Das Intrigenlabyrinth. Gaby Peer

Das Intrigenlabyrinth - Gaby Peer


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bot. Es wurde langweilig, sie zu ärgern. Aber eines war klar: „Männer sind alle Schweine!“ Nie wieder würde sie einen von ihnen an sich heranlassen oder gar in ihr Herz schließen! Sie hasste sie alle von ganzem Herzen. Noch nie hatte sie auch nur ansatzweise etwas Gutes von diesem Geschlecht erfahren.

      Die nächste Katastrophe ließ aber nicht lange auf sich warten. Morgendliche Übelkeit machte ihr zu schaffen. Der erste logische Gedanke war – ein Virus! Und das so knapp vor den Prüfungen! Mit der Zeit stellte sich jedoch heraus, dass das noch das kleinere Problem gewesen wäre. Die regelmäßige Übelkeit ließ nämlich im Laufe des Tages nach und wurde durch einen unglaublichen Appetit ersetzt. Die Brüste spannten zum Zerbersten … Nein, das konnte nicht sein. Wann hatte sie ihre letzte Periode gehabt? Sie hatte nie sonderlich auf den Rhythmus geachtet. Wozu auch? Aber es kam der Tag, an dem sie nichts mehr schönreden konnte, denn der Test war eindeutig.

      Wieder große Verzweiflung, Aussichtslosigkeit und Trauer. Warum, warum meinte es das Leben so schlecht mit ihr? Was hatte sie angestellt, dass sie immer nur Prügel einstecken musste? Wenn man an Wiedergeburt glaubte und an die Sühnung der Sünden aus dem letzten Leben, dann musste sie wohl in ihrem letzten Leben ein Monster gewesen sein.

      Wieder saß Schwester Barbara stundenlang an ihrem Bett und machte ihr klar, dass ein Kind immer ein Geschenk Gottes sei – eine große Aufgabe, die sie zu erfüllen habe. „Das Kind wird dein Lebensinhalt sein. Du musst die Verantwortung für ein kleines Wesen tragen. Du bekommst die Möglichkeit, intensiv zu lieben und geliebt zu werden, ohne darüber nachzudenken, ob du nur ausgenutzt wirst. Es wird echte, ehrliche Liebe sein, die dir dein Kind geben wird. Du kannst das Kleine so großziehen, wie du es gerne erlebt hättest.“

      „Aber mein Studium – was ist mit meinen beruflichen Träumen? Die kann ich unter diesen Umständen völlig vergessen.“

      „Clara, so lange ich atme, mich bewegen und klar denken kann – kannst du mit mir rechnen. Tag und Nacht, mein Kind. Ich werde dir zur Seite stehen, wann immer du Hilfe brauchst. Du weißt, dass du dich auf mich hundertprozentig verlassen kannst. Du bist die Tochter, die ich mir immer gewünscht habe, und jetzt bekomme ich quasi noch ein Enkelkind. Ich bin glücklich und freue mich sehr darüber. Du siehst, mein Einsatz ist nicht ganz uneigennützig.“

      Ja, Schwester Barbara war ein Glücksfall, ein Goldstück – ihre Zuneigung war das Beste, was ihr in ihrem bisherigen Leben passiert war. Zuverlässigkeit – durch sie hatte dieses Wort endlich eine Bedeutung erhalten. Ihre Mutter war auch ein liebenswerter Mensch gewesen, aber Zuverlässigkeit hatte ihr gefehlt. Immer wieder hatte sie Rückzieher gemacht, wenn sie ihrer Tochter das Versprechen gegeben hatte, das „Arschloch“ zu verlassen.

      Über Abtreibung wurde also nicht mehr gesprochen! Schwester Barbara hielt Wort und unterstützte Clara in den folgenden vier Jahren intensiv. Clara hatte sich jedoch nach langen Überlegungen und Hunderten von Gesprächen mit Schwester Barbara doch entschlossen, erst einmal nur eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen. Sie könne im Nachhinein immer noch studieren. Aber so habe sie zumindest eine abgeschlossene Ausbildung und könne von Anfang an Geld verdienen. Das brauchte sie auch dringend, weil sie mit achtzehn eine eigene Wohnung suchen und für sich und Joy selbstständig sorgen musste. Es waren verdammt harte Jahre, aber Schwester Barbara wich ihr wie versprochen nicht von der Seite.

      Als Clara gerade die Ausbildung sehr erfolgreich beendet hatte und echte Glücksgefühle aufkamen, folgte schon der nächste Schlag. Schwester Barbara starb völlig überraschend an den Folgen eines Schlaganfalls.

