Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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Schreck und Anspannung hätte er deshalb beinahe den Abzug seines Karabiners durchgerissen, fasste sich aber schnell wieder.

      Was ist es dann?

      Ich weiß es nicht. Es … es fühlt sich irgendwie merkwürdig an. Ich kann es spüren, aber es ist kein Knirscher und auch kein Mensch.

      Ein Tier vielleicht?

      »Ich habe dich gesehen, also komm raus!« rief Sandra in diesem Moment. »Ich werde auch nicht auf dich schießen.«

      Dann setzte sie leise hinzu: »Zumindest fürs Erste nicht …«

      Tatsächlich war jetzt an der Hausecke eine Bewegung zu erkennen. Langsam schob sich der Kopf eines Hundes hervor. Das Tier ließ die Pilger dabei für keine Sekunde aus den Augen. Schließlich blieb er stehen und wedelte langsam mit dem Schwanz. Sein gesamtes Fell war schneeweiß, wirkte gesund und gepflegt.

      »Ist der schön!« Rosi seufzte. »So einen habe ich mir immer gewünscht.«

      »Mit dem Köter stimmt etwas nicht.« In Sandras Stimme klang deutliches Misstrauen mit.

      »Es ist ein Hund, nichts weiter.« Martin zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich hat er Hunger.«

      »Und warum kommt er dann nicht her?«

      »Vielleicht denkt er ja, dass mit uns etwas nicht in Ordnung ist.« Martin feixte.

      »Blödsinn! Hunde können nicht denken. Zumindest nicht richtig.«

      »Aber dumm sind sie auch nicht. Und dieses prächtige Exemplar scheint die Wirren der letzten Zeit recht gut überstanden zu haben, weiß also, auf was es ankommt.«

      »Und wenn schon.« Sandra zog hörbar die Nase hoch. »Mitkommen kann er auf jeden Fall nicht, denn wir haben auch so schon nicht genug zu essen. Da können wir nicht auch noch einen Köter durchfüttern, und wenn er noch so schön ist.«

      »Aber … aber«, machte Rosi einen zaghaften Versuch, die junge Frau umzustimmen.

      »Nichts da!« Der Ton in Sandras Stimme machte klar, dass sie keinen Widerspruch duldete, und dass die Diskussion hiermit beendet war. »Nachdem wir das Schlaraffenland gefunden haben, können wir gerne nochmal darüber reden, aber jetzt schauen wir uns zuerst den Supermarkt dort drüben an.«

      Damit setzte sie sich in Bewegung, und den anderen blieb – wieder einmal – nichts anderes übrig, als ihr nachzugehen.

      *

      Der weiße Hund folgte ihnen in gebührendem Abstand, und Sandra äugte immer wieder misstrauisch in seine Richtung. Als sie den Eingang des Supermarkts erreicht hatte, bellte das Tier plötzlich. Sandra fuhr herum und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.

      Einen Moment lang standen sie sich so gegenüber, keiner machte Anstalten, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Schließlich schnalzte Sandra missbilligend mit der Zunge und wandte sich wieder der Eingangstür des Ladens zu.

      Wieder bellte der Hund, und wieder drehte sich Sandra zu ihm um. »Was willst du? Habe ich etwa deiner Schönheit nicht genug gehuldigt?«

      Wie um zu verneinen, schüttelte das Tier den Kopf. Dann bellte es erneut, und machte langsam ein paar Schritte zurück.

      »So ein Affentheater!« Sandra schüttelte den Kopf und drehte sich erneut um. Entschlossen ging sie auf den Eingang des Supermarkts zu, dabei das wieder einsetzende Bellen ignorierend.

      »Wenn er herkommt, knall ihn ab!« Diese Anweisung war an Martin gerichtet gewesen. »Blödes Vieh.«

      Noch einmal schüttelte Sandra unwillig den Kopf, dann machte sie sich an der Ladentür zu schaffen, um sie aufzudrücken. Sie fluchte leise, als sie einmal abrutschte, dann ließ sich die Tür mit ein wenig Mühe zur Seite schieben, und Sandra zwängte sich durch den so entstanden Spalt.

