Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath. Bärbel Mechler

Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath - Bärbel Mechler


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Weise zu bestreiten. Und vielleicht werde ich bald meine Ängste überwunden haben und mich von ihm trennen.“

      Reflexion:

      Sind Sie bereit, durch das Wissen um seine Widersprüchlichkeit zukünftig die Realität anzuerkennen und keinerlei Wunder mehr zu erwarten?

      Psychopathische Charaktere empfinden sich trotz aller inneren Zerrissenheit und des steten Drangs, aus allem Kapital schlagen zu müssen, von Ehre durchdrungen. Sie verstehen es zuverlässig, ihre Wahrnehmung in Bezug auf ihre Gefühlskälte und ihre Sucht nach Vorteilsbeschaffung permanent weichzuspülen. Das Ergebnis ist eine ehren- und würdevolle Selbsteinschätzung. Die Redensart „Ehre, wem Ehre gebührt“ ist hinsichtlich ihrer Person offenbar eine nicht verhandelbare Position.

      Diese Nichtvereinbarkeit ihres idealisierten Selbst mit der Wirklichkeit zeigt sich an einer wahrlich traurigen Geschichte:

      Als Marina mich anrief, war sie so aufgebracht, dass ich sie kaum verstehen konnte, so schrill war ihre Stimme. Sie berichtete mir, dass sie seit zweiundzwanzig Jahren mit einem Mann verheiratet ist, der sie gegängelt und wie eine Magd behandelt hat. Sie war von Beruf Verwaltungsangestellte und er Beamter. Ihr Gehalt ging auf das Konto ihres Mannes, auf das sie selbst keinen Zugriff hatte. Ihr Mann hatte sie vor der Hochzeit darum gebeten, das Geld verwalten zu dürfen, und sie hatte zugestimmt. Ihr Haushaltsgeld wurde von ihm streng rationiert und reichte nur für das Allernötigste. Natürlich wunderte sie sich immer über die angeblichen finanziellen Engpässe. Doch ihre Einwände wurden damit abgeschmettert, dass er schließlich für die Altersversorgung Rücklagen aufbauen müsse. Außerdem reagierte er auf solche Fragen hoch aggressiv, weshalb Marina dieses Thema weiträumig umging.

      Doch nun kommt der eigentliche Schlag: Er hatte ihr kürzlich offenbart, dass er eine Freundin habe und zu ihr ziehen werde. Marina nahm Kontakt zu ihr auf und wollte sie umstimmen, dass sie wegen einer Affäre nicht eine langjährige Ehe zerstören solle. In diesem Gespräch erfuhr sie, dass es sich nicht um eine Affäre, sondern um eine zwanzigjährige Beziehung handle, und dass ihr Mann ihr in diesen zwanzig Jahren eine Eigentumswohnung finanziert hatte, die jetzt abbezahlt war.

      Kein Wunder, dass Marina einen Nervenzusammenbruch erlitt. Sie durfte ihrem gemeinsamen Sohn zu den Geburtstagen und Weihnachtsfesten nur kleine Geschenke machen und ihm nur ein Mini-Taschengeld geben. Selbst als er ins Gymnasium kam und sich ein neues Fahrrad wünschte, musste sie ihn enttäuschen. Und das alles, damit eine andere Frau vom gemeinsamen Geld beschenkt und verehrt werden konnte. Sie fühlte sich auf so vielen Ebenen um ihr Leben betrogen. Als sie sein ehrloses Verhalten anklagte, zeigte er sich empört und rechtfertigte sich damit, dass er ja schließlich so lange Zeit bei der Familie geblieben und ihm das mehr als ehrenhaft anzurechnen sei.

      Fazit:

      Menschen, die keine Ehre besitzen, werden Sie nicht ehren! Nun sind Sie aufgerufen, sich selbst wertzuschätzen und für sich einzustehen.

      Größenwahn

      Selbstüberschätzung liegt zweifellos in der Ermangelung der Möglichkeit von Reflexion begründet. Diese menschliche Fähigkeit, sich selbst kritisch zu hinterfragen, sich Fehler einzugestehen, das Abweichen von Idealen zu bedauern und anderes mehr, all dies ist den psychopathischen Menschen nicht gegeben. Umso mehr wird das Umfeld für all das, was sie selbst nicht vermögen, zur Rechenschaft gezogen und verurteilt. Ich persönlich kenne einen Menschen mit dieser ausgeprägten „Gabe“, der für jede Gaunerei zu haben ist und die meiste Zeit damit verbringt, darüber nachzudenken, wie er sich mit Unwahrheiten Vorteile verschaffen kann. Trotz alledem hatte er jede Anstrengung unternommen, sich für das Amt des Schöffen zu bewerben. Seinen eigenen Aussagen zufolge fühlte er sich berufen, gegen Kriminelle vorzugehen und für Recht und Ordnung in der Gesellschaft zu sorgen. Dass er selbst den größten Teil seines Besitzes dubiosen Geschäften verdankt, empfindet er nicht als Widerspruch: „Man muss zwischen Kavaliersdelikten (das ist das, was er und die anderen Reichen machen) und miesen Kriminellen (das sind in seinen Augen die ‚einfachen‘ Menschen) unterscheiden.“ Auf so geistlose Überzeugungen werden Recht und Moral heruntergebrochen. Man könnte sagen, dass solche Menschen ein Selbstbewusstsein ohne Bewusstsein besitzen.

