Die Psoas-Lösung. Evan Osar
über die Beugung.
Beckendrehung (d.h. Kippung) während eines Bewegungsmusters mit Kniebeuge mit Eigengewicht: Die Ausgangsposition des Beckens (a) ist weniger wichtig als die Fähigkeit, das Becken nach vorne zu drehen (die Hüften zu beugen), um die Kniebeuge zu beginnen (b & c). Beachten Sie, dass der gesamte Thorax-Beckenzylinder (TPC) zu Beginn der Kniebeuge noch in sich verbunden ist, dass dies also keine isolierte Bewegung des Beckens ist. Beim Hinuntergehen in die Kniebeuge wird diese Position allmählich umgekehrt und das Becken nach hinten gedreht, während die Gesamtausrichtung des TPC noch erhalten bleibt. Während der Schlussphase des Bewegungsmusters dreht sich das Becken weiter nach hinten (c & d).
Um den hinteren Hüftkomplex optimal zu belasten und Stress für die Lendenwirbelsäule zu reduzieren, ist es wichtig, anfangs das Becken nach vorne zu drehen und im weiteren Verlauf die Stellung durch das Bewegungsmuster exzentrisch zu kontrollieren. Durch diese Kontrolle können die Hüften weiter belastet werden, ohne das hintere Becken früh oder zu stark zu bewegen. Mehr zu diesem Thema im Kapitel über die Kniebeugen.
Zusammenfassung: Bei jedem Bewegungsmuster, das eine Hüftbeugung erfordert – Sitzen, Vorwärtsbeugung, Kniebeuge, Ausfallschritt, Treppensteigen, Kreuzheben (Deadlift) – sollte das Becken als Teil des Thorax-Beckenzylinders über dem Hüftkopf nach vorne drehen, um Becken und Wirbelsäule optimal zu positionieren und den hinteren Hüftkomplex zu belasten. Bei Kniebeugen mit Körpergewicht und/oder bei der Vorwärtsbeuge kann sich die Wirbelsäule im Rahmen des Bewegungsmusters relativ stark beugen, solange dabei die Hüften bewegt werden. Diese Körpermechanik unterstützt eine optimale Länge und Kontrolle des M. psoas, der so wiederum eine optimale Haltung und Bewegung unterstützen kann. Probleme im unteren Rücken und Becken treten gerne auf, wenn die Flexion der Wirbelsäule überstrapaziert wird, um einen festen hinteren Hüftkomplex und die Unfähigkeit auszugleichen, das Becken optimal um die Hüftköpfe zu bewegen, wodurch die Funktion des Psoas-Muskels beeinträchtigt wird. Im gesamten Buch wird immer wieder genauer auf diese Begriffe eingegangen.
Um die funktionelle Rolle des M. psoas bei der Stabilisierung und/oder Bewegung von Hüfte, Wirbelsäule und Becken besser beurteilen zu können (die auch im Rahmen der verschiedenen Übungen untersucht wird), wird eine Übersicht über die Gelenkzentrierung und die Open-Chain- und Closed-Chain-Bewegung gegeben.
Gelenkzentrierung …
… ist ein Begriff, der in diesem Buch immer wieder auftauchen wird. Er bezieht sich auf die Fähigkeit, ein Gelenk auszurichten und zu kontrollieren, ob in einer statischen Haltung (ohne Bewegung) oder in einer dynamischen Haltung (siehe Abb. unten). Die Zentrierung wird durch die koordinierte Leistung des Nervensystems erreicht, welches Feedback vom propriozeptiven System erhält und die vorteilhafteste motorische Strategie anwendet, um das Gelenk/die Gelenke zu kontrollieren, das/die für die jeweilige Aufgabe benötigt wird/werden.
(a) Optimale Hüftzentrierung während der Hüftbeugung: M. psoas und die unteren Fasern des Gesäßmuskels arbeiten mit den anderen tiefen Hüftmuskeln zusammen, um den Hüftkopf während der Beinbewegung in der Hüftgelenkpfanne zu halten.
(b) Nicht-optimale Hüftzentrierung während der Hüftbeugung: Der Hüftkopf verschiebt sich in der Hüftgelenkpfanne nach vorne und oben, wenn der M. psoas und andere tiefe Stabilisatoren die Gelenkposition nicht optimal kontrollieren können.