      Jetzt war Clara wieder ganz auf sich allein gestellt. Sie meldete Joy, die inzwischen drei Jahre alt war, in der Kita an. Und so versuchten sie weiter über die Runden zu kommen. Joy war ein sehr braves und vernünftiges, aber kein trauriges Kind. Die Gene ihres Vaters kamen ihr zugute. Sie war sehr beliebt und schloss schnell Freundschaften im Kindergarten. Ziemlich schnell hatte sie jedoch eine Lieblingsfreundin. Magdalena! Die beiden waren wie füreinander gemacht. Sie passten so gut zusammen, dass es manchmal beängstigend war. Sie mochten die gleichen Spiele, das gleiche Essen, den gleichen Sport …

      Joy liebte von Anfang an auch Magdalenas Familie und umgekehrt. Es war ein Glücksfall – auch für Joys Mutter. Wie oft konnte sie das Kind sorglos bei Dornbachs abgeben, während sie Sonderschichten übernahm und sich ständig weiterbildete. Joy liebte sie über alles – sie war und blieb ihre Mutter, ihre engste Bezugsperson. Clara gab sich auch die größte Mühe, Joy ein schönes, bequemes und glückliches Leben zu bieten. Wann immer es möglich war, unternahmen sie etwas. Nur die Mama selbst war immer sehr ernst und so richtig Spaß konnte Joy, wenn sie ganz ehrlich war, nur mit Dornbachs haben. Vor allem gab es kaum Tage, an denen sie Joy nicht eindringlich vor Männern warnte. Ihre schlimmen Erfahrungen gab sie unermüdlich weiter. Joy hörte zu – aber innerlich schien das Gesagte abzuprallen. Sie beobachtete Jens, Jonas und auch die Jungen in der Schule und im Sportverein ganz genau. Aber sie konnte nichts extrem Böses an ihnen feststellen. Da fand sie so manche Zicke aus ihrem Umfeld unsympathischer und böser. Natürlich gab es auch Blödmänner unter den Jungen, aber nicht mehr und keinesfalls schlimmer als unter den weiblichen Mitmenschen.

      Clara stichelte auch gegen die Dornbachs regelmäßig – sicher aus Eifersucht. Und so lernte Joy mit der Zeit, ihr so gut wie nichts mehr zu erzählen und den Eindruck zu erwecken, dass sie dort sein müsse, während die Mama arbeitete. Das zeigte Wirkung. Mamas Hetzattacken ließen deutlich nach.

      Dann aber kam Joy in ein Alter, in dem sie allein zu Hause bleiben konnte. Sie wollte aber weiterhin immer zu Dornbachs und bei deren Unternehmungen dabei sein. Das wiederum setzte den Hetzmechanismus wieder in Gang. Es war manchmal unerträglich. Aber Joy ließ sich das tolle Lebensgefühl bei und mit den Dornbachs nicht vermiesen. Sie genoss jede einzelne Minute. Natürlich gab es auch dort hin und wieder Ärger und Probleme, aber hier lernte Joy, wie man Dinge ausdiskutierte und dass man einen guten Kompromiss für alle finden konnte.

      Als ernsthaftes, fast die Freundschaft zerstörendes Problem erwies sich die Liebe. Magdalena und Joy hatten sich, wie es sich für die beiden gehörte, in denselben Jungen verliebt. Aber Lars Jörgensens war unsterblich in Joy verliebt und nach ein paar schwierigen Wochen beschloss Magdalena, dass die Freundschaft mit Joy wichtiger war als der Blödmann.

      Von nun an konnte Joy die Liebe richtig genießen. Sie schwebte auf Wolke sieben. Aber ihre Mutter durfte nichts davon erfahren, auf gar keinen Fall! Sie würde dann keine Ruhe mehr geben. Rund um die Uhr würde sie Joy klarmachen, dass sie sich auf den Tag einstellen musste, an dem Lars sie bitterlich enttäuschen würde. Oh, sie wusste doch gar nicht, worauf sie ihr Leben lang schon verzichtete. Und wenn Lars sie tatsächlich verletzen sollte, konnte ihr die wunderschöne Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, keiner wegnehmen. Außerdem hatten andere Mütter auch schöne Söhne …

      So glücklich und perfekt war Joys Leben vor der schrecklichen Vergewaltigung gewesen. Die paar Minuten hatten ihr ganzes Leben, Denken und Fühlen auf den Kopf gestellt. Es passte nichts mehr! Die von ihrer Mutter über Jahre hinweg eingetrichterten Sätze, die sie irgendwo in ihrem Kopf in einer geheimen Ecke verstaut hatte, krochen wie Schlangen langsam, aber stetig in den Vordergrund ihres Denkens. „Männer sind alle Schweine! Männer sind alle Schweine! Männer sind alle Schweine!“, hämmerte es in ihrem Kopf pausenlos immer lauter und lauter. Sie hatte recht – Mama hatte ja so recht! Sie fühlte sich so schmutzig, so benutzt, so enttäuscht! Dieser Mann, den sie in Gedanken immer „Papa“ genannt hatte, hatte sie tatsächlich vergewaltigt. Er hatte ihr Leben innerhalb von Minuten zerstört – er hatte sie zerstört. Sie konnte es nicht glauben. Wie kann ein Mensch sich so lange, so gut verstellen? Sie sah Jens’ Gesicht deutlich vor sich – sein warmes und so fröhliches, mitreißendes Lachen verwandelte sich vor ihren Augen in ein dreckiges, böses, verzerrtes und vor allem spöttisches Lachen. „Jetzt, jetzt habe ich dich wirklich vergewaltigt!“ Daraus konnte sie ja nur schließen, dass er sie in Gedanken schon tausendmal vergewaltigt hatte. Wie widerlich, er hatte sie in Gedanken ausgezogen, während sie zusammen mit der Familie zu Abend aßen oder einen lustigen Spieleabend verbrachten oder sich zusammen einen Film anschauten oder, oder! In wie vielen Situationen hatte er gelacht und den fröhlichen Papa gegeben und sie währenddessen in Gedanken vergewaltigt?!

      Joys


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