Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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zu finden und sich kleine Anker in Form von Erinnerungen zu schaffen. Wenn es dem Universum beliebte, fegte es einfach alles mit einer lässigen Handbewegung beiseite, gerade so, wie ein Mensch ein lästiges Insekt verscheuchen würde.

      Doch jetzt war nicht der Augenblick für tiefe philosophische Gedanken, denn überall konnte Gefahr lauern. Mit Wehmut dachte Stephan an früher zurück – da war es schon wieder, dieses komische Wort – als er sich gerne in einen Park zurückgezogen hatte, um dort vor sich hin zu träumen. Oft suchte er dazu die Nähe eines Spielplatzes, denn das Lachen und Lärmen der Kinder hatte ihm dabei geholfen, seine Gedanken wie auf einer Wolke davonschweben zu lassen.

      »Scheiß auf früher!«, knurrte Stephan ärgerlich über sich selbst. »Die alten Zeiten sind nicht mehr, die Karten wurden neu gemischt. Eine Spezies, die sich nicht anpassen kann, ist dem Untergang geweiht, und das trifft auch für einzelne Individuen zu.«

      Entschlossen ging er vollends um das Haus herum und suchte dabei nach dem Kellereingang. Vielleicht würden sich hier ja wenigstens ein paar Flaschen eines guten Weines finden lassen, mit deren Hilfe er sich genussvoll wegbeamen konnte. Wenn man einmal von dem Intermezzo mit dem ungebetenen Besucher absah, hatte Stephan den gestrigen Abend eigentlich als recht angenehm empfunden, und auch die Erinnerung an Julia war dabei in ein Licht gerückt worden, das ihm seit längerem wieder einmal Freude bereitet hatte. Ach, Julia …

      Die Kellertüre war zwar abgeschlossen, aber nicht sehr stabil. Stephan warf sich zweimal dagegen, dann sprang sie mit einem Krachen auf, als das Schloss aus dem hölzernen Rahmen splitterte. Kurz wunderte er sich darüber, dass der Vorratskeller des ehemaligen Nobelrestaurants so schlecht gesichert war, dann entdeckte er die Drähte der Alarmanlage, die inzwischen aus dem selben Grund nicht mehr funktionierte wie der Springbrunnen in seinem Gartenteich.

      Für einen kurzen Moment fand er es sehr interessant, wie sehr sich die Zivilisation von der Elektrizität abhängig und auch genau durch diesen Umstand äußerst verwundbar gemacht hatte, wenn jene nicht mehr zur Verfügung stand.

      Vielleicht haben wir ja kurz vor einer Art Zeitenwende gestanden, dachte Stephan, als er seine Dynamotaschenlampe hervorholte und noch ein paarmal an deren Kurbel drehte, um den Akku vollends aufzuladen. Wenn man uns mehr Zeit gelassen hätte, dann wäre aus der Menschheit vielleicht noch etwas Anständiges geworden. Oder mag das Universum vielleicht keine Anständigen und hat uns deshalb so in den Arsch getreten?

      Er stellte fest, dass er schon wieder dabei war, sich im Philosophieren zu verlieren, deshalb knipste er kurzerhand seine Lampe an und begann, sich in dem alten Gewölbekeller umzusehen.

      Tatsächlich waren die Regale überwiegend mit den verschiedensten Weinen bestückt, und es grenzte schon an ein Wunder, dass noch niemand anders versucht hatte, sich dieser Schätze zu bemächtigen. Täuschte er sich, oder lagerten weiter hinten sogar Lebensmittel? Das Klima dieser alten Keller war für einige Dinge ideal, mit ein wenig Glück war Stephan soeben auf einen kleinen Schatz gestoßen.

      Kurz war er versucht, sich den Inhalt einer Weinflasche in den Hals zu kippen, um die gestern rüde unterbrochene Andacht für Julia angemessen nachholen zu können, dann entschied er sich jedoch anders. Zuhause würde es bestimmt mehr Spaß machen als in diesem Gewölbe, außerdem war die Gegend nicht wirklich sicher, wie er im Supermarkt mitbekommen hatte.

      Stephan wollte sich gerade daranmachen, die hier gelagerten Lebensmittel näher in Augenschein zu nehmen, um sich für seine erste Tour ein paar besonders leckere Dinge auszusuchen, als von der Treppe her Geräusche zu hören waren, die verdammt an den Freak vom Vorabend erinnerten …

      Kapitel II - Schießübungen

      Schweigend folgte die Gruppe ihrer Anführerin. Sandra ging an der Ortsgrenze von Königsdorf entlang Richtung Süden. Dabei bedeutete sie ihnen ab und zu stehenzubleiben. Sandra huschte dann flink in eines der Häuser, nur um kurz darauf wieder mit grimmiger Miene und einem Kopfschütteln aufzutauchen.

