Einsicht durch Meditation. Joseph Goldstein

Einsicht durch Meditation - Joseph  Goldstein


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Sie beim Atem, an der Stelle im Körper, wo er am klarsten und deutlichsten zu spüren ist – im Heben und Senken des Bauches, in der Bewegung der Brust oder beim Ein- und Ausströmen der Luft an den Nasenlöchern. Beobachten Sie möglichst gewissenhaft und kontinuierlich alle beim Einatmen und Ausatmen auftretenden Empfindungen oder die ganze Sequenz des Steigens und Fallens.

      Registrieren Sie im Geiste bei jedem Atemzug »steigen« und »fallen« oder »ein« und »aus«. Wenn zwischen den Atemzügen eine Pause oder ein Raum entsteht, dann werden Sie sich in diesem Augenblick eines Berührungspunktes Ihres Körpers bewußt: des Gesäßes auf dem Kissen, der Knie auf dem Boden oder der sanften Berührung der Lippen. Fühlen Sie ganz genau die Empfindung an dieser Stelle des Körpers. Tritt zwischen zwei Atemzügen eine längere Pause ein, so werden Sie sich nacheinander mehrerer Berührungsempfindungen bewußt, bis der nächste Atemzug einsetzt, ohne daß Sie den Atemprozeß künstlich forcieren. Kehren Sie beim Einsetzen des nächsten Atemzuges mit Ihrer Aufmerksamkeit wieder zum möglichst gewissenhaften Beobachten der mit der Atmung verbundenen Vorgänge zurück.

      Seien Sie wach und achtsam bei jedem Atemzug, bei der Bewegung des Hebens und Senkens von Brust und Bauch oder beim Ein- und Ausströmen der Luft durch die Nasenlöcher. Das Gewahrsein sollte sanft und entspannt sein, während Sie den Atem in seinem eigenen Rhythmus kommen und gehen lassen. Spüren Sie genau die Empfindungen bei jedem Atemzug, halten Sie nicht nach etwas Bestimmtem Ausschau, sondern registrieren Sie einfach das, was in jedem Augenblick da ist.

      Manchmal ist der Atem klar, manchmal undeutlich, manchmal stark und manchmal sanft; er kann auch lang oder kurz sein, rauh oder glatt. Bleiben Sie bei Ihrem Atem, und belassen Sie ihn so, wie er ist. Achten Sie jedoch sorgfältig auf die vielen Veränderungen, die sich ohne Ihr Zutun ergeben.

      Wenn Sie vorherrschend Geräusche wahrnehmen und Ihre Aufmerksamkeit vom Atmen abgelenkt wird, so registrieren Sie »hören, hören« und lenken Sie die Aufmerksamkeit und das Gewahrsein auf die Erfahrung des Geräuschs; lassen Sie sich jedoch nicht darauf ein, Vorstellungen darüber nachzugehen, welchen Ursprungs das Geräusch sein könnte – beispielsweise »Auto« oder »Wind« –, sondern bleiben Sie einfach bei der Erfahrung der Klangwellen. Versuchen Sie, den Unterschied zwischen dem Konzept von einem Geräusch und dem direkten, intuitiven Wahrnehmen desselben zu erfahren. Registrieren Sie »hören«, und wenn das Hören Ihre Aufmerksamkeit nicht mehr vordergründig beansprucht, dann kehren Sie zur Beobachtung des Atems zurück. Oft werden Geräusche im Hintergrund Ihrer Aufmerksamkeit auftauchen. Das heißt, Sie sind sich dann dieser Geräusche bewußt, doch sie lenken Ihre Aufmerksamkeit nicht besonders stark vom Atem ab. In diesem Fall ist das geistige Registrieren von »hören« nicht erforderlich. Bleiben Sie beim Registrieren der Atembewegungen, und gestatten Sie es dem Geräusch, einfach im Hintergrund Ihres Gewahrseins da zu sein.

      Die Kontinuität der Aufmerksamkeit und des geistigen Registrierens stärkt die Achtsamkeit und die Sammlung. Versuchen Sie deshalb dieses sanfte geistige Vermerken zu einem möglichst kontinuierlichen Prozeß werden zu lassen. Wenn Sie abschweifen, wenn Sie vergessen, wenn Ihr Geist wandert, dann registrieren Sie »wandern«, sobald Sie dessen gewahr werden, und kehren Sie anschließend zur Beobachtung des Atems zurück.

      Wenn Körpergefühle Ihre Aufmerksamkeit beherrschen und Sie vom Beobachten des Atems ablenken, dann sammeln Sie die ganze Achtsamkeit, die gesamte Aufmerksamkeit auf die betreffende Empfindung. Versuchen Sie, ihre Eigenschaften möglichst genau und gewissenhaft zu beobachten und zu fühlen: Ist es Härte oder Weichheit, Hitze oder Kälte, Zittern, Prickeln, Brennen, Ziehen oder ein Gefühl der Enge? Spüren Sie, um welches Gefühl es sich handelt, und registrieren Sie so genau wie möglich, was mit der Empfindung geschieht, während Sie sie beobachten. Wird sie stärker, wird sie schwächer, löst sie sich auf, weitet sie sich aus, oder schrumpft sie?

      Manchmal ist es schwierig, das passende Wort zur Beschreibung der Empfindung zu finden. Verlieren Sie keine Zeit damit, darüber nachzugrübeln. Wenn Ihnen das passende Wort nicht augenblicklich intuitiv einfällt, genügt auch, »Empfindung« oder »Gefühl« zu registrieren.

