blick mit seinen historischen Entwicklungslinien erkennen zu können und verstehen zu lernen, ist die genuine Aufgabe einer KULTURGESCHICHTE DER LITERATUR.

      Der Romanist Hans Robert JaußJauß, Hans Robert (1921–1997) ist vor allem als Mitbegründer der Konstanzer RezeptionstheorieRezeptionstheorie bekannt geworden, obwohl in der Vergangenheit


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