Die Saga von Witte Wittenson. Skalbard Odinson
zu sprechen.
„Nun, Mönch?“, höhnte dieser als er Calvinus sah. „Kommst du, um uns ein neues Wunder deines Gottes zu zeigen? Was ist es diesmal? Ein brennender Baum? Oder vielleicht willst du einen Eimer Wasser weihen und das Feuer im Dornbusch auf wunderbare Weise löschen?“
Alles lachte, doch Calvinus zeigte darüber keinerlei Regung. „Ihr habt meinen Gott verhöhnt“, sagte er mit strafender Stimme. „Das würde euch teuer zu stehen kommen, doch ich habe erkannt, dass es meine Schuld war, und will deshalb ein gutes Wort für euch einlegen. Drei Nächte und drei Tage werde ich zu Gott beten, um euer Seelenheil zu retten, doch am Abend des dritten Tages wird er ein Wunder vollbringen, dass euch eure Götzen vergessen lässt!“
„Das will ich für dich hoffen!“, riet ihm Fargrim mit einem bösen Lächeln. „Sonst wird es dein toter Körper sein, der am Abend des dritten Tages an Odins Esche baumelt.“
„Du selbst wirst diesen Baum fällen wollen, wenn mein Gott sein Wunder gewirkt hat!“, sagte Calvinus spitz, während er aus der Halle ging.
Wie er es gesagt hatte, verbrachte er die nächsten drei Nächte und Tage in Helgers Hütte und betete. Allerdings nicht für das Seelenheil der Nordmänner, sondern für eine sichere und vor allem erfolgreiche Rückkehr des Händlers.
Endlich, am Mittag des letzten Tages vor Ablaufen der Frist, kam Helger mit einer Ochsenkarre in das Dorf gefahren. Calvinus lief sofort zu ihm und begutachtete die Ware. Ihm gefiel was er sah.
„Für was brauchst du sieben Fässer Wein?“, wollte Helger wissen. „Willst du dir die Freiheit erkaufen?“
„Mehr als die Freiheit“, antwortete der Mönch verschwörerisch. „Ich werde ein paar Seelen kaufen.“
„Die Hochzeit von Kanaan?“, fragte der Händler zweifelnd.
„Ganz recht!“, nickte Calvinus. „Ich muss nur noch einen Weg finden, die Fässer unauffällig in die Halle zu bringen, und alle glauben zu lassen, dass es Wasser ist. Mir ist bisher noch keine Möglichkeit eingefallen.“
„Das dürfte ohnehin nicht einfach sein“, meinte Helger nachdenklich. „Wenn man in der Halle Wasser braucht, holt man es direkt vom Brunnen. Wasser in Fässern gibt es nur unten am Fluss!“
„Wieso ausgerechnet am Fluss?“, fragte Calvinus nach. „Dort gibt es doch genug Wasser?“
„Für die Schiffe“, erklärte der Händler. „Wenn sie in See stechen, müssen sie Süßwasser mitnehmen. Rudern macht durstig und Met und Bier machen müde.“
Calvinus dachte kurz nach, dann wandte er sich wieder an Helger.
„Also, wenn ich heute Abend den Jarl auffordern würde, mir sieben Fässer Wasser zu bringen…“
„…dann würde er sie unten am Fluss füllen und in die Halle bringen lassen!“, vollendete der Händler mit einer Geste des Verstehens.
„Dann weißt du, was zu tun ist“, lächelte der Mönch verschwörerisch. „Aber füll noch ein achtes Fass mit Wasser und markiere es mit einem Kreuz.“
Der Händler nickte und fuhr mit seinem beladenen Wagen weiter zu dem am Rande der Siedlung gelegenen Flusshafen, um zu tun, worum Calvinus ihn gebeten hatte.
Der Mönch ging derweil siegessicher und gut gelaunt mit seinen Ordensbrüdern in die Halle des Jarls, wo Fargrim bereits auf ihn wartete.
„Ah, Mönch!“, rief er, als er die drei in seiner Halle bemerkte. „Kommst du zu einem Wunder oder zu deiner eigenen Hinrichtung?“
„Das werden wir sehen“, antwortete Calvinus gelassen und setzte sich mit seinen Begleitern an einen der Tische in der Nähe von Fargrims Hochstuhl. „Der Abend ist noch jung. Lass uns abwarten, welches Wunder mein Herr für euch gewählt hat.“
„Nicht so zuversichtlich, Mönch!“, warnte der Jarl höhnisch lachend. „Hier drinnen gibt es keine Büsche, die zu brennen beginnen könnten!“
Die Halle erbebte vom Lachen der Nordmänner.
