Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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unbedingt hob.

      »Wir waren zwischenzeitlich in der Waffenkammer und haben das hier gefunden.« Stolz hob Martin ihr den Karabiner unter die Nase.

      »Scheint ein Original aus dem Zweiten Weltkrieg zu sein.« Sandra musterte die Waffe abschätzig. »Was besseres gab es da nicht?«

      »Wenn dir ein Vorderlader lieber ist …«

      »Ha, ha, wie witzig!«

      »Doch ehrlich, es gibt einen im gleichen Schrank, wo wir das Ding hier her haben.«

      »Das glaube ich dir sogar, du Spaßvogel, aber mit so einem ollen Teil kannst du deine Gegner leichter totwerfen als erschießen. Gib mal her!«

      Damit nahm Sandra ihm den Karabiner aus der Hand und musterte ihn eindringlich. Sie betrachtete das Schloss, das kleine Magazin und den Lauf. Dann prüfte sie den Abzug und nickte zufrieden, als der Schlagbolzen wie erwartet nach vorne schoss.

      »Munition?«

      »Hier.« Martin gab ihr die Päckchen.

      »Weißt du, wie man damit umgeht?«

      »Sehe ich etwa so aus?«

      »Nein, natürlich nicht.« Sandra feixte. »Aber ich dachte, ich frage trotzdem einfach mal. Patrick?«

      »Gott bewahre! Zwar habe ich keine Hemmungen, die erbarmungswürdigen Kreaturen dort draußen zu erlösen und in das Reich des Herrn zu schicken, aber Schusswaffen fasse ich nicht an! Ich bin ein Mann des Geistes.«

      »Mit einem selbstgebauten Morgenstern.«

      »Der nur der Selbstverteidigung oder dem Schutze Hilfloser dient.«

      »Du hast den Pfarrer gehört«, erklärte Sandra an Martin gewandt. »Du gibst ihm also den Schild zurück, und dafür zeige ich dir, wie man dieses Schätzchen hier zum Bellen bringt.«

      *

      »Nur fünf Schuss? Ist das nicht ein bisschen wenig?« Martin sah Sandra skeptisch an.

      »Den Soldaten hat es damals auch genügen müssen, also stell dich nicht so an! Mehr geht in das Magazin halt nicht rein, aber es ist immer noch besser, als mit Steinen zu schmeißen, oder?«

      Sandra hatte auf dem Schießstand eine Klappscheibe gefunden und diese in Position gebracht. Anschließend hatte sie Martin erklärt, wie er die Waffe lud, entsicherte, spannte und damit schoss.

      »Ja klar ist es besser als Steineschmeißen.« Martins Gesicht war anzusehen, dass er am liebsten eine Maschinenpistole oder einen Flammenwerfer gehabt hätte.

      »Und vergiss nicht, das Schulterstück ordentlich einzuziehen, bevor du abdrückst.«

      »Häh? Was soll ich?«

      Sandra verdrehte die Augen. »Du sollst den Schaft fest gegen die Schulter drücken, sonst bekommst du mächtig Aua. Jetzt verstanden?«

      »Klar, schließlich bin ich nicht doof.«

      »Das klang eben noch anders.«

      »Ist ja schon gut«, nörgelte Martin. »Kann ja nicht jeder so ein Waffenexperte wie du sein.«

      »Da du offenbar erkannt hast, wer von uns beiden der Experte ist, wärst du dann jetzt vielleicht auch geneigt, endlich das zu tun, was ich dir sage?«, flötete Sandra und klimperte dabei mit den Augen, dann brüllte sie ohne Vorwarnung los: »Entsichern! Zielen! Schießen! Los jetzt!«

      Mit einem lauten Krachen brach der Schuss. Martin ließ vor

      Schreck beinahe die Waffe fallen. Er setzte sie vorsichtig ab und rieb sich die rechte Schulter.

