Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


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zu lösen.

      „Ich melde mich später bei dir, wenn ich wieder in meiner Wohnung bin. Ich werde heute erneut mein Auto vollpacken und einiges mitnehmen. Mein altes Zimmer sieht aus wie nach einem Bombenangriff.“ Er lacht und ich liebe es, ihn Lachen zu sehen.

      Auch meine Welt ist wieder in Ordnung.

      Als er vom Hof braust und noch einmal hupt, winke ich ihm nach.

      In meinem Zimmer schnappe ich mir mein Handy und rufe Ellen an. Sie wollte mich doch am Nachmittag angerufen haben. Jetzt ist es schon Abend.

      Ellen meldete sich sofort. „Hallo Carolin!“

      „Hi Ellen, alles klar bei dir? Du wolltest dich doch bei mir melden.“

      Ellen klingt schuldbewusst. „Ich weiß, aber heute ist alles so blöd gelaufen. Wie ist es denn bei dir? Geht es dir gut? Ich schwör dir, hätte ich gewusst, was bei uns zu Hause abläuft, hätte ich dich nicht dagelassen. Du solltest niemals mit dem Scheißzeug in Berührung kommen. Ich könnte Erik dafür töten, dass er das zugelassen hat. Der hat nicht ein Fünkchen Verantwortungsbewusstsein“, schimpft sie.

      „Das war alles gar nicht so schlimm. Außerdem wäre ich sonst wohl nicht wieder mit Marcel zusammengekommen. Das war so ein Drogenrausch wert“, sage ich lachend.

      „Was? Ihr seid wieder zusammen?“, brüllt sie in ihr Handy und klingt völlig außer sich. „Das finde ich jetzt echt gut.“

      Mir ist nicht klar, warum sie sich darüber so freut. Irgendwie irritiert mich das.

      Aber Ellen fügt sofort hinzu. „Dass der, ohne zu fragen warum und weshalb, sofort angerast kam, fand ich voll lieb. Wer macht so etwas schon für seine Ex? Zumal wenn sie seine Ex ist, weil sie mit einem anderen gepennt hat. Und außerdem freue ich mich schon drauf, dass Erik als Ergebnis für seine Bemühungen unter die Nase zu reiben. Der wird ausflippen!“ Ellen lacht schadenfroh.

      Nun bin ich noch irritierter. „Warum sollte ihn das interessieren?“

      Einige Zeit ist es still am anderen Ende. Dann raunt Ellen: „Manoman! Bist du wirklich so schwer von Begriff?“

      „Wieso?“ Mir ist schon klar, dass Erik den letzten Abend an mir klebte. Aber das hatte bestimmt nicht viel zu bedeuten. Er wollte halt nicht verpassen, wie ich auf die Drogenkekse reagiere und glaubte, mich dann locker abschleppen zu können. Was hatte Ellen gesagt? Für ihn gibt es nur einmal und dann schießt er alle wieder in den Wind. Er will nur Sex und sonst nichts.

      Ellen raunt leise und verunsichert: „Du hättest den sehen sollen, als ich hinter dir die Tür zugeschlossen habe. Der ist völlig ausgeflippt! Erst dachte ich ja, es wäre, weil ich ihm sein Spielzeug weggenommen habe. Aber er wollte genau wissen, wieso du doch gegangen bist, statt bei uns zu schlafen. Er war voll geknickt. Und ich habe ihm reingedrückt, dass ich deinen Ex angerufen habe, damit er dich aus seinen Klauen befreit. Ich dachte, der bringt mich um, so wütend war er. Ich habe keine Ahnung, was ihr alles gemacht habt, aber er ist richtig abgedreht. So kenne ich den gar nicht.“

      Entrüstet fauche ich: „Wir haben gar nichts gemacht! Überhaupt nichts! Mal getanzt, weil er das wollte. Aber sonst …“

      Ellen scheint zu überlegen. „Wie kam es eigentlich, dass du bei der Bande gelandet bist? Du solltest doch in meinem Zimmer bleiben.“

      Ich fühle mich genötigt, mich auch dahingehend zu verteidigen. „Nachdem du weg warst, kam Erik in dein Zimmer und fragte mich, ob ich nicht mit zu ihnen kommen wolle. Das wollte ich natürlich nicht und habe ihm gesagt, dass ich lieber den Film zu Ende sehen möchte …“

      „Das wollte er aber nicht“, unterbricht mich Ellen besserwisserisch.