      Sie haben mit Sicherheit schon so viel Trauriges erlebt, dass Sie sich einmal zwischendurch zur Abwechslung etwas Nettes gönnen sollten. Dazu möchte ich Ihnen vorschlagen, sich den Spaß zu erlauben und Ihren Partner darauf anzusprechen, wozu er glaubt, berufen zu sein. Sie werden mehr als erstaunt sein, was dabei herauskommt. Selbstverständlich müssen Sie das geschickt angehen. In einer konfliktbeladenen Beziehung wird er schnell Verdacht schöpfen und nicht ohne Weiteres damit herausrücken. Sie müssen ihn schon ein wenig in Sicherheit wiegen. Zunächst sollten Sie deshalb für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Dann beginnen Sie das Gespräch mit glaubwürdigen Feststellungen, und erst später nehmen Sie die Kurve und bewundern ihn. Das könnte so aussehen:

      „Du bist überhaupt nicht für eine Beziehung geschaffen. Und wenn ich im Leben einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dir nie begegnet zu sein. Aber dennoch muss ich gestehen, dass du auch etwas sehr Großes in dir hast. Und wahrscheinlich bist du nur so geworden, weil du dich nicht deinen Fähigkeiten entsprechend entfalten konntest. Wenn man dich gelassen hätte, wie es deinen Möglichkeiten entspricht, dann wäre bei dir alles anders gekommen. Du hättest mit deinen Begabungen und deinem Charisma eine grandiose Laufbahn eingeschlagen und hättest der Menschheit einen großen Dienst erwiesen, anstatt sie auszubeuten. Sag mal ehrlich, hast du nie selbst daran gedacht, was du wirklich hättest leisten oder wer du hättest werden können?“

      Wenn er sich sicher fühlt, wird er Sie nach und nach mit Ansichten überraschen, die Sie nicht einmal in Ihren kühnsten Träumen erwartet hätten. Hören Sie einfach interessiert zu und bestätigen Sie das Gesagte durch kleine Gesten oder gezieltes Nachfragen. Eine Klientin war mit ihrem Partner in einer Bar, als sie ihn auf diese Weise angesprochen hatte. Sie erzählte mir danach, dass sie vollkommen hin- und hergerissen war zwischen dem Wunsch, ihm weiter zuzuhören und der Scham, die sie empfand, weil mittlerweile auch andere Gäste an seinen Lippen hingen und ihm aufmerksam lauschten. Er erklärte ihr nämlich mit entrücktem Blick, dass er annehme, der Messias zu sein, auf den die Juden so lange gewartet haben, dass er aber nicht wisse, wie er das überzeugend belegen könne.

      Wenn Sie dieses Beispiel jetzt als Einzelfall betrachten, dann täuschen Sie sich. Erlöser-Persönlichkeiten von Gottes Gnaden und Weltherrscher-Figuren sind ganz und gar keine Seltenheit bei Psychopathen. In den Fantasien ihrer maßlosen Selbstüberschätzung gibt es nach oben keine Grenzen. Eine ihrer Überzeugungen lautet dementsprechend sinngemäß: Wo ich bin, da ist oben.

      Ich möchte mich mit diesem Spielchen nicht über diese Menschen lustig machen. Aber ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, hinter ihre Maske zu blicken. Es sind kranke Menschen mit den Träumen kleiner Kinder und keinesfalls die überlegenen Persönlichkeiten, die sie vorzugeben bemüht sind und deren Machtausübung in irgendeiner Weise gerechtfertigt wäre. Es wird Ihnen helfen, Abstand zu gewinnen und den nicht angebrachten Respekt zu verlieren. Und Sie haben es verdient, auch einmal lächeln zu dürfen.

      Diese lndividuen fühlen sich also zweifellos durch ihre übersteigerte Ich-Wichtigkeit generell überlegen. Auch dann, wenn ihre Handlungen grotesk, berechenbar oder peinlich sind. Selbst wenn ihr Lebenslauf auf eine gescheiterte Existenz hinweist, verstehen sie sich erstaunlicherweise darauf, die banalsten Situationen zur Selbstaufwertung heranzuziehen. Doch wehe, von außen kommt Widerstand. Dann läuft für sie schnell alles aus dem Ruder. Wir kommen noch öfter darauf zurück.

      Schwache Impulskontrolle

      Psychopathische Menschen besitzen nur eine sehr schwache Impulskontrolle. Muss sich ihr Gehirn zwischen Vernunft und der Aussicht auf Belohnung entscheiden, ist die Antwort klar.

      Sie entscheiden sich meistens für Belohnung. Deshalb gehen sie nicht immer mit der nötigen Vorsicht ans Werk und nehmen sich oft genug keine Zeit für eine angemessene Folgenabschätzung ihres Verhaltens, sondern schlagen beim ersten Impuls los. Glücklicherweise kommt dieses Manko nicht selten den Geschädigten zugute. Wenn Psychopathen vor Gericht, dem Jugendamt, der Polizei oder anderen Stellen unkontrolliert ihre Haltung verlieren und unüberlegt loswettern, geht der Schuss oft nach hinten los. Ansonsten


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