Spessartblues. Günter Huth

Spessartblues - Günter Huth


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ist da«, erklärte Kräuters Sekretärin und trat zur Seite.

      »Er soll bitte hereinkommen!«, bat der Präsident und ging auf die Tür zu, um dem Leitenden Oberstaatsanwalt entgegenzugehen. Kerner erhob sich.

      Nachdem Rothemund dem Präsidenten kurz zugenickt hatte, ging er mit ausgestreckten Armen und freudiger Miene auf Kerner zu und nahm ihn kurzerhand in die Arme.

      »Lieber Simon, ich freue mich wirklich sehr, dass du wieder zurück bist!« Dies war eine unter Kollegen schon bemerkenswerte Geste der Herzlichkeit. Hier spürte man, dass Rothemund und Kerner über das Berufliche hinaus freundschaftlich verbunden waren. Es tat Kerner gut, zu sehen, dass sich durch die belastenden Geschehnisse der vergangenen Monate an ihrem Verhältnis offenbar nichts geändert hatte. Rothemund war kein Mensch, der ihm etwas vorspielte.

      »Wir haben uns ziemlich große Sorgen um dich gemacht!« Rothemund hielt Kerner an beiden Armen ein Stück von sich weg und sah ihm prüfend ins Gesicht. »Ich hoffe, deine Rückkehr ist nicht zu früh. Kollege Kräuter und ich hätten vollstes Verständnis dafür, wenn du noch Zeit benötigst, um in dein altes Leben zurückzukehren.«

      Präsident Kräuter nickte zustimmend, dabei lud er die beiden mit einer entsprechenden Geste ein, wieder Platz zu nehmen. Kerner wunderte sich noch immer, dass auch Rothemund bei diesem Gespräch dabei war. Er war zwar mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt befreundet, aber als Direktor des Amtsgerichts Gemünden war der Landgerichtspräsident sein Vorgesetzter und für seinen beruflichen Einsatz zuständig. Eigentlich hatte er Rothemund nach seinem Termin beim Landgerichtspräsidenten aufsuchen wollen. Plötzlich verspürte er eine gewisse innere Anspannung. Er hatte das unbestimmte Gefühl, die beiden wollten ihm »etwas beibringen«.

      »Mein lieber Kerner«, ergriff da auch schon wieder der Präsident das Wort, während er Rothemund Kaffee einschenkte, »wir alle wissen, dass Sie in den vergangenen Monaten eine schwere Zeit durchgemacht haben. Der Verlust, den Sie erlitten haben, und die Umstände, die dieses schreckliche Ereignis begleiteten, sind für jeden Menschen nur schwer zu verkraften. Auch für einen Mann wie Sie, der, wie wir wissen, über eine stabile und belastbare Psyche verfügt.«

      Rothemund nickte zustimmend. Kerner verhielt sich weiterhin abwartend. Kräuter ließ einige Sekunden verstreichen, dann fuhr er fort: »Es war gut und richtig, sich einige Zeit für die notwendige Trauerarbeit und die innere Auseinandersetzung mit den Geschehnissen zurückzuziehen. Sicher steht Ihrer Rückkehr zu Ihrer ursprünglichen Tätigkeit in Gemünden prinzipiell nichts entgegen.«

      Er atmete einmal tief durch. Man konnte erkennen, dass er jetzt zu dem großen ABER ansetzte.

      »Diese Problematik, lieber Kerner, hat aber auch eine faktische Seite, die durchaus von großem Gewicht ist und die ich als Präsident dieser Behörde nicht außer Betracht lassen darf. Der Fall Hasenstamm und die Zerschlagung der islamistischen Terrorzelle, in die Sie intensiv involviert waren, hat in der regionalen und selbstverständlich in der überregionalen Presse hohe Wellen geschlagen. Wogen, die wir zwar glätten konnten, nichtsdestoweniger gab es Pressevertreter, die bohrende Fragen stellten. Auch im Kollegenkreis gab es kritische Stimmen, um dies einmal zurückhaltend zu formulieren. Wie Sie wissen, hat die in diesem Fall zuständige Staatsanwaltschaft Schweinfurt gegen sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem überprüft wurde, ob sie tatsächlich in Notwehr gehandelt haben.«

      »Wie du weißt«, meldete sich Rothemund zu Wort, »ein in solchen Fällen übliches Routinevorgehen, da ich als Leiter der Würzburger Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit nach Schweinfurt abgegeben habe, da man den Eindruck der Befangenheit vermeiden musste.«

      Der Präsident nickte. »Nach Auswertung der gesamten Fakten wurde dieses Verfahren eingestellt. Sie haben nicht rechtswidrig gehandelt. Ein Disziplinarverfahren durch mich erübrigt sich damit auch. Sie haben also nach wie vor eine weiße Weste und könnten beruflich dort anknüpfen, wo Sie vor den schlimmen Ereignissen standen.«

      Er lehnte sich zurück, griff die Kaffeetasse und nahm einen kräftigen Schluck. Kerner warf Rothemund einen Blick zu. Der Leitende Oberstaatsanwalt betrachtete angelegentlich seine Fingernägel.