      „Doch, das war für ihn völlig in Ordnung“, antworte ich ihr und füge hinzu: „Er wollte daraufhin den Film mit mir zusammen weiterschauen. Das wollte ich wiederrum nicht, weil ich nicht gerne mit deinem Bruder allein in deinem Bett liegen wollte. Sorry, dass ich das sage, aber manchmal ist er mir etwas unheimlich. Er war zwar total nett, so nicht, aber ich wollte halt nicht in deinem Zimmer mit ihm allein sein.“

      Einen Augenblick ist es still in der Leitung. Leise raunt sie: „Das verstehe ich. Jetzt weiß ich auch, wieso du diesen seltsamen Trupp von zusammengewürfelten Leuten auf dich genommen hast. Oh Mann! Du Arme! Und ich habe dich da voll hängen lassen.“

      Das Thema endlich abhakend, frage ich nach Jasmin und Tina.

      „Hör bloß auf! Jasmin ist voll sauer auf mich, weil ich sie ins Krankenhaus gebracht habe. Sie hat jetzt voll die Probleme wegen ihrem Drogenkonsum. Und Tina ist noch nicht wieder aufgetaucht, wurde aber heute Morgen schon gesehen. Ich weiß nicht, vielleicht habe ich gestern einfach auch nur völlig überreagiert, als Daniel das mit dem schlechten Speed erzählte, das im Umlauf ist und dass Katrin ihn anrief, weil es Jasmin so schlecht ging und Tina voll zugedröhnt abgehauen ist. Aber seit das mit Alex war …“

      „Ellen, das ist doch logisch! Ich weiß gar nicht, wie du das überhaupt überstehen konntest“, sage ich, mich daran erinnernd, wie es mir nur damit ging von Marcel getrennt zu sein, ohne dass ihm etwas passiert war. Sollte ihm wirklich etwas zustoßen … poor, das will ich mir nicht mal vorstellen müssen. Dann werde ich auch sterben. Auf der Stelle.

      Zum ersten Mal habe ich ansatzweise das Gefühl, Marcels Angst an dem Tag nachvollziehen zu können, als er mich aus dem Labor holte. Es muss schrecklich für ihn gewesen sein, als er dachte, ich sterbe in seinen Armen. Ich hatte das nie richtig nachvollziehen können.

      „Ich will so etwas auch nie wieder erleben müssen“, murmelt Ellen und sie tut mir schrecklich leid. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, frage ich sie nach den Hausaufgaben und ob sie die Seite Mathe schon fertig hat, die unser durchgeknallter Mathelehrer uns aufgebrummt hat.

      „Verflixt, stimmt! Das habe ich völlig vergessen“, brummt sie missmutig.

      Im Hintergrund höre ich eine Stimme.

      „Ah, Erik ist wieder da. Ich muss jetzt erst ein Hühnchen mit ihm rupfen. Der ist gestern Nacht noch abgehauen, nachdem er mir den Schlüssel weggenommen hat und du weg warst. Wir sehen uns dann morgen, okay?“

      „Ja klar! Aber es ist wirklich alles in Ordnung. Lass ihn am Leben! Ich möchte nicht, dass du dich mit ihm anlegst“, füge ich schnell hinzu.

      Ellen sagt lachend: „Du gönnst mir auch gar nichts. Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf, ihn in Grund und Boden zu stauchen.“

      So verabschieden wir uns und ich lege auf. Allein und mir etwas verlassen vorkommend, hocke ich auf meinem Sofa. Ellen hatte wirklich schon viel Schlimmes erlebt. Wenn es irgendetwas gibt, was ich für sie tun kann, dann werde ich es tun. Und wenn es nur meine Freundschaft und Schulter zum Ausweinen ist, die ich ihr anbieten kann. Ich mag Ellen echt gerne.

      Mich an meinen Schreibtisch setzend, hole ich meine Schulsachen aus der Tasche und mache mich an meine Hausaufgaben. Die Schule ist total schwer. Da kommt man gar nicht durch, ohne zu lernen.

      Es klopft an meiner Tür und meine Mutter schaut herein. „Hallo, bist du allein?“

      „Ja, sieht wohl so aus“, brumme ich, weil ich gerade keine Lust auf ein Gespräch mit ihr habe.

      Sie kommt ins Zimmer und fragt vorsichtig: „Marcel … ist er wieder da? Habt ihr euch wieder zusammengerauft?“

      „Haben wir. Er hatte doch keine andere. Das war nur von einem Mädel so hingestellt worden, weil sie sauer war, dass er mit mir zusammen sein will. Es ist alles wieder in Ordnung.“

      „Schön, das zu hören. Ich mag den Jungen.“ Meine Mutter grinst zufrieden. „Vielleicht bist du dann auch nicht mehr so viel unterwegs.“

      Was soll ich sagen?

      „Marcel hat jetzt eine eigene Wohnung in Bramsche. Ich denke, ich werde doch ganz viel weg sein.“

      Sofort ändert sich Mamas Laune. „Ach so! In Bramsche!“

      „Joup, bei seinem Großonkel


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