Parkour. Herbert Lipsky

Parkour - Herbert Lipsky


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verschafft. Anfangs waren die sexistischen Bemerkungen noch sehr zahlreich. Als mir dann ein Vorgesetzter auf den Hintern griff, packte ich ihn mit einem Judogriff und warf in die Ecke des Wachzimmers. Dann ging ich ihm an die Gurgel und fixierte ihn. Ich sagte nichts, zeigte ihn aber auch nicht an. Von da an hatte ich Ruhe.“

      „Freunde? Beziehungen?“

      „Dafür kennen wir uns nicht gut genug. Erzähl mir lieber etwas von dir.“

      „Gern, aber erst nachher.“

      „Nach was?“

      „Nachdem wir miteinander geschlafen haben.“

      Er zog sie aus dem Liegestuhl und führte sie, die eine fürchterliche Müdigkeit vortäuschte und sich auf seine Schulter hängte, in sein Schlafzimmer.

      „Du hast heute das Bett gemacht?“

      „Du elende Schnüfflerin, du hast das letzte Mal nachgeschaut.“

      Er gab ihr einen Stoß, der sie auf das Bett warf. Sie führten Schaukämpfe auf und balgten sich wie Kinder. Plötzlich schrie sie auf.

      „Mein Kleid.“

      „Weg damit.“ Er riss es ihr förmlich vom Körper. Sein Hemd und sein Hose waren rasch abgestreift. Sie hörten auf, sich herumzubalgen, denn sie verspürten die Glätte ihrer Körper, die Sanftheit der Haut. Sie berührten sich zart, und er verfolgte mit seinen Fingern die geschwungenen Kurven ihres Körpers, sie glitt mit ihren Händen von den Schultern über seinen Rücken bis zu seinem Gesäß. Aus der Zärtlichkeit wuchs Leidenschaft. Sie kannten sich nun schon ein wenig, und so verlief ihre Vereinigung noch harmonischer als beim ersten Mal. Es waren die noch ungestillte Neugier, die zu Beginn einer sexuellen Beziehung besteht, und die Erfahrung, die beide mitbrachten, die ihre Begegnung perfekt machten. Das gelingt wohl nur dann, wenn man den Akt nicht allein als Selbstbefriedung, sondern als Befriedigung des Partners ansieht. Die Lust, die man selbst dabei erfährt, wenn man die Lust wahrnimmt, die man dem Partner bereitet.

      „So jung und schon so erfahren. Mit einem Mann wie dir zu schlafen tut einer Frau gut. Manchmal brausen die Männer über eine Frau wie ein Expresszug drüber und wollen danach auch noch als gute Liebhaber gelobt werden.“

      „Von Marie in Paris habe ich nicht nur Kochen gelernt.“

      „Was hat dein Vater dazu gesagt?“

      „Er hat es geahnt. Wir haben nie darüber gesprochen. Übrigens, er und Marie werden demnächst heiraten.“

      „Ihr habt euch Marie geteilt?“

      „Umgekehrt, sie hat uns beide erhört. Es war ein Vorzug, den sie uns gewährt hat.“

      „Da denk ich mir, ich habe merkwürdige Familienverhältnisse, aber das ist gar nichts gegen deine. Eine Frau, die Mutterersatz, Erzieherin und Geliebte ist. Wie lange ging das so?“

      „Bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr, dann machte sie Schluss.“

      „Wo hast du studiert?“

      „Ich habe in Frankreich mit dem Studium der Rechte begonnen, bin aber dann nach Wien gegangen.“

      „Warum?“

      „Das ist eine Geschichte, über die ich noch nicht mit dir sprechen möchte, vielleicht später einmal.“

      Sie sah auf die Uhr, es war Zeit für sie, zum Flughafen zu fahren. Sie sprachen nicht mehr viel. Er begleitete sie zum Auto und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Sie winkte ihm beim Wegfahren durch das offene Fenster zu.

      Eine ernst zu nehmende Drohung

      Die interne Untersuchung war abgeschlossen. Da Lara für ihn ausgesagt hatte, wurde sein Verhalten als korrekt befunden, er wurde sogar belobigt. Aber da war noch etwas anderes. Dimitri Kabakow hatte die Polizei klagen wollen, weil er aus dem Hinterhalt angeschossen worden sei. Er war damit beim Staatsanwalt abgeblitzt, denn der hatte sich auf den Bericht der Untersuchungskommission berufen. Kabakow hatte einen Tobsuchtsanfall bekommen und Rache geschworen. Lara sprach mit Lukas darüber.

