Traditionelle Chinesische Medizin für Dummies. Jean Pélissier
Im Alter von elf Jahren konnte er aus zwei von Zhang Zongh Jing verfassten Büchern auswendig rezitieren: Jin Kui Yao Lüe und Shang Han Lung. Er begann mit seinen ersten Behandlungen im Alter von 16! Er hatte alle Praktiken seines Vaters beobachtet, und wie dem Kranken und der Krankheit zu begegnen war. Später wandte er sich an einen anderen Meister, um seine medizinische Ausbildung zu perfektionieren. Von 1952 bis 1970 lehrte er Akupunktur am Modern Chinese Medical Research Institute sowie bei der Kowloon Association of Chinese Medical Practitioners in Hongkong. Von 1956 bis 1970 war er Präsident des Chinese Acuponcture Institute in Hongkong und der Chinese Acuponcture Association. 1970 wanderte er nach Kanada aus und gründete das North American College of Acupuncture in Vancouver. Von dort aus übermittelte er sein Wissen an der europäischen Universität für TCM an seine westlichen Schüler. Auch ich durfte an seinen Vorlesungen teilnehmen.
Werk
Sein pädagogisches Werk wird als das vollständigste betrachtet. Akupunktur, Moxibustion, Arzneimittellehre, Psychotherapie, Massage, vorbeugende Medizin, Qi Gong sind Disziplinen, die seine Schüler bei ihm erlernen und vertiefen konnten. Professor Leung Kok Yuen sagte von sich selbst, sein Wissen sei universell und er sei nur das Sprachrohr für ein Wissen von Jahrtausenden. Er beendete seine Lehrtätigkeiten, nachdem er sich 1992 aus dem Arbeitsleben zurückzog, und starb im hohen Alter von 90 Jahren am 11. Mai 2013. Die Grundlagen seiner Lehre orientierten sich streng an den schrittweisen Erklärungen des Nei Jing. Aus diesem Grund bezeichnete er sie auch als orthodoxe Lehre. Und in all seinen Lehren vertrat er immer die Yang-Sheng-Fa-Methoden, als »kultivierend und nährend für das Leben«.
Er war einer der größten Exegeten des Huang Di Nei Jing. Seine anderen Referenzwerke waren:
das Nan Jing, Klassiker der Schwierigkeiten (220–280), in dem es um die klassischen grundlegenden Theorien geht, und das die Hauptaspekte des Nei Jing erläutert
Jin Kui Yao: Wichtige Besonderheiten aus der goldenen Schatulle von Zhang Zongh Jing (Anfang des 3. Jahrhunderts), in dem es hauptsächlich um verschiedene Krankheiten der inneren Medizin geht, mit einem Teil zur Chirurgie und zu Frauenkrankheiten. Es umfasst 25 Kapitel mit 262 Rezepten.
Shang Han Lun, Abhandlung über kälteinduzierte Erkrankungen von Zhang Zongh Jing (Jahr 160): Dieses Buch erklärt, wie eine Krankheit die sechs energetischen Ebenen des Organismus durchlaufen kann.
Qian Jin Fang, Rezepte, die tausend Goldstücke wert sind, von Sun Si Miao (Ende des 7. Jahrhunderts) in 30 Bänden, mit einer allgemeinen Einführung und verschiedenen Rezepten, darunter für Ernährung, Pulsmessung, Akupunktur und so weiter
Kapitel 2
Eine ganzheitliche Betrachtung des menschlichen Körpers
IN DIESEM KAPITEL
Eine energetische Medizin, die hilft, das Gleichgewicht auf dem Lebensweg wiederzufinden
Die fünf wichtigsten Organe: Leber, Herz, Milz, Lunge und Niere
Das Konzept der Meridiane und der Energiekreislauf
Blick auf die Entwicklung einer Krankheit
Dieses Kapitel ist eine Vorbereitung für alle folgenden Themen. Zu schnell in die Details zu gehen könnte dazu führen, dass wir die immense Tragweite dieser Medizin nicht mehr im Blick haben.
