Chronik von Eden. D.J. Franzen
Also sollten wir uns beeilen, den Anschluss nicht zu verlieren.«
Er nickte den anderen zu, und die Gruppe nahm wieder ihre »Marschordnung« ein. Die beiden Männer sicherten die Flanken, die Kinder gingen in der Mitte.
Es gibt dort ein Schützenhaus, meldete sich Tom unhörbar bei Martin. Ich habe es in ihren Gedanken gesehen. In Erinnerungen an eine bessere Zeit.
Du kannst ihre Gedanken lesen?!? Martin war so verblüfft, dass er die Frage beinahe laut ausgesprochen hätte.
Nur wenn sie schreien, so wie vorhin. Sie sind dann so laut, dass man sie gar nicht überhören kann.
*
Das Knallen mehrerer Schüsse zerriss die Stille des Vormittags. Aus dem Inneren des Hauses tauchte eine Gestalt auf. Sandra!
Es knallte zwei weitere Male, dann war nur noch ein metallisches Klicken zu vernehmen.
»Scheiße!«, brüllte Sandra und zog sich rasch noch ein paar Schritte von dem Gebäude zurück.
In der Haustür erschien eine weitere Gestalt. Die zögerte einen Moment an der Grenze zwischen Licht und Schatten, dann setzte sie sich wieder in Richtung auf die junge Frau in Bewegung.
Ein neuerlicher Knall ertönte, und der Kopf des Zombies zerplatze wie eine überreife Melone. Sandra hatte in Windeseile das Magazin gewechselt und wischte sich nun angewidert die stinkenden Schleimspritzer aus dem Gesicht.
»Hat er dich überrascht, mein Kind?«, wollte Patrick wissen.
»Nein, hat er nicht. Da drin war ein ganzes Rudel von denen. Fast als ob sie nur darauf gewartet hätten, dass jemand in das Haus geht. Außerdem bin ich nicht Ihr Kind.« Bei den letzten Worten schienen die Augen der jungen Frau eisige Blitze zu verschießen.
»Das … das ist mir nur so herausgerutscht.«
»Denkst du wirklich, dass in einem der Häuser hier noch etwas zu holen ist?«, beteiligte sich nun Martin an dem Gespräch, und Patrick schien ihm für den Themenwechsel dankbar zu sein.
»Es war zumindest einen Versuch wert. Irgendwo in dem Dreckskaff muss es ja schließlich noch was zu futtern geben. Konserven, Eingemachtes, irgendwas. Ich habe einen scheiß Hunger, und ich könnte wetten, dass das keinem von euch anders geht.«
»Vielleicht sollten wir …«
»Ja, ich weiß, was du sagen willst. Im Ortskern suchen, nicht wahr? Stell dir vor, darauf bin ich selbst schon gekommen. Aber zuerst müssen wir zur A4, sonst reißt uns die neue ›Königsdorfer Bürgerwehr‹ den Arsch auf, und zwar mit ihren Zähnen.«
Martin verkniff sich die Frage, was Sandra an der A4 zu finden hoffte. Wenn Tom recht hatte, und es dort ein Schützenhaus gab, dann konnten sie mit ein wenig Glück die eine oder andere großkalibrige Waffe erbeuten. Gasdruckwaffen und Kleinkaliber waren nutzlos, die bauten bei einem Treffer nicht genug Druck im Gewebe auf. Das wusste selbst Martin, obwohl er mit Waffen ansonsten nicht viel am Hut hatte. Aber die Zeiten änderten sich, und es blieb einem nichts anderes übrig, als sich an diese Veränderungen anzupassen, wenn man überleben wollte.
*
Eine gute halbe Stunde später näherte sich die Gruppe einem Hain, in dem wohl das Schützenhaus untergebracht war. Martin nutzte einen Moment, in dem Sandra sich zu den anderen umdrehte, und machte sie durch ein Zeichen auf sich aufmerksam.
»Was willst du?«, flüsterte sie, nachdem sie zu ihm hingegangen war.
