Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


Скачать книгу
Harun Ar Sabah verschwand. Es ging ihm durch den Kopf, welche furchtbare Macht dem großen Übel schon jetzt innewohnte. Zu was ES fähig sein mochte, sobald er soweit wäre die Welt der Lebenden zu betreten, ließ Vitras erschauern.

      Der Kriegszauberer stieg in den Sattel und klopfte Audris noch einmal zärtlich den Nacken:

      „Nun denn meine Schöne, dann lass uns mal sehen wozu wir zwei in der Lage sind.“

      Audris antwortete ihm mit einem lauten, freudigen wiehern. Vitras drückte mit seinen Beinen sachte gegen die Flanken des Tieres und Audris verstand sofort. Pfeilschnell schoss es den Pfad hinunter. Von den Doronischen Wäldern bis zur Hauptstadt des Darkanischen Reiches, benötigte man normalerweise mehrere Wochen. Doch Audris war kein normales Pferd. Hindernisse, schien die Stute überhaupt nicht wahrzunehmen. Das Pferd sprang mit einer Leichtigkeit, über umgestürzte Bäume, kleinere Flüsse oder sonstigen Barrieren. Viel schneller als erwartet, erreichten sie die ersten besser ausgebauten Handelsstraßen. Im halsbrecherischen Tempo galoppierte die Stute weiter. Als ob sie auf diesem Untergrund erst recht in ihrem Element war. Vitras war plötzlich äußerst zuversichtlich, dass sie ihr Ziel weitaus früher erreichen würden, als er es zu Beginn noch für möglich gehalten hätte.

      1.5. Godvere Garien

      Der Thronsaal der Darkanischen Herrscher, war eine reine Zurschaustellung purer Macht, was in erster Linie dazu dienen sollte, Gesandten anderer Nationen und Königreichen, die pure Überlegenheit des Darkanischen Reiches vor Augen zu führen. Der gewaltige Saal war ganz bewusst äußerst düster gehalten und vermittelte somit jedem Besucher ein beklemmendes Gefühl. Vier Reihen von Säulen, aus schwarzem Tygischem Marmor, bildeten eine Phalanx, vom Thron bis hin zur gegenüberliegenden riesigen Doppeltür aus massivem Eichenholz. In den Wänden links und rechts vom Thron, waren mannshohe Nischen eingelassen, in denen jeweils eine Person Platz hatte. Zu jeder Tag und Nachtzeit, waren diese Nischen mit Soldaten der gefürchtetsten Eliteeinheit der Darkanischen Armee besetzt – den Blutwölfen. Jeder dieser Männer hatte einen heiligen Eid auf den Herrscher geschworen. Sie alle waren bereit, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, für Godvere Garien in den Tod zu gehen. Die langen schwarz gefärbten Fellumhänge, sowie ihre aus Wolfsköpfen gefertigten Helme, verliehen ihnen ein finsteres, bedrohliches Aussehen. Über den Nischen, von denen sich auf jeder Längsseite fünfundzwanzig befanden, hingen wie Trophäen die Flaggen der besiegten Königreiche, welche nun dem Darkanischen Reich eingegliedert waren. Der Fußboden des gewaltigen Raumes bestand komplett aus schwarzem Granit. Rund um den gesamten Saal befanden sich zwei Galerien, wobei die oberste selbst bei Empfängen, niemals geöffnet wurde. Auf ihr hielten die besten Armbrustschützen des Reiches ein wachsames Auge auf ihren Herrscher.

      Godvere Garien, stieg langsam die marmornen Stufen, die zum höher platzierten Thron führten, hinab. Er trug einen dunkelblauen samtenen Mantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Ein schwerer schwarzer, aber schlichter Gürtel hielt ihn um die Hüften herum verschlossen. An seinem Gürtel hingen sein Schwert sowie mehrere Dolche in ebenfalls einfachen Scheiden. Der Herrscher hielt nichts von überzogenem Prunk. Anstatt einer Krone, trugen die Darkanischen Herrscher eine Goldene Tiara die an der Stirn mit einem Wolfskopf verziert war. Dem Wappensymbol Darkans. Bedrohlich ging er auf den jungen Hauptmann zu, der den Oberbefehl über die Wärter des Kerkerkomplexes innehatte, blieb dann aber am gewaltigen Arbeitstisch, der sich links vom Thron befand stehen. Godvere starrte auf all die Pergamentrollen und endlos scheinenden Stapel von Papieren, die sich auf dem Tisch türmten. Völlig unerwartet schlug er plötzlich mit seiner flachen Hand so kräftig auf den Tisch, dass die umstehenden Schreiber ängstlich zusammenzuckten oder zur Seite sprangen.

      „Sie ist verschwunden!“ brüllte der Herrscher den Hauptmann dermaßen wütend an, dass diesem augenblicklich die Schweißperlen von der Stirn liefen.

      „Ich... ich!“ Der Hauptmann brachte vor Angst kein weiteres Wort über die Lippen.

