Bastians Traum. Guido Arnold
senkte ergeben sein Haupt.
»Dein Mundwerk ist in letzter Zeit ein sehr loses. Vielleicht wäre es an der Zeit, dir um deine eigene Sicherheit Gedanken zu machen«, sprach sie ruhig.
»Ich bitte Euch nochmals um Verzeihung, Eure Hoheit«, antwortete er und schielte zu Cassio hinüber.
»Gut jetzt! Wir brauchen noch ein Pferd für meinen Gast!«
»Verzeiht, Eure Hoheit«, meldete sich Cassio leise zu Wort, »ich kann gar nicht reiten.« Jago schüttelte den Kopf. Einige der Männer begannen, verhalten zu lachen. Rhea blickte ihren Gast verständnislos an.
»Gibt es in deiner Heimat keine Pferde?«
»Oh doch, aber wir reisen in Wagen. Wir reiten nicht.«
»Dann wirst du heute bei Jago aufsitzen«, entschied sie. Cassio blickte zu Jago hinauf, der schon auf dem Pferd saß. Cassio streckte ihm die Hand entgegen, und nach einer Pause reichte Jago ihm seine, als griffe er nach einem ekelhaften Getier. Cassio betete für einen halbwegs würdevollen Aufstieg, der ihn nicht noch mehr blamierte und schwang sich nach oben.
»Hier haben wir keine Wagen, also wirst du das Reiten lernen müssen«, sagte Rhea ohne Cassio anzusehen und galoppierte los. Die Männer folgten ihr, allen voran Jago mit Cassio. Der klammerte sich mit aller Kraft an Jago fest und hatte trotzdem die größte Mühe, nicht langsam vom Pferd zu rutschen.
In schnellem Galopp verließen sie Rheas Hof und ritten über ausgedehntes Grasland, bis sie schließlich direkt in einen Wald hinein kamen. Sie waren so schnell unterwegs, dass die Bäume nur als vermischtes Grün vorbeirasten, ohne dass ihm Zweige ins Gesicht peitschten. In dieser Beziehung setzte er vollstes Vertrauen in Jago und nahm sich vor, reiten zu üben, bis er es ihm gleich machen konnte. Noch heute wollte er damit beginnen. Und wie er reiten würde!
Allmählich ritten sie langsamer, bis sie sich nur noch im Trab und schließlich im Schritttempo fortbewegten. Cassios Haar war vollkommen zerzaust. Deswegen trug Rhea ihr Haar so kurz. Im Gegensatz übrigens zu Jago, der offensichtlich sehr stolz auf seinen langen Zopf war. Cassio lachte innerlich darüber und dachte an die Märchen seiner Kindheit, an die Prinzessinnen mit den langen blonden Mähnen und den wallenden Kleidern. Es war seltsam, aber mit diesem Bild im Hinterkopf verspürte er so etwas wie Erleichterung darüber, gerade hier gelandet zu sein.
Schließlich kamen sie zum Stehen. Anscheinend hatten die anderen etwas gehört. Cassio lauschte angestrengt, vernahm aber nichts Außergewöhnliches. Ganz anders Jago, der Rhea ein Zeichen gab. Langsam nahm sie ihren Bogen, spannte mit ruhiger Hand einen Pfeil aus dem Köcher eines neben ihr stehenden Reiters ein. Sie zielte kurz auf ein Gebüsch. Ein paar Sekunden hielt sie in ihrer Bewegung inne, dann ließ sie den Pfeil losschnellen, der erbarmungslos sein Ziel traf. Ein herzzerreißendes Quieken war aus dem Busch zu hören, und kurz darauf sprang in panischer Todesangst ein wildschweinähnliches Tier hervor.
Fast im selben Moment startete die Meute die Verfolgungsjagd. Fest an Jago geklammert hoffte Cassio, dass die Beute bald zusammenbrechen würde. Doch die Hetzjagd dauerte noch eine ganze Weile. Er machte die Erfahrung, welche außergewöhnlichen Kräfte ein Lebewesen entwickelte, wenn es dem Tod direkt ins Auge sah. Es rannte um sein Leben, als wäre es noch zu retten.
Schließlich geschah jedoch das Unvermeidliche, und das schwer verletzte Tier brach zusammen. Es lebte noch, doch war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis es den aussichtslosen Todeskampf verlieren würde.
Einer der Männer stieg vom Pferd und ließ einen mitgebrachten Knüppel schwer auf den dicken Kopf des bedauernswerten Geschöpfes sausen. Dessen Schädel zerbarst krachend. Nach den letzten Todeszuckungen, zog der Jäger den Pfeil heraus und wischte ihn mit einem Lappen ab. Von seinem flauen Magen ausgehend, durchfuhr Cassio ein Gefühl der Verachtung für dieses Vorgehen. Er sah verständnislos zu Rhea, die offenbar bester Laune war und mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen ihren Ritt fortsetzte, während der Mann das tote Tier an seinem Sattel befestigte. Das könnte ich nicht tun, dachte Cassio noch, während sich die Truppe in Bewegung setzte, um ihrer Anführerin zu folgen.
Auf ähnliche Weise erlegten sie noch zwei weitere Exemplare dieser eigentümlichen Waldbewohner, ehe sie endlich den Heimritt antraten.
»Diese Waldschweine werden ein vorzügliches Abendessen geben!«, rief Rhea Cassio fröhlich zu, als sie an ihm vorbeiritt. Damit war die Frage beantwortet, die ihm bereits auf der Zunge lag.
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