Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

Madame Nina weiß alles - Nina Janousek


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nach kam ich auf den Geschmack, ich wurde zur Genießerin und entwickelte einen Hang zu gutem Essen, zum besten, zum feinsten.

      In Wien ist es ja einfach, dieser Leidenschaft, gut zu essen, zu frönen. Mein Mann und ich waren und sind Stammgäste in den besten Restaurants der Stadt, bei den »Drei Husaren«, im »Sacher«, im »Schwarzen Kameel«, beim »Plachutta«. Den Verlockungen erstklassigen Essens kann ich einfach nicht widerstehen. Ich liebe delikat gewürzte Speisen, exquisit komponierte Zutaten. Ich liebe saftige Steaks, goldbraune Schnitzel, herrliche Jakobsmuscheln und köstliche Garnelen. Wie fein das ist, wie schmeckt mir das, ach, ich esse so gern. Am liebsten hätte ich immer von allem ein bisschen auf meinem Teller, was für eine Geschmacksexplosion.

      Sie sehen, ich gerate ins Schwärmen, wenn es ums Essen geht. Diese Affinität zu deliziösen Speisen hat sich seit meiner Kindheit entwickelt. Denn der Satz des Arztes »Wenn du nicht isst, wirst du sterben« verfolgt mich bis heute. Ich muss essen. Wenn ich Hunger habe, schreie ich. Denn esse ich nicht, habe ich das Gefühl, zu sterben. Das ist ein psychischer Defekt.

      Essen, gutes Essen, ist also ein wichtiger Teil meines Lebens, und wohl auch deshalb hatte ich lange Zeit direkt neben meiner Bar ein Restaurant, den »Rosa Elefant«. Das war ein hübscher kleiner Betrieb mit einem rund achtzig Quadratmeter großen Gastraum, in dem etwa fünfundsiebzig Besucher Platz hatten. Im Sommer kam noch ein riesiger Schanigarten dazu. Anfangs war das Restaurant täglich geöffnet, später sechs Tage in der Woche, außer Sonntag, von sechzehn Uhr bis zwei Uhr früh.

      Im »Rosa Elefant« gab es eine Verbindungstür zu meiner Bar, die von den Herren gern benützt wurde. Denn so vermieden sie es, sich eventuellen neugierigen Blicken auszusetzen, wie das vielleicht der Fall war, wenn sie meinen Nachtclub direkt vom Bauernmarkt aus betraten. Schlüpften sie durch die Verbindungstür, setzten sie sich nicht dem Verdacht aus, etwas aus bürgerlicher Sicht Unanständiges im Sinn zu haben.

      Das Restaurant lief vom ersten Tag an großartig. Die Gäste kamen in Scharen, nicht nur wegen der gemütlichen Atmosphäre, sondern vor allem auch wegen der herrlichen Speisen. Wir servierten klassische österreichische Hausmannskost, Pfannengerichte wie Eiernockerl und Schinkenfleckerl mit grünem Salat. Ach, wie herrlich das geschmeckt hat. Deftig, aber nicht zu fett und gut verträglich.

      Die Spezialität im »Rosa Elefant« waren aber Spareribs, wir verkauften sie tonnenweise. Für diese Schweinerippchen, die in einer Mischung aus Öl, Honig, passierten Paradeisern, Tabasco und Bier mariniert und danach auf dem Holzkohlengrill gegart wurden, standen die Gäste Schlange. Dazu gab es alle erdenklichen Saucen, deren süß-scharfe Aromen perfekt mit dem Geschmack der Rippchen harmonierten und dem Gaumen schmeichelten. Unsere Spareribs waren so berühmt, dass sogar zwei amerikanische Piloten zu den Stammgästen des »Rosa Elefant« zählten. Immer, wenn die beiden in Wien waren, kamen sie ins Restaurant, um Spareribs zu essen, obwohl dieses Gericht eigentlich eine Spezialität der amerikanischen Küche ist und in ihrer Heimat am besten zubereitet wird.

      Aber nicht, dass Sie jetzt denken, ich hätte vielleicht selbst im »Rosa Elefant« gekocht. Nein, nein, dafür reichten meine diesbezüglichen Künste bei Weitem nicht aus, beim Essen bin ich besser. Ich habe auch keine Tipps gegeben oder Rezepte geliefert. In der Küche des Restaurants regierte ein hervorragender Koch, ein Waldviertler, der dreiundzwanzig Jahre lang bei uns war. Er hat mit der Qualität der Speisen dafür gesorgt, dass der »Rosa Elefant« so stark frequentiert war, dass wir in diesem kleinen Restaurant fünf Kellner beschäftigten. Manchmal war der Andrang der Gäste enorm, sie mussten sich anstellen und warten, bis ein Tisch frei wird.

      Auch die Besucher meiner Bar liebten das Essen des »Rosa Elefant«. Hatten die Herren Hunger, konnten sie dort bis Mitternacht bestellen, die Speisen wurden in mein Etablissement gebracht. Zum Essen zogen sich die Gäste dann in einen kleinen Extraraum zurück, der mit einem Vorhang geschlossen wurde. Ich wollte verhindern, dass sich die Gerüche der Speisen ausbreiten, dass sie sich mit dem so schön komponierten Duftbouquet in der Bar mischten und die anderen Gäste störten.

