Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

Madame Nina weiß alles - Nina Janousek


Скачать книгу
die Männer zahlen für ihr Vergnügen«, ermahnte ich die Mädchen immer wieder. »Und das gilt auch für Charlie Sheen.«

      Doch meine Predigt stieß auf taube Ohren. Mir war durchaus klar, was da ablief. Ich hätte jederzeit darauf gewettet, dass mindestens die Hälfte der Mädchen davon träumte, von Charlie Sheen als ständige Begleiterin auserkoren zu werden, die an seiner Seite ein herrliches Leben in Amerika führte.

      Die Anbetung des prominenten Herrn trieb dann sogar sonderbare Blüten. Eines der Mädchen, eine rassige Italienerin mit einem Lockenkopf, überreichte ihm eines Abends einen hellblauen Plüsch-Elefanten.

      Das Geschenk zeigte aber nicht die gewünschte Wirkung. Charlie zog sich nie mit ihr zurück. Wenn Manuela da war, fiel seine Wahl immer auf sie. Er schätzte es auch, wenn das »Schwalbennest« zur Verfügung stand. Denn auch darauf legte er Wert, nach Möglichkeit nicht nur dasselbe Mädchen, sondern auch dasselbe Zimmer. Ganz unflexibel war Charlie Sheen aber keineswegs. War das »Schwalbennest« besetzt, wich er in den »Roten Salon« aus, ein sehr großer, in Rot gehaltener Raum, unser VIP-Zimmer, ebenfalls mit Spiegeln, Marmor, Goldstatuen und einem Jacuzzi ausgestattet.

      Charlie Sheen hatte auch kein Problem damit, ein anderes Mädchen zu wählen, wenn Manuela nicht in der Bar war. Dennoch brachte er selbst die erfahrene Manuela zum Träumen. Sie hing der Fantasie nach, Frau Sheen zu werden. Das klingt vermutlich äußerst naiv, allerdings hatte das Leben in der Bar gezeigt, dass sich Gäste immer wieder in ein Mädchen verliebten, und die Beziehung dann in einer Heirat mündete. Manche dieser Ehen gingen auch gut. Es waren ja, nicht zu vergessen, die Neunzigerjahre, und der Respekt zwischen Gästen und Mädchen war intakt, zumindest viel größer, als er heute zwischen den Damen des Gewerbes und ihren Kunden ist. Meine Mädchen waren keine Objekte, sie wurden von den Herren als Menschen mit all ihren Facetten wahrgenommen. Manchmal scherzte ich sogar, dass ich das Schild »Ninas Bar« eigentlich gegen eines mit der Aufschrift »Ninas Heiratsinstitut« austauschen sollte.

      Aber Charlie Sheen würde für meine Mädchen unerreichbar bleiben, das wusste ich. Ich war ja immerhin fast fünfzig Jahre alt und alles andere als naiv. Ja, auch Manuela würde wohl nie Mrs. Sheen werden, auch wenn der junge Herr noch so nett war. Doch sie verfolgte mit ungebrochener Begeisterung alles, was in den Zeitungen über die Dreharbeiten zu lesen war und fragte ihn auch persönlich immer wieder nach allen Details. Als sich Charlies Wien-Aufenthalt schließlich dem Ende zuneigte, die Dreharbeiten vor dem Abschluss standen, war Manuela an fast jedem Abend in der Bar, sofern sie nicht gänzlich indisponiert war. Sie wollte die Hoffnung einfach nicht aufgeben.

      Doch dann kam Charlie Sheen plötzlich nicht mehr. Eigentlich hatte er sich für einen letzten Abend angekündigt, doch an diesem erschien er nicht. So kam es, dass er sich nicht einmal verabschiedete. Er schickte auch keine Nachricht und keine Blumen, wie das manche Gäste taten. Er war einfach verschwunden.

      Für die Mädchen war es ein schwerer Schlag, als wir aus den Medien erfuhren, dass der Film-Tross mit Charlie Sheen, Kiefer Sutherland, Chris O’Donnell und all den anderen netten Herren abgereist war. Vor allem Manuela traf diese Nachricht, geknickt saß sie an diesem Abend mit hängendem Kopf und traurigen Augen an der Theke.

      Es war noch nicht spät, es war die ruhige Stunde, bevor die ersten Gäste eintrafen. Im Hintergrund lief leise Musik, wir ließen es immer langsam und entspannt angehen. Um diese Zeit kamen die Mädchen nach der Reihe in die Bar. Und es war immer eine große Freude, sie zu sehen. So schön hergerichtet, so gepflegt, so duftend, so gut geschminkt und die Frisur picobello. Alle trugen ihre Uniform. Einen engen schwarzen, transparenten Body, ein weißes Schürzchen, eine kleine weiße Schleife um den Hals und zierliche weiße Manschetten. Ein bisschen sahen sie aus wie Playboy-Bunnys, aber auch wie Kellnerinnen. Das passte, denn sie servierten ja auch die Drinks an die Tische und schenkten den Gästen hinter der Bar Champagner aus.

      Auf der Uniform hatte ich aus gutem Grund bestanden. Oft waren es entzückende Mädchen, die da bei mir arbeiten wollten, aber nicht alle konnten sich schöne Kleider leisten. Deshalb schien mir die einheitliche Garderobe sinnvoll. Und die Idee bewährte sich, die Uniform machte die Mädchen gleich, egal aus welcher sozialen Schicht sie kamen.