      »Ich habe doch gesagt, du sollst das Ding ordentlich dagegen pressen. Der Verschluss verriegelt starr, und es gibt auch keine Nachlademechanik, die einen Teil des Rückschlags auffangen könnte. Aber du bist ein ganzer Kerl, du schaffst das schon.«

      Martin wusste in diesem Moment nicht, ob er Sandra dafür hassen oder lieben sollte. Auf der einen Seite bewunderte er diese toughe Frau, auf der anderen mochte er die Art nicht, wie sie von oben herab mit ihm sprach. Schließlich fügte er sich seufzend in sein Schicksal und versuchte, mit dem nächsten Schuss wenigstens in die Nähe der Zielscheibe zu kommen …

      *

      »Wir brechen auf«, wies Sandra die anderen an, nachdem sie mit Martin wieder in die Schankstube zurückgekehrt war. »Unser Held hier trifft inzwischen immerhin ein Scheunentor, wenn es direkt vor ihm steht und sich nicht zu schnell bewegt. Das muss fürs Erste genügen. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Lärm der kleinen Schießübung bald unsere Freunde auf den Plan rufen wird.«

      »Dann gehen wir jetzt nach Königsdorf hinein?«, wollte Patrick wissen.

      »So ist es.« Sandra nickte. »Es ist inzwischen fast Mittag, also wollen wir doch mal schauen, was die hiesigen Restaurants so auf der Tageskarte haben.«

      Da alles gesagt war, machte die Gruppe sich auf den Weg. Ohne dass es einer Anweisung Sandras bedurft hätte, nahmen sie dabei wieder die alte Marschordnung ein. Die Kinder hatten sich während des Aufenthalts einigermaßen stärken und ausruhen können und stimmten kurz nach dem Aufbruch wieder ihr stilles Lied an.

      Wir sind die Pilger nach Eden

      dort wollen wir in Frieden leben

      und unter Seinem hellen Licht

      das Dunkel uns niemals anficht

      wir sind die Vergessenen

      beschimpft als die Besessenen

      doch wir sind nur die Pilger nach Eden

      wo in Frieden wir werden ewig leben

      Kapitel III - Proviant

      Sandra führte die Gruppe durch die Felder nach Königsdorf zurück. Als sie die ersten Häuser erreichten, bedeutete sie den anderen, stehenzubleiben und sich ganz ruhig zu verhalten.

      Eine Zeitlang stand Sandra einfach nur da und schien zu lauschen. Plötzlich riss sie ihre Pistole hoch und visierte ein knapp 50 Meter entferntes Gebüsch an. Dort raschelte es kurz, dann war wieder Ruhe.

      »Was auch immer es war, es ist abgehauen«, knurrte sie und ließ die Waffe wieder sinken. »Vermutlich irgendein Straßenköter.«

      »Ein Hund, der abhaut, wenn man auf ihn anlegt?« In Martins Stimme klang Unglauben mit. »Muss ja ein kluges Tier sein.«

      »Was weiß denn ich?« Sandra zuckte mit den Schultern. »Auf jeden Fall können wir weitergehen. Und haltet euch in der Mitte der Straße, falls sich noch weitere Zombies in den Häusern herumtreiben.«

      *

      Kurze Zeit später erreichten die Gruppe wieder die Achener Straße. Alles machte einen verlassenen Eindruck.

      »Wir gehen nach Westen weiter, denn in diese Richtung wollen wir ohnehin«, erklärte Sandra. »Wenn wir irgendetwas entdecken, was nach einem Restaurant oder Lebensmittelladen aussieht, schauen wir es uns näher an.«

      »Aber die Supermärkte waren doch in Köln schon geplündert.« Patrick kratze sich nachdenklich im Nacken. »Denkst du wirklich, dass das hier anders sein wird?«

      »Wenn wir nicht nachschauen, werden wir es nicht herausfinden. Außerdem wäre es ziemlich dämlich von uns, einfach an einem Laden vorbeizumarschieren, der aus irgendeinem Grund noch randvoll mit Lebensmitteln ist, nur weil wir davon ausgehen, dass es nicht sein kann.«

      »Da … da vorne ist etwas!« Jonas zeigte auf eine Stelle, an der eine Seitenstraße in die Achener einmündete.

      Sofort fuhr Sandra herum und hatte wieder ihre Pistole im Anschlag. Martin hob ebenfalls sein Gewehr, wobei ihm deutlich anzumerken war, dass er sich mit der Waffe in der Hand nicht wirklich wohlfühlte.

      »Wenn er rauskommt, blase ich ihm den Schädel weg«, knurrte Sandra. Langsam spannte


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