Traditionelle Chinesische Medizin für Dummies. Jean Pélissier
beobachten die Weisen die Zusammenhänge zwischen Yin und Yang. Sie unterscheiden drei Yin-Phasen und drei Yang-Phasen, nämlich aufeinanderfolgend Shao Yin, Tai Yin, Jue Yin und Shao Yang, Yang Ming und Tai Yang.
Sie haben gesehen, dass die Jing, die von den Händen zum Rumpf verlaufen, Yang sind. Diejenigen, die in die Gegenrichtung verlaufen, sind Yin. Dagegen beginnen die Yin-Meridiane an den unteren Gliedmaßen an den Füßen und reichen bis zum Brustkorb, während die Yang-Meridiane vom Kopf ausgehen und bis zu den Füßen reichen.
Die Yin-Meridiane entsprechen den lebenswichtigen Vollorganen (Speicherorganen), die Yang-Meridiane den Hohlorganen, den Empfängern.
Man hat sechs Meridiane entlang der Hände (Lunge, Dickdarm, Herz, Dünndarm, Herzbeutel, drei Erwärmer) und sechs Meridiane entlang der Füße (Niere, Blase, Milz, Magen, Leber, Gallenblase).
Klassifizierung der Meridiane
Die Jing-Meridiane:
zwölf Jing-Meridiane, die Jing Mai, zwischen dem Knochen und dem sehr tiefen Muskel
zwölf Jing-Bie, das sind interne Verzweigungen der Jing, die in das Innere des Körpers und zu den verschiedenen Organen führen
acht Jing-Sondermeridiane, auch Qi Jing Ba Mai, die in zufälliger Verbindung zu den Haupt-Jing stehen
15 Luo-Gefäße, die das Haupt-Jing miteinander verbinden und sich in oberflächliche Luo teilen, die die Gliedmaßen und den Körper durchqueren, um das Kapillargewebe zu nähren, und Luo, winzige Gefäße, die ein vollständiges Netzwerk im gesamten Körper bilden
Dieses sehr komplexe Netzwerk ist mit dem Inneren verbunden, den zwölf Organen, die am Ursprung des Jing Mai liegen, über zwölf Jing Jin oder zwölf tendino-muskuläre Meridiane, und mit dem Äußeren, den Hautzonen oder Pi Bu.
Tabelle 2.1: Die zwölf Hauptmeridiane
Unteres Element (Extremität) | Oberes Element (Extremität) |
---|---|
Tai Yang oder Blasenmeridian | Tai Yang oder Dünndarmmeridian |
Shao Yang oder Gallenblasenmeridian | Shao Yang oder Dreifacher-Erwärmer-Meridian |
Yang Ming oder Magenmeridian | Yang Ming oder Dickdarmmeridian |
Tai Yin oder Milzmeridian | Tai Yin oder Lungenmeridian |
Shao Yin oder Nierenmeridian | Shao Yin oder Herzmeridian |
Jue Yin oder Lebermeridian | Jue Yin oder Herzbeutelmeridian |
Tabelle 2.2: Die acht Sondermeridiane
Ren Mai, Konzeptionsgefäß | regelt das Yin und das Blut |
Du Mai, Gouverneursgefäß (Lenkergefäß) | regelt die Yang-Meridiane |
Chong Mai, Vitalgefäß (Große Trossstraße) | Meer der zwölf Meridiane, regelt das Blut |
Dai Mai, Gürtelgefäß | verbindet alle Meridiane des Rumpfs |
Yang Wei Mai, zum Yang gehörig | regelt den Schutz |
Yin Wei Mai, zum Yin gehörig | regelt die Emotionen, regelt die Ying |
Yang Qiao Mai, zum Yang gehörig | kontrolliert die Neuromuskulärketten Yin |
Yang Qiao Mai, Bewegung Yin | kontrolliert die Neuromuskulärketten Yang |
Die zwölf Hauptmeridiane sowie das Lenkergefäß und das Konzeptionsgefäß haben eigene Punkte. Man fasst sie unter der Bezeichnung »die vierzehn Meridiane« zusammen. Die sechs anderen Meridiane haben keine eigenen Punkte. Sie benutzen Punkte auf den vierzehn Meridianen.
Der zirkadiane Rhythmus
Die Zirkulation des Energieflusses durch die Meridiane unterliegt einem Ebbe-und-Flut-Phänomen über die 24 Stunden des Tags. Diese Eigenschaft wird bei der Behandlung hartnäckiger Krankheiten genutzt.
Abbildung 2.4: Stundenfenster
Jeder Meridian durchläuft eine Intensivierung des Energieflusses, die zwei Stunden dauert. Dies kann der Diagnostik dienen. Beispielsweise verschlimmern sich Herzkrankheiten im Allgemeinen gegen Mittag, diejenigen der Lunge in den frühen Morgenstunden und so weiter. Die Zirkulation beginnt im Lungenmeridian und durchläuft hintereinander Lu (Lunge) – Di (Dickdarm) – Ma (Magen) – Mi (Milz/Bauchspeicheldrüse) – He (Herz) – Dü (Dünndarm) – Bl (Blase) – Ni (Niere) – 3E (Dreifacher Erwärmer) – Gb (Gallenblase) – Le (Leber).
Wenn Ihnen Ihr Arzt einen Termin um 3 Uhr morgens zur Untersuchung Ihrer Leber gibt, seien Sie vorsichtig. Es könnte verdächtig sein!
Die Akupunkturpunkte
Und was liegt auf den Bahnen der Meridiane? Die berühmten Akupunkturpunkte. In der Antike hatten sie alle höchst symbolische Bezeichnungen, die ihre Besonderheiten und ihre Eigenschaften erklärten. Heute ordnet man den Punkten Nummern zu, wobei die Richtung des Energieflusses in jedem Meridian berücksichtigt wird. In den klassischen Texten sprach man von insgesamt 365 Punkten. Heute hat man viele Punkte hinzugefügt, sogenannte Punkte außerhalb der Meridiane, wodurch die Anzahl stark zugenommen hat. Aber jetzt ist eine Rückkehr zur Einheit angesagt. Schließlich heißt es, dass gut gewählt und vor allem gut gestochen oder massiert, ein einziger Punkt ausreicht, um einen Patienten zu behandeln!
In Wirklichkeit sind etwa 60 Punkte für die Behandlung größtenteils ausreichend, ebenso wie zur Vorbeugung gegenüber allen Krankheiten. In Kapitel 13 über die Akupunktur kommen wir noch einmal darauf zurück.
Was ist ein Punkt?
Ein Punkt, Xue Wie, ist die Stelle, an der der Behandelnde seine Nadel setzt, massiert oder mit einem Moxastick aus Beifuß wärmt. Es ist gut nachvollziehbar, dass es sich um eine Stelle innerhalb einer stetigen Energiezirkulation handelt. An diesem Ort fließt Energie zusammen und verteilt sich. Und weil wir Mikrokosmen in dem uns umgebenden Makrokosmos sind, sind dies dieselben Eigenschaften des Punkts, wie wir sie im Feng Shui finden.
Diese Punkte gestatten also, Energie zu harmonisieren. Eine schöne Definition von Cyrille Javary in Le Discours de la tortue (Albin Michel, 2003): »Es ist ein subtiler Ort des Austauschs, der eigentlich selbst nicht existiert. Es ist nur eine Austauschstation, vergleichbar mit Schächten in einem Rohrnetz, im Zusammenhang mit einem durch den Atem-Energie-Weg im menschlichen Körper vektorisierten Netz.«