EINSICHT in UNerhörtes. Dr. Manfred Nelting
Marktes.
Gleichzeitig wissen wir, dass ausufernder Konsum uns als Menschen nicht glücklich macht, müssen aber auch dieses ignorieren, um „den Wohlstand“ zu erhalten, der uns versprochen ist, und dürfen hier keine Gefährdung zulassen.
Das alles bedeutet eine innere Zerr-Spannung, sie setzt uns ungeheuer unter Druck, weil wir es nicht richtig machen können. Mit jeder Positionierung verstoßen wir gegen eine Pflicht. Das ist quasi wie ein unbewusstes, aber loderndes Feuer für unser Stress-System und fördert Gefühle der Ohnmacht.
So ein verletzliches System stützen zu müssen ist also an sich unerträglich. Aus der Sicht mündiger Bürger müssen wir dagegen sozialen Widerstand leisten, aber in der Form, dass wir an einer Umwandlung des Wirtschaftssystems arbeiten mit dem Ziel, dass es funktioniert, auch wenn wir nicht mehr sinnlos ausufernd konsumieren. Ein solches Wirtschaftssystem ist die Gemeinwohl-Ökonomie, in der die genannten Dilemmata aufgehoben sind. Wohlstand bedeutet hier genug zu haben, uns aber auch aus den inneren Zerr-Spannungen befreien zu können und gemeinsam mit unseren Mitmenschen zu kooperieren. Der soziale Vergleich ist vermutlich nicht gleich völlig aufgehoben, wird aber mäßiger und hat nicht mehr die Getriebenheit zum Konsum.
Die Gemeinwohl-Ökonomie und wie der Prozess der Umwandlung dorthin gelingen kann, beschreibe ich in Kapitel 5.
Exkurs Soziale Ungleichheit
Wir müssen dabei noch einen Blick auf die soziale Ungleichheit werfen, die noch stärker als der soziale Vergleich für die nachteilig Betroffenen eine Verletzung ihres Daseins bedeutet, besonders was Würde und Gesundheit angeht. Die Lebenserwartung sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen in Deutschland (definiert durch ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 60 % des gesellschaftlichen Mittelwertes) ist im Vergleich zu Beziehern hoher Einkommen um bis zu elf Jahre verringert, das Risiko für chronische Erkrankungen nach Daten des Robert-Koch-Instituts um das 2-3-fache erhöht (siehe auch Kapitel 5, S. 493).6
Starke soziale Ungleichheit korreliert zudem mit hohem sozialem Misstrauen der Bürger untereinander und hohen sozialen Problemen (z. B. bei der Anzahl von Insassen in Gefängnissen, höhere Zahlen von Gewalttaten, mehr Teenager-Schwangerschaften, schlechtere Leistungen in der Schule, z. B. in der Lese-Schreib-Kompetenz, Zunahme der Fettleibigkeit usw.). Erfasst wird dies wissenschaftlich im sogenannten Gini-Koeffizienten (von dem italienischen Statistiker Corrado Gini entwickelt), der bei bester sozialer Gleichheit gegen Null tendiert, bei starker sozialer Ungleichheit gegen Eins. Deutschland ist hier noch recht häufig nur im Mittelfeld der Länderskalen zu finden. Eine interessante Bearbeitung des Themas der sozialen Ungleichheit weltweit haben Wilkinson und Pickett in ihrem Buch „Gleichheit – warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ vorgelegt. Ein schöner Untertitel!
Die sozialen Themen werden uns im Weiteren noch häufiger beschäftigen. Eltern, die möchten, dass es ihren Kindern einmal besser geht oder heutzutage zumindest hoffen, dass sie noch in einer lebenswerten Welt leben können, können ihre Kinder am besten vorbereiten, wie in Kapitel 1 zur gesunden Hirnentwicklung beschrieben, damit sie in eine gute Selbststeuerung, guten Selbstwert und soziale Widerstandskraft kommen. Dann sind sie weniger anfällig auf die Verführung durch Konsum und kraftvoller in ihrem Beitrag, die aktuelle Wirtschaftsweise in eine Gemeinwohl-Ökonomie umzuwandeln mit der Chance, die Erde als guten Lebensraum zu erhalten.