Die Gelenkzentrierung setzt eine Gelenkstellung voraus, bei der die knorpeligen Flächen maximalen Kontakt haben und die Kräfte, die auf das Gelenk einwirken, angemessen auf die Gelenkflächen verteilt sind (Kolar et al. 2013). Sie ermöglicht die optimale Positionierung und Kontrolle der Gelenke, sodass sie gut dazu in der Lage sind:
•alle Muskeln rund um das Gelenk zu aktivieren, wenn dies nötig ist, um Haltung und Bewegung zu kontrollieren;
•das geeignete propriozeptive Feedback von den Rezeptoren des Gelenks und der Weichteile zu liefern;
•einer übermäßigen Gelenkkompression (die durch eine zu starke myofasziale Aktivierung entsteht), einer unkontrollierten Gelenkbewegung (Hypermobilität) und/oder Überdehnung oder Belastung der Weichteilstrukturen des Gelenks (Gelenkkapsel, Bänder, Muskeln und Faszien) vorzubeugen.
Voraussetzung für eine optimale Zentrierung ist eine koordinierte Aktivität in jedem einzelnen Muskel, der auf das Gelenk einwirkt. Dies ermöglicht gleichzeitig die Zentrierung sowie eine gut kontrollierte Rotationsachse – den idealen theoretischen Punkt, um den herum sich ein Gelenk bewegt. Zu viel Muskelaktivität in allen Muskeln, die ein Gelenk umgeben, führt zu einer übermäßigen Kompression. Unausgewogenheiten dort, wo es in einem oder mehreren Muskeln in Bezug auf ihre funktionellen Synergisten (Muskeln, die zusammenwirken, um ein Gelenk zu stabilisieren oder zu bewegen) zu viel Aktivität gibt, stören die Zentrierung und beeinträchtigen daher die optimale Zentrierung und Bewegung.
Bei einer ausgewogenen Aktivität zwischen den tiefen und den oberflächlichen Muskeln bleibt der Hüftkopf, ungeachtet des Bewegungsumfangs, relativ zentriert in der Gelenkpfanne. Bei einer Beeinträchtigung – beispielsweise einer Überaktivierung der oberflächlichen Anteile des M. gluteus maximus, der ischiokruralen Muskulatur und/oder der Hüftrotatoren in Bezug auf die tiefen Muskelfasern und den M. psoas – verliert der Hüftkopf seine ideal zentrierte Stellung und verschiebt sich nach vorne. Dadurch wird die vordere Gelenkkapsel überdehnt, und die Weichteilstrukturen wie das Labrum werden beeinträchtigt. Dies ist ein häufiges Szenario in der Ereigniskaskade, die letztlich zu einem femoro-acetabulären Impingement-Syndrom (FAI), Rissen im Labrum und weiteren degenerativen Veränderungen der Hüfte führt.
Wenn, vergleichbar, der M. psoas zusammen mit den anderen Muskeln des tiefen myofaszialen Systems (DMS) die Aktivität der oberflächlichen Schichten des M. erector spinae und der Bauchmuskeln ausgleicht, bleibt die Wirbelsäule gut zentriert. Bei einer Inhibition des M. psoas, M. transversus abdominis oder der Mm. multifidi mit kompensierender Überaktivität der oberflächlichen Muskeln wird die Zentrierung der Wirbelsäule jedoch gestört. Wie bereits weiter oben für die Hüfte besprochen, trägt diese nicht-optimale Strategie bei längerem Bestehen letztlich zu einer degenerativen Erkrankung der Bandscheiben und Wirbelsäulengelenke bei. Darauf wird im Verlauf des Buches noch detaillierter eingegangen.
Die Gelenkzentrierung ist ein dynamischer Vorgang und wird daher durch viele Faktoren beeinträchtigt. Zu den Faktoren, die ein Gelenk dezentrieren oder zu einer nicht-optimalen Ausrichtung und Kontrolle des Gelenkaus beitragen können, gehören die folgenden:
•Neurale Inhibition nach einer Reizung spinaler Nervenwurzeln.
•Eine Bandscheibenpathologie (Vorwölbung oder Hernienbildung), die die Nerven der Brust- oder Lendenwirbelsäule beeinträchtigt, kann die Funktion der dazugehörigen Muskeln in diesem Bereich des Rumpfes, der Wirbelsäule und/oder der Hüften beeinflussen, was wiederum zu einer muskulären Kompensation und Unausgewogenheit führt.
•Muskuläre Unausgewogenheiten nach Trauma, Operation oder Entzündung.
•Ein Trauma, eine Operation oder eine Gelenkentzündung können zu einer Inhibition primär der tieferen oder intrinsischen Gelenkmuskeln beitragen, was letztlich zu einem Verlust der motorischen Kontrolle führen kann.
•Eine Inhibition führt zu einer kompensierenden Überbeanspruchung in bestimmten – meist den oberflächlichen – Muskeln – die die optimale Zentrierung weiter stören.
•Falsches Training.
•Falsche