      »Lieber Kerner«, nahm der Präsident seinen Gesprächsfaden wieder auf, »Sie sind ein alter Hase und wissen, dass ein juristischer Freispruch nicht gleichbedeutend ist mit der Rehabilitation in der Öffentlichkeit. Meine berufliche Erfahrung sagt mir, dass ein dem Anschein nach angeschlagener Richter bei der Ausübung seines Amtes in der Bevölkerung Akzeptanzprobleme haben könnte. Es gibt hierfür Präzedenzfälle.« Der Präsident beugte sich nach vorne und legte beide Handflächen auf den Tisch. »Kollege Rothemund und ich haben uns daher darauf geeinigt, Sie noch einige Zeit aus der Schusslinie zu nehmen. Sie sind für uns menschlich und fachlich viel zu wertvoll, um Sie dort draußen möglicherweise beschädigen zu lassen.«

      Der Leitende Oberstaatsanwalt hob den Blick und ergriff das Wort. Kerner war mittlerweile klar, dass er hier Mitwirkender einer abgesprochenen Inszenierung war. Wie er diese einordnen sollte, war ihm noch nicht ganz klar.

      »Lieber Simon, bevor du als Behördenleiter nach Gemünden gegangen bist, haben wir ja über deine Karrieremöglichkeiten gesprochen. Damals wollte ich dich aus dem Fokus der Öffentlichkeit haben, weil deine erfolgreichen Ermittlungen gegen die Mafia hohe Wellen schlugen. Ich wollte dich als meinen Nachfolger aufbauen, wenn ich mich einmal auf eine andere Position bewerben würde. Leider ist die Umsetzung dieser Planungen durch die gegebenen Umstände nicht gerade leichter geworden. Du kennst das System. In der augenblicklichen Situation ist es für dich aus taktischen Gründen sicher besser, erneut eine Weile aus dem Blick der Öffentlichkeit zu verschwinden, bis die Medien Ruhe geben.«

      Rothemund trank einen Schluck, dann fuhr er fort: »Simon, der Präsident und ich sind der Auffassung, dass es wohl klug wäre, wenn du für einige Zeit in die zweite Reihe zurücktreten würdest, bis ausreichend Gras über die Geschichte gewachsen ist. Wir möchten dir daher folgenden Vorschlag machen: Du ziehst dich so bald wie möglich aus Gemünden zurück. In meiner Behörde wird demnächst die Position eines Oberstaatsanwalts frei. Bewirb dich darauf. Herr Kräuter und ich werden alles dransetzen, dass du diese Stelle auch bekommst. Bei deinen Qualifikationen dürfte es nur wenige geben, die dir im Ranking vorausgehen. Du wärst damit zwar wieder in der gleichen Position wie vor deiner Versetzung nach Gemünden, aber meine Karrierepläne haben sich auch verschoben. Ich werde somit noch einige Zeit als Leitender Oberstaatsanwalt in Würzburg bleiben. Irgendwann steht dann wieder die Frage meiner Nachfolge an, dann kann man neu darüber nachdenken. Du verstehst, was ich meine?«

      »Ich glaube schon.« Simon Kerner war natürlich klar, was ihm Rothemund mehr oder weniger deutlich klarmachen wollte. Bedeutungsvoll war dabei, dass dieses Gespräch von Kräuter und Rothemund gemeinsam geführt wurde. Kerner war sich absolut sicher, dass die Brücke, welche die beiden Herren ihm da bauten, mit Sicherheit mit den obersten Dienstbehörden abgesprochen war.

      Präsident Kräuter interpretierte Kerners nachdenkliche Miene offenbar als mögliche Ablehnung, denn er ergänzte sehr eindringlich: »Herr Kerner, was wir Ihnen soeben vorgetragen haben, ist eine wohlmeinende Empfehlung. Sie sollten sie ernsthaft in Erwägung ziehen. Es liegt uns sehr daran, dass Sie nicht irreparabel beschädigt werden. Wir erwarten von Ihnen natürlich keine sofortige Entscheidung. Fahren Sie jetzt erst mal an das Amtsgericht Gemünden zurück und lassen Sie sich die Angelegenheit in Ruhe und ernsthaft durch den Kopf gehen. In vierzehn Tagen hätte ich aber gerne von Ihnen eine Antwort.« Er atmete tief durch, dann fuhr er, ehe Kerner etwas sagen konnte, fort: »Da gibt es noch etwas, was Sie wissen müssen. Wie Sie sich denken können, hat es in Gemünden durch Ihre Abwesenheit einen gewissen Erledigungsstau bei den Strafverfahren gegeben. Ich habe deshalb die Abordnung eines weiteren Richters nach Gemünden durchgesetzt. Es handelt sich um einen Kollegen namens Christian Hansen, der aus persönlichen Gründen von Niedersachsen nach Bayern wechselt. Er wird in drei Tagen seinen Dienst in Gemünden antreten. Es ist zwar seine erste Richterstelle in Bayern, aber nach seinen ganz ausgezeichneten Beurteilungen in seiner Personalakte hat er bereits Erfahrungen als Schöffenrichter. Ich schlage daher vor, dass er Schritt für Schritt Ihr Richterreferat übernimmt. Selbstverständlich bleiben Sie der Chef dieser Behörde.«

      Er verstummte. Die beiden Herren


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