„Er wird euch überzeugen. Da bin ich mir sicher!“, gab Calvinus mit gespielter Milde zurück.
„Wenn nicht…“, begann Fargrim.
„Baumele ich an der Esche deines Götzen, ich weiß“, unterbrach ihn der Mönch gelangweilt. „Wenn das so sein sollte, wäre das mein letzter Tag auf Erden. Sicherlich gönnt ihr mir doch einen Schluck Wein als Henkersmahlzeit.“
„Wein?“, Fargrim lachte auf. „Leider haben wir hier keinen Wein. Ihr müsst mit Bier oder Met vorlieb nehmen!“
„Keinen Wein?“, gab sich Calvinus enttäuscht. „Das ist sehr bedauerlich. Christen feiern gerne mit Wein, wisst ihr! Vielleicht hat euch ja Helger schon von der Hochzeit von Kanaan erzählt?“
„In der Tat. Dort soll dein Gott Wasser in Wein verwandelt haben. Wirklich, Mönch, das wäre ein Wunder dem selbst ich mich nicht entziehen könnte.“
„Nun, vielleicht soll das euer Zeichen sein!“, gab Calvinus zu bedenken.
„Das ist leicht zu prüfen. Tyrfinn, geh an den Brunnen und hole uns einen Eimer Wasser!“
„Warte!“, hielt Calvinus ihn auf. „Warum soll man ein so großes Wunder mit nur einem Eimer verschwenden. Hole besser gleich acht Fässer, denn so viele waren es in Kanaan!“
Fargrim schien von dieser Idee begeistert und schickte Tyrfinn zum Fluss, um acht Fässer mit Wasser zu besorgen.
Schneller als erwartet war der Mann mit einem mit acht Fässern beladenen Ochsenkarren zurück. Mit ihm gekommen war auch Helger der Händler, der zufällig am Fluss war um Wasserfässer für seine nächste Reise vorzubereiten. Als er von Calvinus Wunsch hörte, war er gerne bereit, seine acht Fässer für den Mönch herzugeben.
Nachdem die Fässer in die Halle gebracht waren, ging Calvinus scheinbar wahllos auf eines der Fässer zu, achtete aber insgeheim darauf, dass es das von Helger mit einem Kreuz markierte Wasserfass war, und ließ es öffnen. Er füllte eigenhändig ein Trinkhorn und brachte es dem Jarl.
„Trink, Jarl Fargrim Aalspießer“, forderte er ihn auf.
Fargrim nahm einen Schluck und setzte sogleich mit einem bösen Lächeln das Trinkhorn ab. „Wasser!“, rief er laut vernehmbar seinen Gefolgsleuten zu. „Heute Abend bekommt Odin einen Mönch geschenkt!“
„Nicht so schnell!“, unterbrach ihn Calvinus mit gebieterischer Stimme. „Glaubst du etwa, mein Gott verschwendet seine Wunder an wilde Heiden? Nein! Wasser für die Heiden, Wein für die Christen! Schwöre erst bei deiner Ehre, dass du und all deine Gefolgsleute, ohne Ausnahme, euch von euren Götzen lossagen werdet und keinen anderen Gott als den der Christen annehmen werdet!“
Der Jarl lachte laut auf: „Ihr Christen wisst nie, wann ihr aufgeben müsst!“ Er hielt sich die Faust ans Herz und verkündete gespielt feierlich: „Ich, Fargrim Aalspießer, schwöre bei meiner Ehre, wenn das Wasser aus diesen acht Fässern zu Wein wird, werde ich und alle hier anwesenden augenblicklich zu Christen!“
„Die sieben Fässer, die noch geschlossen sind, müssen reichen. Mit dem Wasser des achten werde ich euch noch an Ort und Stelle taufen!“
„Meinetwegen!“, gestand ihm der Jarl immer noch lachend zu.
Calvinus ging zurück und ließ nun eines der anderen Fässer öffnen. Er roch sofort den aromatischen Duft des Weines und füllte mit einem leichten Grinsen das Trinkhorn und reichte es wiederum Fargrim.
Ohne etwas anderes als Wasser zu erwarten, nahm der Jarl einen großen Schluck. Plötzlich riss er die Augen weit auf und setzte hustend und spuckend das Trinkhorn ab. Verstört schaute er zuerst in das Horn, dann zu Calvinus und schließlich zu den gespannt wartenden Männern in der Halle.
„Wein“, sagte er zuerst zögernd und leise, dann lauter und schließlich schrie er es regelrecht heraus, „Wein!“