Verwurzelt in der Caritas. Daniela Blank

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abspricht, spricht der Frau hinsichtlich ihrer Fähigkeiten im Vergleich zum Mann allerdings eine größere Sorgfalt zu: „Es wird allgemein zugestanden, daß durchschnittlich die Beamtinnen, Studentinnen, Pflegerinnen mehr Sorgfalt und Fleiß in ihrer Pflichterfüllung zeigen als die männlichen Berufsgenossen.“57

       Das Konzept der sozialen und geistigen Mütterlichkeit

      Diejenigen Frauen, die einem Beruf nachgehen, sei es bewusst oder gezwungen durch die Nachkriegssituation, leben in aller Regel unverheiratet und ohne Familie. Da die Tätigkeiten in den neuen Berufen sich meist im sozialen und kirchlichen Bereich befinden, wurde die der Frau zugesprochenen Mütterlichkeit als eine soziale Mütterlichkeit verstanden und das Vakuum der nicht vorhandenen Familie durch den Beruf gefüllt:

      „Für Frauen hatte sich um die Jahrhundertwende von 1900 die Lage insofern verändert, als eine Berufstätigkeit im sozial-karitativen Bereich auch von der bürgerlichen Frauenbewegung gutgeheißen und somit auch in kirchlichen Kreisen langsam akzeptiert wurde. Eine solche Tätigkeit konnte als 'soziale Mütterlichkeit' begriffen werden, sodass die Existenz als Lehrerin oder eben auch als Seelsorgehelferin zu einer neuen weiblichen Lebensform wurde: weltlich – also ohne Zugehörigkeit zu einem Orden oder einer Kongregation – und unverheiratet.“58

      Das Konzept einer geistigen Mütterlichkeit bei unverheirateten Frauen besteht bereits seit den 1870er Jahren und versteht darunter die Aufgabe der Frau, ihre „emotionalen und moralischen Qualitäten auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse zu übertragen: Mit den Attributen der 'geistigen Mütterlichkeit' ausgestattet, sollte auch die ledige Frau ihre familialen Rollenerwartungen erfüllen, jedoch jetzt auf das Volksganze bezogen. Ihre Kulturaufgabe sollte die erwerbstätige Frau erfüllen, indem sie ihre Mutterrolle in der Gesellschaft, und dort vor allem in pädagogischen und sozialen Berufen, auslebte.“59

      „Bei den Vertreterinnen des in den siebziger Jahren entfalteten Konzepts der 'geistigen Mütterlichkeit', das die frühen egalitären Emanzipationstheorien der bürgerlichen Frauenbewegung zurückzudrängen begann, verlagerte sich der Stellenwert, den Berufstätigkeit im Emanzipationsprozeß einnahm. Zwar verband sich in vielen Äußerungen über weibliche Arbeit auch dann noch die Hoffnung auf Qualifizierung, wirtschaftliche Unabhängigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Aber parallel dazu forderten führende Frauenrechtlerinnen immer lautstärker auch Pflichttreue, Opferfreudigkeit und Selbstbeschränkung von der berufstätigen Frau. Auf diese Weise aktualisierten sie tradierte Weiblichkeitsmuster und sahen in der Mutterrolle den eigentlichen Naturberuf der Frau.“60

       Die Frau in der Katholischen Kirche

      Wie steht die Katholische Kirche zur Frauenbewegung? Der Kamillianerpater Wilhelm Wiesen setzt diese in Bezug zur Katholischen Frauenbewegung:

      „Die deutsche Frauenbewegung 'verband in sich religiöse und vaterländische Gesinnung'. Große Verdienste kommen Helene Lange zu in ihren erfolgreichen Bemühungen für eine vertiefte Frauenbildung und dafür, daß sie der Frau den Zugang zur Hochschule erschloß und damit zu großen und mannigfaltigen Berufsformen kultureller und sozialer Art. Es ist das großer Verdienst von Gertrud Bäumer, diese Bestrebungen fortgesetzt, erweitert und vertieft zu haben. Angestoßen durch die Schriften weitblickender Frauen wie Elisabeth Gnauck-Kühne und E.M. Hammann, erstand um die Jahrhundertwende eine eigene katholische Frauenbewegung, die vor allem unter der Führung von Hedwig Dransfeld als bahnbrechend für den Einsatz der katholischen Frauenwelt in den sozialen und kulturellen Lebensbereichen gewirkt hat.“61

      Als ein wichtiges Ereignis ist die Gründung des Katholischen Deutschen Frauenbundes im Jahre 1903 zu nennen. Die bisherigen katholischen Frauenvereine hatten keine Bestrebungen, für die Rechte der Frau in der Gesellschaft zu kämpfen. Die außerhalb der katholischen Kreise begonnene Frauenbewegung wird auf Seiten der christlichen Kirchen von Elisabeth Gnauck-Kühne nun mit dem christlichen Gedanken verbunden. Sie gilt als eine der Initiatorinnen des Katholischen Deutschen Frauenbundes.62

