Studienbuch Theaterpädagogik (E-Book, Neuausgabe). Marcel Felder

Studienbuch Theaterpädagogik (E-Book, Neuausgabe) - Marcel Felder


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(bühnenwirksamen) Auftrittskompetenz und mit dem übergeordneten Ziel der Bildung eines ästhetischen Bewusstseins und der Hinführung zum Theater als Kunstform.

      Theaterpädagogische Formen brauchen also nicht zwingend zur Aufführung und zu ‹Theater› zu führen. Nicht selten sind es spielerische Methoden der Auseinandersetzung der Spielenden mit sich, ihrer Selbstwahrnehmung, ihres Auftretens oder der Kommunikation und Interaktion auf der Ebene des Miteinanders.

      Theaterpädagogik im schulischen Bereich – mit mehr pädagogischer oder aber mehr ästhetisch/künstlerischer Ausrichtung – hat in den vergangenen 40 Jahren in Lehrplänen Einzug gehalten und ist mancherorts zu einem Wahlpflicht- oder gar Pflichtfach geworden. Pädagogische Hochschulen bieten Lehrgänge im Ausbildungsbereich sowie Nachdiplomstudien und Masterstudiengänge an, in denen sich Lehrpersonen fundiertes Können zur Spielleitung holen können.

      Nicht unwesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen hat auch die Professionalisierung der Ausbildung zum Theaterpädagogen bzw. zur Theaterpädagogin an Kunsthochschulen (vormals Schauspielschulen). Ihnen ist sicher zu verdanken, dass sich ein gemeinsames Vokabular, eine verbesserte Kooperation der Theaterpädagogen untereinander und eine intensivere Kommunikation entwickelt haben.

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      Parallel zu Ausbildungsgängen sind auch theaterpädagogische Beratungsstellen entstanden. Bereits zu Beginn der 1970er-Jahre wurden erste theaterpädagogische Zentren, meist auf Initiative freier Theatergruppen, gegründet. Sie hatten und haben zum Ziel, Theater näher an die Schule zu rücken, die Methode Spiel stärker in den Unterricht einzubringen.

      Zu Beginn der 1980er-Jahre wuchs das Bedürfnis nach Austausch und Kooperation: 1986 trafen sich in Köln erstmals an Schulen und Theatern engagierte Theaterpädagogen und -pädagoginnen. Das Tagungsthema lautete ‹Theaterpädagogik zwischen Animation und Unterricht›. Doch schon die Einstiegsrunde zu den Tätigkeitsfeldern der Anwesenden machte deutlich, wie breit und unpräzise die Vorstellungen und Arbeitsansätze waren: Anwesend waren Öffentlichkeitsverantwortliche an Theatern, Dramaturgen, Schauspielausbildende, Theatertheoretiker und im kirchlichen und schulischen Umfeld Tätige. Alle nannten sich Theaterpädagogen. Der Grund der Vielfalt lag mitunter auch darin, dass im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen in ganz Deutschland sogenannte ABM-Stellen an Theatern aufgebaut worden waren, deren Aufgabe sich insbesondere auf theaterpädagogische und theatervermittelnde Anliegen der Theaterhäuser bezog. Positive Folge dieser ersten Tagung war 1990 die Gründung des Berufsverbandes Theaterpädagogik BUT in Deutschland.

      Auch in der Schweiz gibt es inzwischen – nachdem sich die SADS, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel (in der Schule) Ende der 1990er-Jahre aufgelöst hatte – einen Verband, der sich mit theaterpädagogischen Fragen auseinandersetzt und das theaterpädagogische Selbstverständnis kritisch hinterfragen will. Er lanciert Weiterbildung und Forschung und fördert so ein gemeinsames Berufsverständnis. Der tps – Fachverband Theaterpädagogik Schweiz – wurde 2005 gegründet und zählt heute über 300 Mitglieder aus dem professionellen und semiprofessionellen Feld. (Weitere Informationen zu Ausbildungsgängen und Verbänden siehe auch im Folgenden.)

      ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste)

      Das heutige Departement ‹Darstellende Künste› der Zürcher Hochschule der Künste geht auf das 1937 in Zürich gegründete Bühnenstudio zurück. Es war Ausbildungsstätte etlicher Schauspielergrössen.

      1960 übernahm der damalige Leiter des Theaters am Neumarkt Zürich, Felix Rellstab, die Leitung und führte die Schule in einem umsichtigen organisatorischen und politischen Prozess in die Schauspiel-Akademie (SAZ) über, die von Stadt und Kanton Zürich mitgetragen wurde.

      1966 bezog die SAZ die Villa Tobler, ein Jugendstilhaus an der Winkelwiese in der Zürcher Altstadt mit zum Spielen verführenden Räumen und einem inspirierenden Ambiente. Rund 20 Schauspielschülerinnen und -schüler studierten pro Jahrgangsklasse.

