Praktiken professioneller Lehrpersonen (E-Book). Urban Fraefel

Praktiken professioneller Lehrpersonen (E-Book) - Urban Fraefel


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müssen miteinander in Beziehung gesetzt werden, sie müssen verknüpft werden. Mit der Zeit entsteht zu einem Thema – z. B. «Informationen vermitteln» – ein Cluster mit zahlreichen zusammenhängenden Elementen.

      8. Wiederholen und üben Sie

      Eine plötzliche Einsicht oder ein einmaliges Aha-Erlebnis kann erhellend sein, aber es reicht nicht: Auch Wiederholen und Üben in der täglichen Praxis sind wichtig. Das gilt ganz besonders beim Lernen von Praktiken des Lehrberufs. Im Beruf variieren die Situationen immer ein wenig, und genau deshalb brauchen Sie viel Übung für das zweckmässige Handeln und Reagieren. So lernen Sie, auf wechselnde Situationen bestmöglich zu reagieren.

      Mehr noch: Machen Sie sich das Wiederholen und Üben zur festen Gewohnheit im Schulpraktikum oder im Berufsalltag. Greifen Sie gewisse Praktiken immer wieder auf, verbessern Sie sie, wie dies Fachleute in praktisch allen Berufen machen.

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      Abbildung 1: Zyklischer Aufbau von Praktiken: Folgen Sie langsam der roten Linie.

      9. Vernetzen Sie sich, kooperieren Sie

      Wie in allen Berufen gibt es Netzwerke von Professionals oder solchen, die auf dem Weg dorthin sind. Diese zeigen sich gegenseitig, woran sie arbeiten, sie tauschen sich aus, fordern sich heraus («critical friends»), geben sich gegenseitig Feedbacks und Ratschläge, und sie sind hungrig nach Verstehen und Verbessern.

      Im Studium haben Studierende zahllose Gelegenheiten, sich gegenseitig zu unterstützen und auf einen höheren Level zu bringen. Gleiches gilt für Teams im Schulhaus. Machen Sie Professionalität zu einem Thema unter Peers.

      10. Bleiben Sie kritisch

      Man kann die Dinge immer auch anders sehen, und dies zumeist aus guten Gründen. In diesem Buch finden Sie Standpunkte und Argumente, aber keine abschliessenden Wahrheiten. Setzen Sie sich mit den Positionen kritisch auseinander. Auf Ihrem Weg zu professionellen Praktiken werden Sie die Standpunkte teilen oder kritisieren, Sie werden die Vorschläge aufgreifen oder zurückweisen, Sie werden die Passung zu Ihren Erfahrungen prüfen, Sie werden Ihre eigenen Schlüsse ziehen.

      Es gibt keine fixe Lehrmeinung zu Ihren professionellen Praktiken als Lehrperson. Es gibt aber sehr wohl ein klares Ziel:

       Entwickeln Sie Ihre professionellen Praktiken so, dass sie die Schülerinnen und Schüler in einem wertschätzenden Klima grösstmöglich unterstützen können.

       Weiterführende Informationen und Materialien

       Die Selbstbestimmungstheorie – oder: Was Motivationstheorien mit diesem Buch zu tun haben

      Je motivierter Sie sind, mit den Anregungen dieses Buchs zu arbeiten, desto mehr werden Sie profitieren. Aber wovon hängt es ab, ob wir motiviert sind? Erhellen könnte dies der folgende Exkurs über drei Komponenten, die zur Motivation beitragen.

      «Why we do what we do», so lautet der Titel eines Buchs des Motivationsforschers Edward Deci, der zusammen mit Richard Ryan die Selbstbestimmungstheorie entwickelt hat, eine der bedeutendsten Motivationstheorien der letzten 50 Jahre. Warum tun wir, was wir tun? Was treibt uns an? Motivationen sind oft undurchsichtig; sie nachzuvollziehen, ist nicht immer einfach. Unter den zahlreichen Erklärungen und theoretischen Modellen zur Motivation gibt es jedoch einen Ansatz, der einleuchtend und für die meisten Menschen plausibel ist, vor allem mit Blick auf schulisches Lernen: die Selbstbestimmungstheorie. Deren zentrale Aussagen sind hier sehr kurz zusammengefasst.