      Allerdings kommt auch Protest von Seiten der Kirche und der kirchlichen Amtsträger auf: Wie passt der erhobene Anspruch auf Recht und Selbstbestimmung der Frauen mit der gepredigten „Niedrigkeit des Dienstes“ zusammen? Innerhalb der katholischen Kirche verändert sich das Frauenbild bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zwar, denn „man brauchte Frauen für die kirchliche Sozialarbeit. Man brauchte ihre Einsatzbereitschaft, ihren Dienst, ihre mütterlichen Fähigkeiten. Dennoch bleibt ein tiefes – vom Patriarchat, seinen Herrschaftsansprüchen und seinem Verstandesdenken her zu erklärendes – Mißtrauen gegen Frauen, ihre Selbständigkeit und ihre Bedeutung.“63

      Einigen Frauen schreitet der Fortschritt bezüglich des Frauenbildes in der Katholischen Kirche allerdings zu langsam voran: „Der Rückzug vieler selbstbewusster Frauen aus der Kirche, die ihnen zwar Sozialarbeit, aber keine Identität als volle Persönlichkeit bot, erschwerte den Prozeß, Kirche und Theologie mit der Frauenbewegung zu konfrontieren und zu verändern.“64 Diese Frauen greifen das kirchliche Frauenbild an und grenzen sich von den Frauen ab, welche sich der Kirche und dem dort herrschenden Patriarchat unterwerfen würden.65

       Die Ergänzung beider Geschlechter

      Die ehemalige Seelsorgehelferin und Diözesanreferentin der Frauenseelsorge im Bistum Dresden-Meißen Lisa Ahnert teilt die Entwicklung des Frauenbildes im 20. Jahrhunderts in Phasen ein. Die erste Phase, die sie Gleichwertigkeit und Andersartigkeit nennt, wird durch die Industrialisierung, sowie den Ersten Weltkrieg eingeleitet, in dem die Frauen typisch „männliche“ Aufgabenbereiche übernehmen müssen und merken, dass sie dies können. Das christliche Frauenbild ist geprägt von einer Mütterlichkeit und Hingabe, wobei die Frau noch auf den Mann hin geordnet ist. Frau und Mann sind zwar auch in Christus gleich, aber dennoch anders. So sollen sie sich ergänzen. Es kommt sogar teilweise zu einem überhöhten Frauenbild, wenn beispielsweise ein „marianisches Grundbild“ der Frau zu Grunde gelegt wird, während der Mann daneben eher herabgesetzt wird.66„Dieses Bild der mütterlichen Frau, wie sie Gertrud von le Fort beschreibt, die die Not sieht und zur Hingabe bereit ist, war ein tastender Versuch, die Eigenart und die Andersartigkeit der Frau gegenüber der Eigenart des Mannes darzustellen […] Das war gegenüber früheren Zeiten, in denen die Frau nur als Gegenüber zum Mann gesehen wurde, ein echter Schritt nach vorn.“67

      Diese Gleichwertigkeit und zugleich Andersartigkeit der beiden Geschlechter, die sich ergänzen, propagiert die Katholische Kirche noch bis in die 1950er Jahre hinein als „die These von der komplementären Polarität der Geschlechter. Beide haben ihre unübertragbaren, aber einander ergänzenden Eigenarten und Aufgaben.“68 Diese Auffassung kann als stichhaltiges Argument für die Befürworter einer Berufstätigkeit der Frau innerhalb der Kirche gelten – selbst gegen kritisch eingestellte Kleriker.

      Trotz dieser grundsätzlichen Offenheit für den beruflichen Einsatz der Frau im sozialen Bereich seitens der Kirche stellt die unverheiratete Frau eine Herausforderung dar: Sie „wurde in der Blütezeit der Frauenbewegung zu einem Problem der Kirche“ 69 und zwar deshalb, da sie den Frieden der Familien stören könne. Man muss nun also bewusst Berufe finden, damit unverheiratete Frauen davon abgebracht werden, sich in bestehende Familien einzumischen und den Frieden zu stören. Aber: „Das Diakonissenideal als allein verbindliches Lebensideal reichte nicht mehr aus, alle säkularen Bedürfnisse aufzufangen.“70

       Katholische Frauenvereine und Berufsgemeinschaften

       Katholische Frauenvereine

      Noch bis 1898 verbietet das preußische Vereinsgesetz (§ 8) Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen sowie die Teilnahme an politischen Versammlungen. Das katholische Vereinsleben zählt jedoch nicht dazu. In den 1830er Jahren werden die ersten katholischen Vereine gegründet. So kann 1837 die Gründung des Clemens-August-Verein (Köln) verzeichnet werden und 1844 die Gründung des Kirchlichen Vereins für Baden (Freiburg). 1848 wird gar als „das große Gründerjahr der Katholischen Vereine“71 bezeichnet. Im katholischen Vereinswesen ist es Frauen gestattet, sich zu engagieren:


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