»Ich habe nachgedacht.«
»Ach, das kannst du auch?« Sandra hob eine Augenbraue. »Und ganz ohne weißes Pulver?«
»Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt für Sarkasmus.«
»Dann rede endlich!«
»Es ist wegen dem Haus. Das, in dem die Zombies waren. Du hast gesagt, sie hätten dort regelrecht auf jemanden gewartet.«
»Und weiter?«
»Wenn es nun ein Hinterhalt ist?«
»In dem Haus krabbelt nichts mehr. Ich habe dort gründlich aufgeräumt.« Sandra tätschelte ihre Pistole.
»Ich meine das Schützenhaus. Manchmal habe ich den Eindruck, dass nicht alle Zombies doof sind, sondern dass einige von ihnen gezielt handeln oder von jemandem gelenkt werden. Und dieser jemand kann sich denken, dass wir uns hier Waffen beschaffen wollen, was also liegt näher, als hier einen Hinterhalt zu legen?«
»Nun, da ist was dran. Anscheinend bist du ja doch zu etwas zu gebrauchen.«
»Fein.« Martin verdrehte die Augen. »Und was machen wir jetzt?«
»Was wollen wir schon groß machen? Wir sind leise und legen alles um, was sich uns in den Weg stellt. Punkt. Noch Fragen?«
Martin, ich habe Angst. Das war Rosis »Stimme«, wenn er sich nicht täuschte.
Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Martin versuchte, zusammen mit den Worten auch ein Gefühl der Zuversicht zu übermitteln.
»Hallo? Noch jemand zu Hause?« Sandras Stimme machte ihm klar, dass er soeben abwesend gewirkt haben musste.
»Äh, ja, natürlich.«
»Ich will es nicht nochmal sagen müssen«, knurrte sie. »Wenn du zum Problem wirst, dann muss ich es lösen. Also, was ist jetzt? Noch Fragen?«
Martin schüttelte stumm den Kopf.
»Gut. Du bleibst bei den Kindern. Patrick und ich gehen rein und sehen uns um. Wenn in fünf Minuten nicht einer von uns wieder draußen ist, macht ihr, dass ihr von hier verschwindet, und zwar so schnell es geht. Also los!«
*
»Leise« hat sie gesagt, dachte Martin, als die Tür des Schützenhauses mit einem Krachen aus den Angeln flog, und er wusste nicht, ob er belustigt oder eher besorgt sein sollte.
Patrick hatte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen geworfen, und das Holz konnte diesem Ansturm roher Gewalt nichts entgegensetzen. Fast nichts. Vermutlich würde sich an der Schulter des Mannes ein beachtlicher blauer Fleck bilden.
Martin und die Kinder lauschten angespannt auf die Geräusche, die gedämpft zu ihnen drangen. Bislang schien das Haus verlassen zu sein, zumindest waren keine Schüsse oder sonstiger Kampflärm zu hören.
Glaubst du, sie schaffen es? Gabi hatte sich eng an ihren Helden geschmiegt. Wir brauchen dringend noch eine Waffe. Das buchstabiert man W-A-F-F-E.
»Sie schaffen es bestimmt.« Kurz war Martin versucht, dem Mädchen beruhigend über den Kopf zu streicheln, unterließ es dann aber doch lieber. Die Verehrung der Kleinen war ihm unangenehm, und er wollte ihr keine weitere Nahrung geben.
»Ich denke, in dem Haus sind keine Knirscher«, ließ sich Michael vernehmen. »Die, die ich spüren kann, sind weiter weg. Vielleicht auf der Autobahn oder so.«
»Ihr sollt doch nicht über eure Fähigkeiten reden.« Martin klang besorgt.
»Die beiden sind doch im Haus und können uns nicht hören.«
»Aber das kann sich jeden Moment ändern.«
Wie um Martins Worte zu bestätigen, tauchte in diesem Augenblick Sandra im Eingang auf und winkte ihnen zu. »Alles sauber. Los, kommt rein!«
*
»Wer den Herrn fürchtet, der hat eine sichere Festung, und seine Kinder werden auch beschirmt!« Mit diesen Worten empfing Patrick Martin und die Kinder in der kleinen Schankstube des Schützenhauses.
Hier drin schien alles in Ordnung zu sein. Zwar herrschte eine gewisse Unordnung, dennoch war alles intakt, und es schien auch nichts zu fehlen.
Sandra verschwand durch die Tür hinter dem Tresen, nur um kurz darauf mit ein paar blau-roten Päckchen in der Hand wieder aufzutauchen.
»Ich