      »Patrick kommt mit mir, Martin wartet zusammen mit den Kindern, bis wir wieder da sind. Und lasst euch bezüglich der Töle keine Dummheiten einfallen, klar?«

      *

      »Was ist das für ein Hund?« Gabi sah Martin fragend an. »Ich finde, er ist sehr schön. Das buchstabiert man S-C-H-Ö-N.«

      »Ja, ein prächtiger Kerl.« Martin nickte. »Aber ich finde ehrlich gesagt auch, dass er sich irgendwie merkwürdig verhält.«

      Nachdem Sandra das neuerliche Gebell ignoriert hatte, hatte sich das Tier in einiger Entfernung auf den Boden gelegt und verfolgte nun angespannt, was am Eingang des Supermarkts vor sich ging. Seine Zunge hing seitlich ein wenig aus dem Maul, und sein Gesicht schien ein gewisses Maß an Sorge auszudrücken.

      Bevor Martin sich darüber weitere Gedanken machen konnte, erklangen Schüsse aus dem Inneren des Supermarkts. Kurz darauf tauchte Patrick auf, dicht gefolgt von Sandra, die zwei weitere Schüsse abgab.

      »Weg hier!« Patrick atmete schwer. »Los, macht schon. Da drin wimmelt es nur so von Zombies! Ein Glück, dass wir sie zuerst gesehen haben!«

      Eilends rannten alle über den Parkplatz davon und sahen zu, dass sie möglichst schnell Abstand zum Eingang bekamen. Schon tauchten die ersten Zombies darin auf, wurden jedoch merklich langsamer, als sie das Licht der Sonne erfasste.

      Der Rückzug der Pilger wurde von einem »Wuff! Wuff!« des weißen Hundes begleitet, so als ob er sagen wollte »Ich habe euch doch gewarnt.«

      *

      »Wir haben sie abgehängt.« Sandra blieb keuchend stehen.

      Martin ließ sich einfach neben ihr auf den Boden plumpsen. Er zitterte am ganzen Leib, und zu allem Überfluss konnte er spüren, dass er bald wieder von einem Affen in seinem Genick durchgerüttelt werden würde.

      »Der Hund ist weg.« Rosis Stimme klang traurig, und Gabi ging zu ihr, um sie zu trösten.

      »Wenn uns der Köter nicht mit seinem Gekläffe abgelenkt hätte, hätten wir die Zombies viel früher bemerkt«, giftete Sandra. »Von daher bin ich froh, dass er endlich weg ist.«

      »Unsinn!« Patrick sah sie streng an. »Ich bin sicher, der Herr hat uns dieses Tier gesandt, und wenn wir auf seine Warnung gehört hätten, wäre uns der Ärger erspart geblieben.«

      »Man kann Gott sicherlich für vieles verantwortlich machen, aber wohl kaum für das Bellen einer streunenden Töle.« Sandra lachte verächtlich.

      »Versündige dich nicht! Auch dieses Tier ist ein Geschöpf Gottes, so wie jeder von uns.«

      »Die Zombies also auch?« In Sandras Stimme lag ein Lauern.

      »Das habe ich nicht gesagt.«

      »Wie auch immer.« Sandra winkte ab. »Auf jeden Fall ist das Vieh endlich weg, und wir haben unsere Ruhe vor ihm.«

      Der Hund ist nicht weg, meldete sich Tom bei Martin und den anderen. Ich kann ihn immer noch deutlich spüren. Er versteckt sich nur. Vermutlich weil er Sandras Ablehnung fühlt.

      Wer spürt die nicht? Martin seufzte innerlich. Aber zumindest mit einem hatte sie im Schützenhaus recht, bevor sie umgekippt ist: Ohne sie wären wir alle schon längst nicht mehr am Leben.

      Laut fragte er: »Und was machen wir jetzt?«

      »Wir schauen mal, ob wir in der Apotheke dort vorne etwas finden, dass dich in der Spur hält.«

      Offenbar hatte Sandra ebenfalls bemerkt, dass sich bei Martin die ersten Symptome eines Entzugs ankündigten. Dieser fragte erst gar nicht, was sie mit ihm vorhatte, wenn sie nicht fündig würden, denn er glaubte die Antwort bereits zu kennen.

      *

      »Nasenspray?« Martins Augen weiteten sich. »Was soll ich damit?«

      »Das ist zwar kein Ersatz für Deinen Puder, aber es hilft dir dabei, den Arsch oben zu halten.«

      »Wenn du meinst …«

      »Ja, meine


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