      Gemäss den beiden Forschern Edward Deci und Richard Ryan kommt der Antrieb für das Handeln aus drei Quellen:

      –Körperliche Bedürfnisse, Triebe (z. B. Hunger, Sexualität)

      –Emotionen (z. B. Angst, Sehnsucht)

      –Psychologische Bedürfnisse (Erleben von Kompetenz, Autonomie, soziale Eingebundenheit)

       Psychologische Bedürfnisse, die das Handeln antreiben

      Deci und Ryan haben sich vor allem dem dritten Bereich der psychologischen Bedürfnisse gewidmet. Sie gehen davon aus, dass diese angeboren sind, gleich wie die körperlichen Bedürfnisse. Sie erkennen bei Menschen drei zentrale psychologische Bedürfnisse, die unser Handeln antreiben und die uns positive Energie geben, um etwas zu vollbringen:

      1.das Bedürfnis, sich als kompetent zu erleben, d. h. mit seinen Fähigkeiten etwas bewirken zu können,

      2.das Bedürfnis nach Autonomie, nach Selbstbestimmung,

      3.das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit, nach sozialer Zugehörigkeit.

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      Abbildung 2: Motiviertes, selbstbestimmtes Handeln.

      Oder wie es Deci und Ryan (1993) ausdrücken: «Wir gehen also davon aus, dass der Mensch die angeborene motivationale Tendenz hat, sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen, in diesem Milieu effektiv zu wirken … und sich dabei persönlich autonom und initiativ zu erfahren» (S. 229).

      Was möglicherweise etwas abstrakt erscheint, lässt sich mit einem Beispiel gut erläutern:

       Beispiel: Warum ist die Arbeit in Projektgruppen in der Regel motivierend?

      1.In Projekten gestalten die Mitwirkenden ihre Arbeit gemeinsam und sind damit sozial eingebunden.

      2.In Projekten fällen die Mitwirkenden Entscheidungen selbständig, sind initiativ und autonom.

      3.In Projekten erreichen sie ein selbstgesetztes Ziel – sie erleben ihre Kompetenz.

      Deutlich sieht man das etwa in der Musik: Viele hochmotivierte Menschen musizieren gemeinsam, z. B. im Chor, in einer Rockgruppe oder im Streichquartett. Dort erleben sie genau diese drei Dimensionen der sozialen Eingebundenheit, der Autonomie und der Kompetenz.

      Deci und Ryan (1993) zufolge lässt sich die Motivation durch soziale Faktoren deutlich beeinflussen.

      «Wir nehmen an, dass soziale Umweltfaktoren, die den Heranwachsenden Gelegenheit geben, ihre Bedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit zu befriedigen, [die] Motivation erleichtern. Soziale Umweltfaktoren, die die Befriedigung dieser Bedürfnisse behindern, hemmen diese Prozesse. Eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur befasst sich mit den Auswirkungen sozialer Umwelten auf Motivation und – in der Folge davon – auf Lernen und Entwicklung» (S. 230).

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       Abbildung 3: Richard Ryan und Edward Deci, die «Väter» der Selbstbestimmungstheorie.

Aktivitäten und Anregungen
Einige Gedanken zum selbstbestimmten Arbeiten mit diesem Buch
Zu den 10 Hinweisen zu erfolgreichem Arbeiten mit diesem BuchWie sehen Sie das? Welchen der obigen 10 Punkte stimmen Sie voll und ganz zu? Begründung in Stichworten.«Eigenes Handbuch schreiben»Dieses Arbeitsbuch schlägt vor, dass Sie sich aktiv mit den professionellen Praktiken beschäftigen, unter anderem in Abschnitt 6: «Schreiben Sie Ihr eigenes Handbuch». Falls Sie in der Ausbildung zur Lehrperson sind, lässt sich dies auch mit einem Portfolio verbinden.SelbstbestimmungstheorieGemäss der Theorie von Deci und Ryan ist Selbstbestimmung sehr motivierend. Verbinden Sie die Theorie mit Ihren früheren Erfahrungen (schulischen und ausserschulischen):Überlegen Sie sich, wann Sie bereits in einer selbstbestimmten Situation waren, in der Sie die drei Motivationsfaktoren «Kompetenz», «Autonomie» und «soziale Eingebundenheit» erfahren haben.Notieren Sie stichwortartig mindestens fünf Beispiele.
Und
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