      „Beim letzten Verhör sagte er mir unter vier Augen, dass dieser heimtückische Polizist, der ihn angeschossen habe, bei seinen Streifen aufpassen solle. Er könne leicht stürzen. Ich habe dieses Gespräch sofort protokolliert.“

      „Ist das ernst gemeint?“

      „Ja schon, aber noch weiß er nicht, wer du bist.“

      „Ich gehe davon aus, dass er das bald erfährt.“

      „Sieh dich vor. Er selbst wird sicher für mindestens fünfzehn Jahre hinter Gefängnismauern verschwinden, aber er hat viele Freunde. Und nach der Verbüßung seiner Strafe besteht für ihn die Gefahr, nach Russland ausgeliefert zu werden, denn er hat auch dort Menschen getötet.“

      „Was wird ihm eigentlich in Österreich alles vorgeworfen?“

      „Als der Boden ihm in Russland zu heiß wurde, flüchtete er nach Wien und stellte einen Asylantrag. Und er bekam Asyl – aus politischen Gründen, er ist ja Tschetschene. Hier verkehrte er in Zuhälterkreisen. Wir vermuten, dass er einer großen Organisation angehört, die Menschenhandel und Prostitution betreibt, ihren Sitz hier in Wien hat und seit ein paar Jahren die Szene beherrscht. Äußerst gefährliche Leute. Sie beseitigen ihre Konkurrenz mit unglaublicher Brutalität. Wir nehmen an, dass es eine oder zwei Personen gibt, die man als Köpfe der Bande bezeichnen kann, die zu finden wir uns seit zwei Jahren aber vergeblich bemühen. Nach unserem Ermittlungsstand ist Kabakow einer ihrer wichtigsten Lieferanten für russische und ukrainische Mädchen. Bisher haben wir nur kleine Zuhälter greifen können, Kabakow ist bislang der größte Fisch, den wir an Land gezogen haben. Er ist der Mann fürs Grobe, schüchtert Konkurrenten und säumige Zahler ein, verprügelt und verstümmelt unwillige Mädchen. Dazu kommen die verbrannten Körper zweier Frauen, die auf Äckern in Niederösterreich und in der Steiermark gefunden wurden. Wir konnten sie erst vor Kurzem identifizieren. Beide waren registrierte Prostituierte aus der Ukraine, die in Bordellen in Wien arbeiteten, die vermutlich zu dieser Organisation gehören. Wir sind sicher, dass er bei diesen zwei Morden seine Hände im Spiel hatte, was er aber abstreitet.“

      „Das ist also deine Haupttätigkeit.“

      „Ja, deswegen wurde die SOKO gegründet, die ich leite und bei der ich dich dabeihaben möchte. Ich muss aber erst darum ansuchen.“

      „Das wäre sicher etwas für mich, aber ich bin schon für die nächsten Dienste eingeteilt.“

      „Ich werde meinen Vater bitten, seinen Einfluss geltend zu machen. Er hat noch viele Freunde bei der Polizei. So ist es nun einmal in Österreich.“

      „Ich werde jedenfalls einen Versetzungsantrag stellen.“

      „Mach das. Sehen wir uns wieder einmal?“

      „Heute Abend?“

      „Gut, warum nicht einmal unter der Woche? Es geht aber nur bei dir, meine Tochter ist wieder daheim, und sie muss nicht wissen, dass ich mit so einem Jüngling ein Verhältnis habe.“

      „Der Jüngling wird demnächst fünfundzwanzig Jahre alt.“

      „Ja, aber seine mütterliche Freundin ist bereits vierzig.“

      Einige Tage später meldete sich Lara mit unangenehmen Neuigkeiten.

      „Ich habe einen Informanten in der Rotlichtszene. Der hat mir mitgeteilt, es gäbe ein Gerücht, dass ein heikler Auftrag zu vergeben sei. Man suche jemanden, habe aber noch niemanden gefunden, der dafür bereit sei.“

      „Meinst du, dass ich damit gemeint bin? Und wenn sich hier keiner findet, könnte man dafür auch jemanden aus dem Ausland anheuern?“

      „Kann sein. Ich hoffe zwar, dass es nicht so ist, denn ich möchte dich nicht verlieren, aber ich fürchte, man muss es in Betracht ziehen. Vielleicht wollen sie dir nur einen Denkzettel verpassen. Dich anschießen oder verprügeln.“

      „Was soll ich


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