2.2 Lebensstil, Mediennutzung und gesundheitliche Verfassung der Eltern
2.2.1 Bedeutung für die Zeit vor und bei der Empfängnis
Vor der Empfängnis
Die Eltern haben je nach gewähltem oder entstandenem Lebensstil einen bestimmten Gesundheitszustand, Stress- und Angst-Level, Stoffwechsel- bzw. Hormon- und Immunstatus mit entsprechendem epigenetischem Muster aktiver und passiver Gene incl. einer dazu passenden Telomer-Länge als Endkappen der Chromosomen.
Nicht nur die chromosomalen Anlagen, sondern auch diese epigenetische Situation wird nun bei einer Befruchtung weitgehend an das Kind weitergegeben, und auf dieser Grundlage macht der Embryo im Uterus nun seine physiologischen, kommunikativen und damit verbundenen emotionalen Erfahrungen.
Eine alte chinesische Tradition (wohl eher bei der privilegierten Bevölkerung angesiedelt), empfiehlt, dass Eltern, die ein Kind haben wollen, sich 100 Tage darauf vorbereiten sollen durch Enthaltsamkeit bei Alkohol und Völlerei, gesundem, in der Menge eben reduziertem Essen, guter Bewegung (QiGong) und Meditation sowie viel Schlaf. Außerdem soll die Vorfreude auf das Kind Raum bekommen. Das Paar kommt sich in seiner Liebe und Feinfühligkeit näher, sexuelle Enthaltsamkeit bzw. reduzierte sexuelle Aktivität unter Vermeidung einer Befruchtung ermöglichen die 100 Tage ohne Empfängnis.
Ein solcher Zeitraum von einem guten Vierteljahr der Lebenspflege ist zur Vitalisierung der Eltern wissenschaftlich gesehen äußerst sinnvoll. Es kommt zur Normalisierung von Körpergewicht und Bauchfett, die Leber wird entfettet und kann wieder die Gefäße und das Herz schützen, Gewebe, insbesondere Stützgewebe, Sehnen und Bänder werden geschmeidig, Muskeln erhalten genug Energie. Der Hormonhaushalt wird balanciert und die Sexualorgane vitalisiert, die Fruchtbarkeit von Mann und Frau gestärkt. In den Zellkernen der Zellen der Eltern, auch der Geschlechtszellen, die an das Kind weitergegeben werden, schaltet das epigenetische Muster in dieser Zeit auf ein lebensförderliches Muster.
Empfängnis
Kommt es nach dieser Zeit zur Empfängnis, was aufgrund der meist guten Fruchtbarkeit und nach sexueller Enthaltung bzw. Zurückhaltung großer sexueller Lust beider zukünftiger Eltern sehr wahrscheinlich ist, hat das Kind beste Einnistungs-Bedingungen und erhält ein bestmögliches, stressarmes epigenetisches Muster mit aktiver Telomerase und verlängerten Telomeren vererbt, von dem es lebenslang profitieren kann.
Klingt das nicht schön, eine solche liebevolle Vorbereitungszeit auf und für das Kind? Mancher mag einwenden, dass das heute nicht mehr gehen kann. Aber warum denn nicht? Wir werden uns das in Kapitel 5 bei den Gestaltungsräumen, die wir haben, genau anschauen.
Bedeutung für die Zeit der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft ist es jetzt wichtig, dass die schwangere Frau möglichst sorgen- und stressfrei leben kann, damit sich das Kind im Uterus möglichst ungestört in guter innerer Kommunikation mit der Mutter entwickeln und gute Erfahrungen machen kann.
Das Mutterschutzgesetz in Deutschland schützt die Schwangere und ihr Kind im Bauch vor Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit. Das erstreckt sich aber bisher nicht explizit auf den wichtigen Sachverhalt von weitgehender Stressfreiheit der Mutter im Sinne bestmöglicher Kindesentwicklung mit den Telomeren des Kindes im Fokus.
Daher wiederhole ich die Zitate aus Kapitel 1:
„Die starke seelische Belastung einer Schwangeren wirkt offenbar in der nächsten Generation nach und beeinflusst die Entwicklung der Telomer-Länge des Kindes auf Jahrzehnte hinaus.“
„Die Telomere des Babys lauschen dem Stress der Mutter.“
(Prof. Dr. Elisabeth Blackburn)
Viele schwangere Frauen arbeiten gerne in der Schwangerschaft weiter und fühlen sich gut, sofern die Arbeit Freude macht, nicht sehr erschöpft und sie Pausen bekommen, wie