      In die heute gedrückte Atmosphäre der Bar sagte ich laut: »So geht das nicht. Hier herrscht eine Stimmung wie bei einer Beerdigung. Los, los!«

      Manuela erwachte aus ihrer Starre, nahm ihre Handtasche und suchte darin etwas. Dann zog sie ein vorerst undefinierbares Stück Stoff heraus. Es war eine Herrenunterhose. Ein weißer Slip der Marke Calvin Klein. Mit belegter Stimme erzählte sie, dass Charlie Sheen ihn im Séparée vergessen hatte. Nun wollte sie seine Unterhose für alle Zeiten als Andenken aufbewahren. Sie hielt den Slip wie eine Fahne in die Luft. »Da steht Calvin Klein drauf«, rief sie. »Aber wenn Charlie ihn anhatte, war Calvin groß darin.«

      Wir brachen in schallendes Gelächter aus. In unseren kollektiven Heiterkeitsausbruch hinein kam der erste Gast des Abends durch die Tür. Es war der Rechtsanwalt mit dem verschnupften Hund. Ob der guten Stimmung erfreut, stimmte er in unser Lachen mit ein, ohne den Grund unserer guten Laune zu kennen. Ich ging auf den Herrn zu und begrüßte ihn. »Wie geht es Pino?«, fragte ich ihn. »Ist er wieder gesund?« Er nickte erfreut. »Du hast dir sogar seinen Namen gemerkt«, sagte er.

      Manuela, die Charlie Sheen so sehr ins Herz geschlossen hatte, schloss wenig später ihr Studium ab. Ich war dabei, als ihr das Diplom überreicht wurde. Ich freute mich und war ein bisschen stolz auf sie.

      Nicht allen Mädchen, die bei mir arbeiteten, schafften danach den Sprung in ein glückliches Leben. Doch Manuela scheint das gelungen zu sein. Bei mir in der Bar verliebte sie sich in einen Bauunternehmer. Mittlerweile haben sie und der Herr zwei Kinder. Ob ihr Leben glücklich ist, kann nur sie selbst sagen. Aber ich glaube, dass sie es gut getroffen hat.

      Wenn ich sie das nächste Mal sehe, werde ich sie aber auf alle Fälle fragen, was aus Charlie Sheens Calvin-Klein-Unterhose geworden ist.

      Rohdiamanten

      Diskretion war für mich immer das oberste Gebot, sie stand stets an erster Stelle meines Ehrenkodex. Niemals, wirklich niemals, würde ich den Namen eines Herrn nennen, der Gast in meinem Etablissement war. Eine Ausnahme mache ich aber, wenn Gäste selbst ganz offen in den Medien über ihre Vorliebe für die Bar gesprochen und sich dazu bekannt haben, dass sie meinen Nachtclub gern besuchen. Was die Namen der übrigen Herren betrifft, sind meine Lippen für ewige Zeit versiegelt. Keiner meiner Gäste soll jemals wegen der angenehmen Stunden, die er in Ninas Bar genossen hat, Schwierigkeiten bekommen. Keiner soll sich für diese schöne Zeit rechtfertigen müssen.

      Von Anfang an wollte ich mit meinem Nachtclub einen Mikrokosmos der Entspanntheit und Behaglichkeit schaffen, der nichts mit der Alltagswelt vor der Eingangstüre zu tun hat. Hier sollten die Gäste in ein Märchenland abtauchen und Abenteuer erleben können. Die Herren mussten aber sicher sein, dass sie diese aufregenden Episoden ihres Lebens, die Befriedigung ihrer innersten Sehnsüchte, im Kreis von zutiefst loyalen Freunden genießen konnten. Meine Mädchen und ich wurden diesem unausgesprochenen Wunsch nach absolutem Vertrauen von Anfang an gerecht. Die Herren wussten, dass nichts, was in der Bar geschah, nach außen drang.

      Dass sich die Gäste unserer Verschwiegenheit gewiss waren, erwies sich als äußerst zuträglich fürs Geschäft. Denn die Gäste bedankten sich für unser Stillschweigen und die Intimität, die sie in meiner Bar genossen, oft mit unglaublicher Großzügigkeit. Sie orderten den besten Champagner, ließen die edelsten Tropfen in Strömen fließen. Mancher Gast badete im wahrsten Sinne des Wortes darin. Ich erinnere mich an einen Herrn, der den Jacuzzi eines Séparées mit Champagner füllen ließ.

      Charlie Sheen, über dessen Besuch in meiner Bar ich eingangs erzählt habe, fällt nicht unter meine selbst auferlegte Verschwiegenheitspflicht. Er hat mit Journalisten darüber gesprochen, wie gern und wie oft er bei mir Gast ist. Und das hat er nicht nur einmal getan. Deshalb habe ich mich entschlossen, diesem Buch meine Erinnerungen an ihn voranzustellen. Immerhin ist er ein Hollywoodschauspieler, ein internationaler Star, und es ist doch schön, wenn ein so prominenter Herr die Geschichte meines Lebens, meine Memoiren, eröffnet. Die Erlebnisse mit Charlie Sheen zeigen ja auch, wohin mich mein Schicksal geführt hat.


Скачать книгу