Leben wir in einer Illusion?. Lutz Gaudig

Leben wir in einer Illusion? - Lutz Gaudig


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war eben sein Stil.

      Halt – sein Blick blieb an der Kette hängen, die Sodokles um den Hals trug, eine sehr teure Perlenkette.

      „Gib sie mir“, rief Demokrit.

      „Was soll ich dir geben?“

      „Deine Kette!“

      „Wofür?“

      „Für meine Antwort auf deine Frage!“

      Sodokles kam näher, nahm die Kette vom Hals und reichte sie zögernd Demokrit.

      Dieser nahm sie in beide Hände.

      „Wie viele Perlen hat sie?“

      „Achtundvierzig“, hauchte Sodokles.

      „Gut“, sagte Demokrit.

      „Ich nehme jetzt das von dir angemahnte unendlich scharfe Messer und beginne zu schneiden.“

      Er lachte.

      „Natürlich nur theoretisch.

      Ich schneide sie in die Hälfte.

      Vierundzwanzig Perlen bleiben rechts und links.

      Ich schneide links weiter – zwölf bleiben.

      Jetzt kommen wir zum nächsten Schnitt.

      Sechs bleiben übrig, dann drei.

      Nun müssen wir uns entscheiden.

      Schneiden wir die eine Perle ab, sparen wir einen Schritt.

      Sodokles, eine Perle ist übrig.

      Diese Perle ist das kleinste Element deiner Kette.

      Würde ich es zerstören, mit deinem unendlich scharfen Messer zerschneiden, würde es das System Perlenkette des Sodokles nie mehr geben.

      Wir könnten es nie wieder zusammensetzen.

       Wie deine Perlenkette, besteht jedes System aus Einheiten, die du nicht teilen kannst, willst du nicht das System und damit die Schöpfung selbst vernichten.“

      Sodokles nahm seine Perlenkette in die Hände, lächelte und sagte: „Demokrit, ich hatte dich unterschätzt.

      Du bist der größte Denker aller Zeiten.“

      Sie umarmten sich und lächelten.

      Demokrit von Abdera war der letzte Naturphilosoph der Geschichte.

      Das, was Demokrit im Bereich der kleinsten Dimensionen war, verkörperte ein anderer im Bereich der Kosmologie.

      Die revolutionärsten Ideen hierzu fasste Aristarchos von Samos als erster Mensch zusammen.

      Er behauptete, dass wir nicht die Auserlesenen, sondern ganz normale Bewohner des Universums seien.

      Wir seien nicht dadurch hervorgehoben, dass wir im Zentrum leben, sondern auf einem kleinen Planeten, der sich um die Sonne dreht.

      Die Sonne stand für ihn im Zentrum.

      Er postulierte als Erster das heliozentrische Weltbild.

      Leider ist nur eine seiner Berechnungen überliefert.

      Dabei handelt es sich um die sehr sorgfältige geometrische Analyse der Beobachtungen der Größe des Erstschattens auf dem Mond während einer Mondfinsternis.

      Aus diesen Daten errechnete er, dass die Sonne viel, viel größer sein muss als die Erde.

      Daraus schloss er, dass nicht die kleine Erde der Mittelpunkt unseres Sonnensystems ist, sondern dass sich all die kleinen Planeten um die viel größere Sonne drehen.

      Er vermutete: Wenn unsere Erde nur ein Planet unter anderen Planeten ist, dann ist die Sonne nichts anderes als ein Stern unter anderen Sternen, die wir am Nachthimmel sehen.

      Oder anders herum sind die sichtbaren Sterne am Nachthimmel nichts weiter als ferne Sonnen.

      Aristarchos dachte weit voraus.

      Wenn nicht die Erde im Zentrum des Systems steht, sondern die Sonne, so müsste eigentlich eine Parallaxe zu beobachten sein.

      Eine Parallaxe verändert das Bild des Sternenhimmels in Abhängigkeit von der aktuellen Position der Erde während ihres Laufs um die Sonne.

      Allerdings ist diese Parallaxe sehr, sehr klein.

      Selbst bei benachbarten Sternen ist sie kleiner als eine Bogensekunde.

      Damit ist sie mit bloßem Auge nicht feststellbar.

      Und dieses Auge war nun einmal das alleinige Beobachtungsinstrument der alten Griechen.

      Die Fixsternparallaxe wurde erst in der Neuzeit, im Jahr 1838, mit Teleskopen nachgewiesen.

      Da die Parallaxe mit bloßem Auge nicht beobachtbar ist, war dies zynischerweise eines der wichtigsten Argumente für die mächtigen Kritiker, das heliozentrische Weltbild abzulehnen.

      Aristarchos war einer der letzten ionischen Naturwissenschaftler.

      Das Verständnis der ionischen Wissenschaft, dass sich die Natur durch allgemeine Gesetze erklären und auf eine Reihe einfacher Prinzipien zurückführen lasse, konnte seinen Einfluss nur wenige Jahrhunderte ausüben.

      Die ionischen Theorien ließen keinen Raum für den Begriff des freien Willens und der göttlichen Intervention in unserem Weltgeschehen.

      Das verschreckte damals viele Menschen, genau wie heute.

      Mit dem Schwinden der wirtschaftlichen und politischen Macht der ionischen Staaten verlor auch die ionische Wissenschaft ihren Einfluss im Mittelmeerraum.

      Das Imperium braucht anwendbare Wissenschaft

      Das „Imperium Romanum“ förderte andere Wissenschaftszweige, insbesondere die ingenieurtechnischen praktischen Wissenschaften.

      Wichtig war, dass die Ergebnisse wirtschaftlich und militärisch verwertbar waren.

      Er war in den Palast gerufen worden.

      Hieron hatte nach ihm verlangt, Hieron, der Herrscher, sein Freund.

      Er saß vor dem Audienzzimmer, überlegte, warum er hatte herkommen sollen.

      Fragen zum Hebelgesetz dürften es nicht mehr sein.

      Die von ihm inszenierte öffentliche Show vor ein paar Tagen hatte dies eindrucksvoll bewiesen.

      Anlass war wie immer sein loses Mundwerk.

      Bei einem Gelage war es, im Palast.

      Nach einigen Bechern Wein und im Beisein schöner Frauen fühlte er sich genötigt, et was Besonderes von sich zu geben.

      Die Gespräche drehten sich um Wissenschaft, Götter und neue Erfindungen, und plötzlich sahen alle Archimedes an.

      „Und was sagst du dazu?

      Gibt es etwas, was wir noch nicht wissen?

      Verheimlichst du uns noch et was Neues?“

      Archimedes sah hinüber zu Hieron.

      Dieser war aufmerksam geworden, hatte einige Wortfetzen des Gesprächs aufgefangen.

      Er stand auf.

      „Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich werde dir die Welt aus den Angeln heben.“

      „Die ganze Welt?“

      „Die ganze Welt, Hieron!“

      Der Herrscher überlegte.

      „Nun, Archimedes, mir genügt, dass du ein vollbeladenes Kriegsschiff nebst Besatzung bewegst, du oder ein anderer Mann, aber allein.

      Dein Punkt, den du brauchst, sei ein beliebiger unseres Hafens.

      Du hast drei Wochen Zeit.“

      Er musste heute noch lächeln.


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