      Diese Vorgehensweise ließ sie nur relativ langsam vorankommen. Die Sonne kletterte nach und nach höher am Himmel. Das Versprechen, es würde ein schöner Tag werden, schien sich zu erfüllen – zumindest was das Wetter anging.

      Sie hat wieder nichts gefunden, erklangen Toms Gedanken in Martins Kopf. Ich kann ganz deutlich spüren, dass sie hofft, in einem der Häuser noch etwas Essbares aufzutreiben.

      Schicksalsergeben verdrehte Martin die Augen. Er konnte sich immer noch nicht an diese stille Art der Verständigung gewöhnen. Für die Kinder schien es jedoch so selbstverständlich zu sein, dass sie schon gar nicht mehr darüber nachdachten. Er hatte sie zwar gebeten, es zu lassen, aber eigentlich war es egal, solange nur Patrick und vor allem Sandra nichts davon mitbekamen.

      Martin war sich immer noch nicht sicher, wie sie darauf reagieren würde. Auf der einen Seite sorgte sie sich zwar um das Wohl der Kinder, auf der anderen schien sie aber auch nicht sehr zögerlich zu sein sein, wenn es darum ging, sich Dingen zu entledigen, die ihr hinderlich erschienen.

      Ich frage mich sowieso, warum sie hier sucht. Martin hatte sich einen Ruck gegeben und antwortete auf dem gleichen Weg. Ich fände es sinnvoller, in einem der Restaurants oder Geschäfte in Königsdorf nachzusehen, ob es dort noch etwas brauchbares gibt. Stattdessen gehen wir langsam aber sicher in Richtung Autobahn.

      Ich frage sie.

      Noch bevor Martin reagieren konnte, hatte sich Tom aus der Gruppe gelöst und mit ein paar schnellen Schritten zu Sandra aufgeschlossen.

      »Was willst du?« Sandras Stimme klang nicht sehr erfreut darüber, dass der Junge den bescheidenen Schutz, den ihm die Gruppe bot, verlassen hatte. »Du siehst doch, dass ich noch nichts gefunden habe.«

      »Ja, sehe ich.« Tom nickte bedächtig, was so gar nicht zu dem passen wollte, wie sich ein Dreizehnjähriger normalerweise in einer solchen Situation verhielt. »Ich denke, dass du einen Grund dafür hast, nicht in Königsdorf selbst nach Vorräten zu suchen, sondern in Richtung der A4 zu gehen. Und sag mir nicht, es sei wegen der Zombies.«

      »Du bist ein kluges Kerlchen. Also streng deinen Kopf noch ein bisschen mehr an und sag mir, was wir mindestens so dringend brauchen wie Essen, um die ganze Scheiße hier einigermaßen heil zu überstehen.«

      Tom musste nicht nachdenken, denn er wusste die Antwort ebenso gut wie jeder andere in der Gruppe. »Waffen und Munition natürlich. Patricks Morgenstern mag zwar beeindruckend aussehen, aber wirklich effektiv ist er nicht. Ein paar zusätzliche Schusswaffen wären daher sicher kein Fehler.«

      »Siehst du, du bist in der Tat ein kluges Kerlchen«. Sandra grinste, wurde aber sofort wieder ernst. »Weißt du denn auch, was südlich von Königsdorf in der Nähe der Autobahn ist?«

      »Nein, ich war hier noch nie.«

      Mir einem Mal wallten die Erinnerungen wieder in Sandra hoch. Im Gegensatz zu Tom war sie schon einige Male hier gewesen, zusammen mit ihrem Vater. Damals hatte er sie noch nicht so oft verprügelt, dafür später umso mehr. Manchmal vermeinte sie auch heute noch, die Schläge förmlich zu spüren. Und sie war jedes Mal froh gewesen, noch am Leben zu sein, wenn es vorüber gewesen war.

      »Dann lernst du heute also etwas dazu«, sagte sie schärfer als beabsichtigt. »Und jetzt geh zu den anderen zurück und stör mich nicht länger!«

      Sandra drehte sich abrupt um und stapfte weiter die Straße entlang. Tom sah ihr ein wenig verdattert hinterher.

      »Ich wollte dich warnen«, raunte Martins Stimme neben seinem Ohr. »Aber du warst zu schnell. Lass Sandra besser in Ruhe.«

      Der junge Mann war geräuschlos herangekommen und legte nun seine Hand auf Toms Schulter.

      Der schaute ihn an und grinste. »Ach, es ist schon gut. Immerhin weiß ich jetzt, warum wir diesen Weg hier nehmen.«

      Martin schüttelte unmerklich den Kopf, doch Patrick war ebenfalls nähergekommen und hatte den letzten Satz noch gehört. »Warum denn?«, wollte er prompt wissen. »Was hat dir Sandra erzählt?«

      »Sie hofft, in der Nähe der Autobahn weitere Waffen


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