Der Körper als Computer
Bevor wir uns den verschiedenen Elementen widmen, die der Funktion des Körpers in der TCM zugrunde liegen, wollen wir den menschlichen Organismus mit einem Computer vergleichen. Ein relativ einfacher Vergleich, weil wir dieses Gerät erfunden haben, um die Unzulänglichkeiten des menschlichen Geistes zu unterstützen, zu rechnen und uns zu erinnern. Die Chinesen haben einen Abakus, wir haben unsere Kilobyte Daten.
In einem Rechner haben wir einen Hauptspeicher, in dem alle Daten abgelegt sind. Software für den Zugriff auf die Festplatte sowie zur Verarbeitung der Daten. Einen Prozessor, der hinter allem steht und alles steuert. Und einen Stromanschluss, damit die Maschine funktioniert. Außerdem einen Akku, damit unser Computer auch autonom funktioniert. Unser Organismus ist dieser Funktionsweise ganz ähnlich. Der Hauptspeicher ist das Hirn mit seinen Milliarden Verbindungen und unendlichen Möglichkeiten, die wir nicht einmal zu einem kleinen Bruchteil nutzen.
Die Organ-Software
Um auf diesen Hauptspeicher zuzugreifen, stehen uns fünf Organ-Softwarepakete zur Verfügung, Leber, Herz, Milz, Lunge und Niere. Der Begriff »Software« oder »Paket« passt hier ganz gut. Wenn wir beispielsweise von der Leber sprechen, geht es nicht unmittelbar um Ihre Leber als das physische Organ, sondern um die Energie, die die Funktion dieses Organs unterstützt. Vergessen Sie nicht, dass die Sichtweise der chinesischen Medizin vor allem energetischer Art ist.
Die fünf »Pakete« arbeiten nicht unabhängig voneinander. Sie werden erfahren, dass es spezifische Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Paketen gibt. Die ganze Kunst der Diagnose ist es, das Paket zu erkennen, das die ursprüngliche Störung aufweist.
Die Kraft dieser Medizin, die sie von allen anderen unterscheidet, ist die Fähigkeit, ein Symptom oder eine Krankheit direkt einem dieser fünf Pakete zuzuordnen, egal ob es sich um ein körperliches, geistiges oder emotionales Symptom handelt. Es gibt keine Symptome ohne Ursache.
Man kennt etwa 900 Symptome, mögliche »Alarmsignale«: Kopfschmerz an dieser oder jener Stelle, Schlaflosigkeit, Schmerzen, Nervosität und so weiter. Wir wiederholen: Das sind noch keine Krankheiten, sondern zunächst energetische Symptome (Befindlichkeiten), die zu physischen Symptomen werden, die sich schließlich auf den Organismus erstrecken. Wir müssen lernen, sie zu erkennen, sie nicht sofort unter den Teppich zu kehren, geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung zu ergreifen, um das Gleichgewicht des Lebens wiederzufinden. Die chinesische Medizin besteht nicht darin, die Wirkung der Krankheit zu behandeln, also das Symptom, sondern die tiefere Ursache. Das Symptom verschwindet von selbst, wenn es keine Ursache mehr hat.
Das Qi, die Energie
Für ihre Funktion braucht die Maschine Energie. Die Energie ist das Qi, wie in Kapitel 3 beschrieben. Kurz gesagt, können wir sie in zwei Bereiche unterteilen:
eine angeborene Energie, die die Chinesen als den »früheren Himmel« (Vorhimmels-Qi) bezeichnen;
eine erworbene Energie, den sie als den »späteren Himmel« (nachgeburtliches Qi) bezeichnen.
Jede dieser Energien ist wieder in mehrere Teile unterteilt.
Die angeborene Energie
Die angeborene Energie stammt in erster Linie von unseren Vorfahren, ein genetisches Vermächtnis, gewissermaßen. Die TCM blickt im Allgemeinen drei Generationen zurück. Beispiel: Wenn Sie drei Generationen entstammen, die viel getrunken haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie eine »angespannte« Leberenergie haben, und damit ein angeborenes Temperament der Nervosität, Wut, eine Situation, die später leicht zu Bluthochdruck führen kann. Deshalb sieht die chinesische Medizin nach, ob es Prädispositionen gibt und ob sie rechtzeitig bekannt sind (es ist die Aufgabe des Arztes, Eltern zu informieren), sodass sie nicht »an die Oberfläche gelangen«. Der zweite