      „Und...“ Godvere machte eine kurze Pause woraufhin seine Stimme gefährlich leise klang:

      „Nur das ich das richtig verstehe. Ein seit über dreihundert Jahren toter Herrscher ist in seiner Zelle wieder zum Leben erwacht und hatte nichts Wichtigeres im Sinn, als diese Hexe aus dem Verlies zu befreien?“

      „Die... die Suchmannschaften sind bis in die untersten Bereiche vorgestoßen, Herr. Bis in die Zelle von Dormus dem Schrecklichen.“ Versuchte der Hauptmann sich zu verteidigen: „Dormus hat die Fackeln seiner Zelle entzündet,“ fügte er noch verschwörerisch hinzu. Godvere konnte nicht glauben was er da hörte und verdrehte beinahe fassungslos die Augen:

      „Vollidiot!“ Brüllte er mit seiner kräftigen Stimme dermaßen laut, dass die Schreiber erneut zusammenzuckten:

      „Habe ich es hier eigentlich nur mit Versagern zu tun?“

      Blitzschnell und mit unglaublicher Geschicklichkeit, zog er einen seiner Dolche und warf ihn in Richtung des Hauptmannes, wobei er auf dessen Kehle zielte. Die Waffe fand ihr Ziel wobei der Offizier nur noch in der Lage war, entsetzt die Augen aufzureißen, bevor er tot zu Boden ging.

      „Schafft mir diesen Müll aus den Augen!“ Fuhr er zwei Diener an, die sich in unmittelbarer Nähe befanden. Sofort eilte ein halbes Dutzend Bediensteter herbei, um den Leichnam aus der Halle zu schaffen. Andere machten sich sofort daran, das Blut vom Boden zu wischen. Lord Reichel, der sich ebenfalls im Thronsaal befand, freute sich insgeheim diebisch über die neueste Entwicklung der Dinge. Dadurch, dass die Mutter der Zwillinge fliehen konnte, ergaben sich ganz neue Möglichkeiten für ihn.

      „Eure Exzellenz,“ begann er mit seiner krächzenden Stimme: „Es kann einfach kein Zufall sein, dass die Hexe, wenn ich sie so nennen darf, so kurz nach der Entführung der Kinder die Flucht ergriffen hat. Auf welche Art und Weise ihr das auch immer gelungen sein mag.“

      Godveres Augen blitzten den Minister zornig an, worauf dieser sofort einen Diener machte, zwei Schritte zurückging, um sich sofort wieder zu verbeugen.

      „Wollt ihr etwa andeuten, dass ihr ebenfalls an diesen Schwachsinn, an dieses Ammenmärchen von... wie heißt der Kerl noch gleich?“

      „Dormus mein Herr. Man nannte ihn nur Dormus den Schrecklichen!“ Dann begann Lord Reichel zu kichern: „Selbstverständlich ist das nur ein Ammenmärchen eure Exzellenz. Aber Fakt ist, dass diese Frau entkommen konnte, das bedeutet, sie musste Helfer haben.“ Reichel wartete einen kurzen Moment ab um zu ermessen wie der Herrscher reagieren würde. Der machte jedoch nur eine Geste, die dem Minister bedeutete weiterzusprechen:

      „Da die Mutter eurer Kinder zweifelsohne die Magie zu handhaben weiß und Helfer hat, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sie selbst hinter der Entführung steckt. Sie hat euch selbst einst gesagt, dass sie mit den Zwillingen in den Schwarzen Wald zurückkehren will.

      Godvere Garien ließ sich die Worte des Ministers durch den Kopf gehen. Er verabscheute diesen Mann, aber er war ein fähiger Politiker und seine Worte ergaben durchaus Sinn.

      „Was schlagt ihr also vor Lord Reichel?“

      „Wir sollten zunächst die Wärter, die gestern Dienst hatten, erneut befragen. Peinlichst genau befragen. Wir können uns nicht auf die Aussagen von dem da verlassen.“ Dabei zeigte der Minister zu dem toten Hauptmann, der gerade aus dem Saal getragen wurde.

      „Gut Reichel, wenn ihr euch davon etwas versprecht. Ich habe das Versagen aller hier, auf ganzer Linie, gründlich satt. Ich beauftrage euch hiermit mit der Untersuchung der Flucht. Am wichtigsten jedoch...“ Drohend ging der Herrscher auf Reichel zu und packte ihn am Kragen:

      „Bringt mir meine Kinder zurück, oder ich werde einen neuen Minister benötigen.“

      Darauf ließ er ihn los, drehte sich um und schritt wieder zu dem Arbeitstisch mit all den Papieren zurück.

      „Selbstverständlich eure Exzellenz! Selbstverständlich.“ Antwortete Reichel während er sich rückwärtsgehend vom Herrscher entfernte, und sich dabei mehrmals verbeugte: „Eine Frage wäre da noch zu klären eure Exzellenz!“

      „Die


Скачать книгу