      Das Gewahrsein ist das Entscheidende. Das Registrieren ist nur eine Hilfe, um den Geist genau auf das Objekt zu richten, um die Empfindung präzise zu fühlen und um festzustellen, was mit ihr geschieht, wenn man sie beobachtet. Beispielsweise könnte in Ihrem Rücken oder in Ihren Knien ein starker Schmerz auftreten. Ihr Geist richtet sich darauf, und Sie empfinden ein Brennen. Sie registrieren also »brennen«. Beim Beobachten können Sie weiterhin feststellen, ob diese Empfindung des Brennens stärker oder schwächer wird und ob sich der schmerzende Bereich ausweitet oder ob er allmählich kleiner wird. Manchmal verschwindet er sogar völlig.

      Wenn die Empfindung die Aufmerksamkeit nicht mehr beherrscht, dann kehren Sie mit Ihrem Gewahrsein zum Ein- und Ausströmen der Atemluft oder zum Heben und Senken des Bauches beim Atmen zurück. Versuchen Sie, im Geist einen Gleichgewichtszustand aufrechtzuerhalten, so daß Sie weich und entspannt bleiben, und jene Qualität zu erhalten, die darin besteht, im Augenblick verwurzelt und gleichzeitig wachsam und klar zu sein. Registrieren Sie gewissenhaft und sanft Augenblick um Augenblick, jedes Objekt, das auftauchen mag, und kehren Sie stets zum Atem als dem primären Objekt Ihrer Aufmerksamkeit zurück, wenn nichts anderes dominiert oder Ihren Geist ablenkt.

      Registrieren Sie auch alle Reaktionen des Geistes auf verschiedene Empfindungen. Wenn Sie schmerzhafte Gefühle beobachten und eine aversive Reaktion, Ruhelosigkeit oder Angst bemerken, dann registrieren Sie diese Geisteszustände, beobachten Sie sie sorgfältig, und achten Sie darauf, was mit ihnen geschieht, während Sie sie beobachten. Wenn Sie »Angst« oder »Aversion« oder »Ruhelosigkeit« registrieren, werden diese Gefühle dann stärker oder schwächer, oder lösen sie sich auf? Wenn Sie angenehme Empfindungen im Körper beobachten und Sie bemerken, daß Sie sie genießen oder daran festhalten, dann registrieren Sie auch das.

      Sie brauchen nicht absichtlich nach verschiedenen Objekten Ausschau zu halten. Sammeln Sie das Gewahrsein möglichst kontinuierlich auf das primäre Objekt, den Atem; dies sollte stets im Zentrum bleiben. Registrieren Sie von hier aus die verschiedenen Objekte, wenn sie von selbst auftauchen. Ein wichtiger Punkt beim Üben des Gewahrseins ist, nicht nach etwas Besonderem Ausschau zu halten und nicht erzwingen zu wollen, daß etwas Spezielles passiert. Es geht darum, gewissenhaft zu beobachten, was ohnehin geschieht.

      Wenn Gedanken im Geist auftauchen, so registrieren Sie, sobald Sie sich dessen bewußt werden, »Denken« oder »Wandern«. Manchmal werden Sie sich eines Gedankens im Augenblick seines Auftauchens bewußt, manchmal auch erst, wenn Sie schon »mittendrin stecken«. Manchmal wird sich unser Geist eines Gedankens sogar erst bewußt, wenn dieser schon abgeschlossen ist. Achten Sie darauf, wann Sie Ihres Denkens gewahr geworden sind, ohne zu urteilen oder zu bewerten. Wann immer Ihr Geist sich seines Denkens bewußt wird, registrieren Sie »denken«, und kehren Sie dann sanft zum Atem zurück. Zu einem Kampf oder Konflikt mit dem Denkprozeß braucht es nicht zu kommen; registrieren Sie ihn einfach, sobald er Ihnen bewußt wird.

      Wenn Vorstellungen oder Bilder im Geist auftauchen, so notieren Sie »Sehen«; wenn Geräusche in den Vordergrund des Gewahrseins treten, so notieren Sie »Hören«. Lassen Sie das Gewahrsein aus der Rezeptivität des Geistes hervortreten und später auf sanfte und offene Weise wieder in diese zurücksinken. Seien Sie achtsam und aufmerksam gegenüber allen auftauchenden Objekten der Erfahrung, und achten Sie darauf, was mit ihnen geschieht, während Sie sie beobachten.

      Manchmal erfaßt den Geist Verwirrung angesichts der Vielzahl der Objekte, oder er ist sich nicht darüber klar, worauf er sich konzentrieren soll. Tritt dies ein, so registrieren Sie diese Art von Verwirrung oder Unsicherheit und kehren Sie zum Anker des Atems zurück. Der Atem ist deshalb als primäres Objekt des Gewahrseins so nützlich, weil er praktisch immer gegenwärtig und damit beobachtbar ist. Man kann stets zum Atem zurückkehren, sich im Gewahrsein des Atems verwurzeln, ihn fühlen, ihn registrieren. Wenn der Geist sich im Atem zentriert hat, vermag er wieder die verschiedenen auftauchenden Objekte zu registrieren.

      Wenn verschiedene Geisteszustände und Gefühle vorherrschen, so sollte man auch sie zum Objekt des Gewahrseins machen. Wenn wir uns ihrer nicht schon bei ihrem Auftauchen bewußt werden, werden sie zu unbewußten Filtern unserer Erfahrung, und wir fangen an, alles durch den Filter einer bestimmten


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