Parkour. Herbert Lipsky

Parkour - Herbert Lipsky


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sie mit dieser Lösung einverstanden, und so ging ihr letztes Schuljahr zur Zufriedenheit aller zu Ende. Die Situation machte ihnen Spaß, und sie dachten, wie alle jungen Menschen, sie würden die Sexualität neu erfinden. Nach der Schule trennten sich ihre Wege, er hatte keine Ahnung, was aus ihnen geworden war.

      Marie hatte er alles erzählt, und sie hatte gelacht: „Das hast du gut gemacht, du gerätst nach deinem Vater.“

      Er dachte an Marie und sehnte sich nach ihr. Er nahm sich vor, sie morgen anzurufen.

      „Woran denkst du gerade?“, fragte ihn Lara Bauer, seine Vorgesetzte.

      „An unsere Pariser Haushälterin, Marie, meine zweite Mutter, und ans Kochen.“

      Als sie mit dem Essen fertig waren, stand er auf und räumte die Teller in den Geschirrspüler.

      „Wenn Sie noch Zeit haben, setzen wir uns ins Wohnzimmer.“

      Sie blickte auf ihre Uhr und nickte. Ihr Glas nahm sie mit. Er kam mit der noch halb vollen Flasche nach. Sie saß zurückgelehnt auf dem ausladenden Sofa.

      „Komm her, setz dich neben mich.“

      Schweigend tranken sie einen Schluck des schweren aromatischen Weins. Er nahm ihre Hand und küsste deren Innenfläche. Sie nahm die Hand und legte sie auf ihren Busen. Langsam näherte er sich ihrem Gesicht und berührte vorsichtig ihre vollen Lippen. Er kostete ihren Geschmack, als ob er von einer reifen Frucht essen würde. Nur langsam drang seine Zunge in den sich öffnenden Mund vor, um ihrer Zunge zu begegnen und ihren geschmeidigen Widerstand zu spüren. Alles geschah langsam und rücksichtsvoll erkundend. Er verspürte, wie sein Blut in die unteren Regionen seines Körpers strömte. Sie ließ ihn mit geschlossenen Augen gewähren, als er ihr die Bluse aufknöpfte und an ihren Nippeln saugte. Bewegungslos und mit einem verträumten Gesichtsausdruck ließ sie sich entkleiden und half ihm gelegentlich durch entgegenkommende Bewegungen. Endlich lag sie, mit einem Lächeln auf den Lippen, nackt vor ihm. Sie hatte einen kräftigen, aber vollkommenen Körper, muskulöse Schultern, nicht zu große Brüste, eine schmale Taille und ein gerade richtig proportioniertes Becken, an dessen Basis das geheimnisvolle dunkle Dreieck lag, das Männer so anzieht.

      „Gefalle ich dir?“, fragte sie schelmisch. „Dann komm.“

      Sie beobachtete ihn aus halb geöffneten Augen. Er streifte sich sein Hemd über den Kopf und mühte sich mit den Knöpfen seiner Jeans, es konnte ihm nicht rasch genug gehen.

      „Komm zu mir, mein junger Freund.“

      Er legt sich auf sie, sie öffnete sich und ließ ihn zu ihr. Sie begannen, sich langsam zu bewegen, und erkundeten dabei behutsam die Reaktionen des anderen. Schon bald fanden sie einen gemeinsamen Rhythmus, verloren die Kontrolle, und ihre Bewegungen wurden heftiger, um dem ersten Höhepunkt entgegenzueilen, dem noch weitere folgen sollten. Jedes Mal pressten ihn dabei ihre Schenkel und ihr Becken so fest zusammen, wie er es zuvor kaum erlebt hatte. Endlich hörten sie mit einem Seufzer auf.

      „Ich habe es geahnt, dass es mit dir gut gehen würde“, sagte sie genussvoll. Ihm war es, als ob eine Katze schnurren würde. Sie schob ihn von sich, griff zum Tisch, nahm das Glas und trank einen Schluck Wein, kuschelte sich in seine Achselhöhle, streichelte seine Brust und liebkoste seinen Körper bis hinunter, wo der wichtige Teil noch immer nicht ganz seinen Normalzustand erreicht hatte. Auch er fühlte für sie eine Zärtlichkeit, die er bei seinen letzten amourösen Begegnungen nie gehabt hatte. Es war fast so wie bei Marie gewesen. Beide schliefen sie ein. Plötzlich erwachte sie mit einem Zucken der Beine, sah auf die Uhr.

      „Leider muss ich dich verlassen, Lukas. Meine häuslichen Pflichten rufen.“

      Sie zogen sich an, und er fuhr sie nach Hause. Sie wohnte in einem alten Haus aus der Gründerzeit, dass vor Kurzem restauriert worden war.