      Die Herren hatten aber nicht nur bis Mitternacht Appetit, sie verlangten oft bis in die frühen Morgenstunden nach einem Imbiss. Dann bereitete ich ihnen in der kleinen Küche meines Etablissements selbst eine Kleinigkeit zu. Die Gäste schätzten es, wenn Madame höchstpersönlich ihr Bedürfnis nach Essen befriedigte. Es ist ja tatsächlich so, dass Liebe durch den Magen geht.

      Ich servierte den hungrigen Herren Schinkenbrote und Speckbrote, Schinken- und Käsetoast und Würstel, eine leichte Mahlzeit für zwischendurch eben.

      Erst als es mein Restaurant, den »Rosa Elefant«, nicht mehr gab, brachte ich regelmäßig Selbstgekochtes mit in die Bar. Nichts Großartiges, vielleicht ein Kalbsgulasch, nicht zu scharf, fein und leicht gewürzt, dazu mit dem Löffel ausgestochene Nockerl. Manchmal waren es auch Krautrouladen. Den Gästen hat es stets geschmeckt.

      Wurden in der Bar große Feste gefeiert, ließ ich die Speisen, wie Muscheln und Lobster, aus einem der ersten Restaurants der Stadt anliefern. Denn es war ja nicht so, dass ich ständig in der Küche stand. Ich war in meinem Etablissement die Gastgeberin und nicht die Köchin. Wenn’s ums Kochen ging, hatte ich auch nie große Ambitionen. Als Kind sagte meine Mutter immer wieder zu mir: »Raus aus der Küche, Nina. Weg vom Kochlöffel.« Das habe ich mir zu Herzen genommen. Aber was ich koche, das kann ich Ihnen verraten, schmeckt herrlich.

      Aber sie sind ja noch dabei, mich zu beobachten, wie ich aus der schwarzen Limousine steige. Sie sehen eine ausgesprochen korpulente Frau, der ein unauffälliger Herr mit grauen Haaren die Tür aufhält. Jetzt fällt Ihnen sicher der opulente Goldschmuck auf, den ich trage. An meinen Handgelenken, in denen sich noch immer diese zarten Knochen des jungen Dings, das ich einmal war, verbergen, hängen schwere goldene Armbänder, die klimpern, sobald ich mich bewege. Vielleicht trage ich gerade jenes mit den vielen alten goldenen Medaillons, die ich über die Jahre gesammelt habe, Andenken, die mir mein Mann auf Reisen geschenkt hat. Dazu eine prachtvolle breite Kette und wippende Ohrgehänge, natürlich ebenfalls aus massivem Gold und mit Edelsteinen besetzt. Schauen Sie auf meine Hände. Sehen Sie die kostbaren Ringe? Etwa diesen schweren Jugendstilring mit schwarzer Emaille, die von funkelnden Diamanten umgeben ist?

      Jetzt denken Sie eventuell, dass ich aufgeputzt bin, aufgeputzt wie ein Christbaum, wie man im Wienerischen sagt. Sie meinen womöglich, dass ich es mit dem Schmuck übertreibe. Aber ich mag das. So bin ich, ich habe ein Faible für Schmuck. Ich glänze so gern. Schmuck verleiht mir etwas Prächtiges, etwas Königliches. Es kann nie genug Schmuck sein.

      Diese Leidenschaft für Pretiosen reicht in meine Kindheit zurück. Meine Mutter trug gern Schmuck, ich erinnere mich vor allem an ihre wunderschönen Perlenketten. Denke ich an meinen Vater, fällt mir sofort sein auffälliger Siegelring ein, den er immer an der Hand hatte. Von ihm bekam ich auch mein erstes wertvolles Schmuckstück. Er überreichte mir zum achtzehnten Geburtstag einen Allianzring, einen massiven Goldring mit einem Rubin in der Mitte und zwei Brillanten.

      Bis heute kaufe ich Schmuck nicht selbst, ich lasse mich verwöhnen und ihn mir schenken. Mein Mann hat mich, seit wir uns kennen, immer mit Gold und Edelsteinen überhäuft. Auch mein liebstes Schmuckstück bekam ich von ihm. Eine schwere goldene Halskette, mittellang, mit einem brillantbesetzten Elefanten als Anhänger. Das war ein besonderes Geschenk zu einem besonderen Anlass. Ich bekam die Kette zur Eröffnung unseres Restaurants »Rosa Elefant«. Das Besondere war, dass der Elefant einen aufgestellten Rüssel hatte, und das gilt als Glücksbringer. Lange Jahre brachte er mir tatsächlich Glück. Dann wurde er mir leider gestohlen.

      Auch mein teuerstes Schmuckstück, ein kostbarer Jugendstilring meiner Mutter, gehört nicht mehr zu meiner Schmucksammlung. Er wurde mir auf einer Amerikareise zusammen mit einigen anderen Juwelen aus der Wohnung geraubt. Jetzt bin ich klüger, all mein Schmuck liegt hier in Wien sicher aufgehoben in einem Bankschließfach.

      Aber Sie betrachten mich ja noch immer, während ich aus der schwarzen Limousine steige. Es ist kühl, trotzdem trage ich keinen Pelz. Nur ein kleines bisschen davon, mein schwarzer Umhang aus feinem Kaschmir ist schmal pelzverbrämt. Hätten Sie mich früher gesehen, wäre Ihnen sofort mein Pelzmantel aufgefallen. Aber all die schönen Stücke hängen schon jahrelang ungetragen und gut verwahrt bei meinem Kürschner. Viele, viele herrliche Pelze,


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