      1971 gelang Rellstab die Gründung einer Regie-Abteilung, 1973 startete der erste Ausbildungsgang in Theaterpädagogik. Fortan arbeiteten die Studierenden der drei Abteilungen im ersten Ausbildungsjahr zusammen, ab dem zweiten Jahr kamen die fachspezifischen Aspekte und die Projekte hinzu.

      Schon bald übergab Rellstab dem Regisseur Louis Naef die Leitung der Abteilung Theaterpädagogik. Naef hatte sich einen Namen mit Laieninszenierungen und gemischten Profi-/Laieninszenierungen gemacht und den Begriff ‹Landschaftstheater› geprägt. Seine Inszenierungen im Napfgebiet oder auf dem Ballenberg waren legendär. Er war es, der die Perspektive der Theaterpädagogik vom Fokus Kinder und Jugendliche aufs Volkstheater bzw. das Erwachsenen- und Laienspiel erweiterte. Insbesondere gab Naef auch der Mundart ihren gebührenden Stellenwert.

      Mit dem Umzug in die Stallungen an der Gessnerallee 1991 übernahm Peter Danzeisen die Direktion der Schule und leitete den Fusionsprozess mit den andern Zürcher Kunsthochschulen ein: Auch die Schauspiel-Akademie musste Bologna-konform werden. Heute umfasst die Ausbildung Bachelor- und Masterstudiengänge in allen Schauspielbereichen inklusive Film, Bühnenbild oder Figurenspiel und verfügt auch über Weiterbildungsformate.

      Seit 2007 steht das Departement ‹Darstellende Künste› unter der Leitung von Hartmut Wickert, der das mittlerweile grosse Gefährt durch politische Reform- und Finanzstürme steuert. Die ZHdK ist die Adresse in der Schweiz für die professionelle Bühnenausbildung, sei es in Regie, Spiel oder Theaterpädagogik.

      www.zhdk.ch, vgl. Genossenschaft Schauspielakademie (SAZ) (1987), vgl. Nickel (2007), S. 42

      UdK (Universität der Künste, Berlin)

      Bereits in den 1970er-Jahren wurde an der PH Berlin ein Fach Schulspiel angeboten. Innerhalb von zehn Jahren wuchs die Zahl der Absolventen von 30 auf 300 pro Jahr. Zusammen mit einer erstarkenden Kinder- und Jugendtheaterszene – wie Grips oder Rote Grütze –, mit Spielwerkstätten und Lehrertheatergruppen wuchs ein starkes, engagiertes theaterpädagogisches Netz. Mit der Auflösung der PH Berlin 1980 wurde das Fach Schulspiel in die Hochschule der Künste (HdK) als eigenes Institut integriert, gleichzeitig aber auch Schulspiel als eigenes Ausbildungsangebot abgeschafft. Praxisangebote für Lehrpersonen blieben so auf Ferienkurse beschränkt.

      Es war Wolfgang Nickel, der in den folgenden Jahren unermüdlich und schliesslich erfolgreich um Akzeptanz und einen eigenen Studiengang kämpfte: 1990 begann der erste Jahrgang mit dem ‹Zusatzstudium Spiel- und Theaterpädagogik›. Ausschlaggebend für den Erfolg war unter anderem der politische Umbruch in Deutschland, der grosses Interesse und neue Studierende brachte.

      1993 übernahm Kristin Wardetzky, ehemalige Dramaturgin am Ostberliner ‹Theater der Freundschaft›, die Leitung des Studienganges. Sie brachte neue künstlerische Schwerpunkte wie das ‹Erzählen auf der Bühne› in die Ausbildung und regte erste Rezeptionsforschungen im Kindertheater an.

      Seit der Jahrtausendwende leitet Ulrike Hentschel das Institut. Selber Abgängerin des Studiengangs, geht ihre wissenschaftliche und theatrale Suche in Richtung performative Ansätze. Ihre Publikationen sind in theaterpädagogischer Hinsicht profiliert und wegweisend. www.udk-berlin.de

      sads (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel)

      Parallel zu den ersten Ausbildungsgängen in Theaterpädagogik an der SAZ kam es zur Gründung der SADS, der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für das Darstellende Spiel (einstmals noch mit dem Zusatz: ‹in der Schule›). Es war der erste lockere Zusammenschluss von Theaterpädagoginnen und Theaterpädagogen und an Schulspiel interessierten Lehrpersonen. Es wurden, zusammen mit der SAZ, Symposien und Weiterbildungen durchgeführt und 1981 erschien die erste ‹Spielpost›, die Wissenswertes, Tipps für den Unterricht, neue Strömungen thematisierte und sich für die Verbreitung theaterpädagogischen Arbeitens stark machte.

      Nach Felix Rellstab als Gründungspräsident übernahm schon bald Marcel Gubler, damals Leiter der Beratungsstelle Theaterpädagogik am Pestalozzianum in Zürich, das Präsidium. Er engagierte sich für die Sache auf politischem


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