      Dienst

      Am nächsten Morgen rief er Marie an.

      „Ca va, mon petit?“

      „Tout va bien ici, quoi de neuf à Paris?“

      „J’ai des nouvelles.“

      Es waren wirklich Neuigkeiten, die sie zu erzählen hatte. Sein Vater und sie wollten heiraten. Vater wollte seine gefährlichen Reportagen im Ausland aufgeben. Man hatte ihm einen guten Posten in der Redaktion sei­ner Zeitung in Paris angeboten. Lukas freute sich un­endlich über diese Nachricht und erfuhr, dass die Hoch­zeit schon in einem Monat stattfinden würde. Des­wegen also hatte sein Vater beim letzten Telefonat so herumgeredet und er das Gefühl gehabt, er wolle noch etwas sagen. Er dachte, was sie doch für eine sonderbare Familie seien. Zumindest hatte er geistigen Inzest be­trieben, denn Marie war ihm Mutter und Geliebte gewesen.

      Als er vor seinem Spind in der Polizeiinspektion stand, kamen von allen Seiten die Kollegen und gratulierten ihm. Er musste die Geschichte mit Kabakow mehrmals erzählen. Es war natürlich die verdrehte Wahrheit, die sie zu hören bekamen.

      Einer sagte: „Den hätte man gleich ausblasen sollen. Dieses Schwein hat bereits zwei Menschen umgelegt und einen unserer Kollegen angeschossen.“

      „Ich kann mir nicht vorstellen, so etwas zu tun“, sagte Lukas.

      „Sei froh, sonst hätte man wahrscheinlich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Brutalität der Polizei eingesetzt.“

      „Ich glaube, ich werde ohnehin noch genug Schwierigkeiten haben.“

      Man diskutierte lang über den Gebrauch von Schusswaffen.

      „Die haben keine Ahnung, wie es ist, wenn man im Dunkeln jemandem gegenübersteht und nicht weiß, ob der bewaffnet ist.“

      „Das Gefährlichste ist, wenn du in einer kleinen Wohnung einen Betrunkenen vor dir hast, mit einem Messer in der Hand. Kein Platz zum Ausweichen und hinter ihm seine Familie. Schießen kann man da auch nicht.“

      Alle erzählten von ähnlichen Vorfällen, an denen sie oder andere Kollegen beteiligt gewesen waren. Sie wollten auch etwas über die Sportart Parkour wissen. Er ging zum Computer und zeigte ihnen ein Video auf YouTube.

      „Ich habe immer gedacht, das sind Trickaufnahmen“, meinte ein interessierter Kollege.

      „Ich habe mit zwölf Jahren damit angefangen, mein Vater hat mich mitgenommen.“

      „Kann man in unserem Alter noch damit anfangen?“

      „Komm einmal mit mir zum Training und urteile dann selbst.“

      Auch der Kommandant rief ihn zu sich, und er musste noch einmal alles erzählen.

      „Schau dazu, dass du mit der Russin gut auskommst, die ist sehr tüchtig, aber knallhart. Bei dem Verfahren wird viel von ihrer Beurteilung abhängen. Ihr Vater war ein hohes Tier bei der Truppe, jetzt ist er in Pension. Sie kann dir schaden, aber auch nützen. Ich persönlich mag sie, weil sie eine gute Polizistin ist und immer geradeheraus handelt. Keinesfalls ist sie eine Quotenfrau oder Intrigantin.“

      Lukas’ Arbeitsroutine ging weiter, Streife, Innendienst, Streife. Er hasste nichts mehr als den Innendienst mit dem Protokolleschreiben, der Aufnahme von Diebstahls­anzeigen, den Klagen über Nachbarn, den Beschwerden über Verkehrsvergehen. Er wusste, so würde seine Zukunft nicht aussehen. An seinen Kollegen hatte er das ganze Spektrum vor sich, wie man sich dabei entwickeln konnte. Das reichte vom jungen, ambitionierten Polizisten bis hin zum mürrischen, desillusionierten Beamten. Und manchen Älteren war der ständige Alkoholkonsum bereits anzusehen.

      Mit den Kolleginnen hatte er ein gutes Verhältnis. Sie waren durchwegs freundlicher und höflicher zu den Klienten als ihre männlichen Kollegen. Im Laufe des Jahres hatte er mit einer auch ein Verhältnis gehabt, das durch ihre Versetzung zu einer anderen Dienststelle beendet worden war.

      Das interne Verfahren über den Schusswechsel ließ auf sich warten. In der Zeitung war sein Name beim Bericht über den Vorfall nicht genannt worden, in dem groß aufgemachten Artikel war gestanden, dass es zu einem Schusswechsel gekommen sei, bei dem Dimitri K., ein Berufsverbrecher aus Tschetschenien, verletzt


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