Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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Begegnungen

      Während die Dämmerung schleichend einsetze, erreichte Vitras die Hauptstadt des Darkanischen Reiches. Das strahlende Leuchten der Sonne wich mehr und mehr einem dunklen satten Orange, welches Darkan und seine Umgebung in ein atemberaubendes Licht tauchte. Die Reise hatte mehrere Tage gedauert, dennoch war er sich sicher, dass außer den Göttern, niemand zuvor diese Wegstrecke schneller zurückgelegt hatte. Der Kriegszauberer lenkte Audris, die kaum Ermüdungserscheinungen zeigte, eine Hügelkette empor, welche einen grandiosen Ausblick über die Stadt offenbarte. Vitras ließ seinen Blick über Darkan schweifen und konnte, wie schon vor etlichen Jahren, nur staunen.

      Die Befestigungsanlagen waren wahrhaftig gigantisch. Der erste Wall, der die Stadt umgab, war schräg angesetzt und stieg erst ab seiner Mitte steil empor. Ein ganzes Stück hinter dem Wall, erhob sich eine weitere Mauer, die wesentlich höher war als die erste. Wenn es einer feindlichen Armee tatsächlich gelingen sollte, die erste Mauer zu nehmen, wären dessen Soldaten einem tödlichen Hagel der Bogenschützen der zweiten Mauer ausgesetzt, ohne die geringste Deckung zu haben. Hinzu kamen die gewaltigen Wehrtürme, die in regelmäßigen Abständen im hinteren Wall eingefügt waren. Die Wehrgänge auf beiden Wällen, waren immer wieder von breiteren Plattformen unterbrochen, auf denen mächtige Katapulte standen. Ähnlich wie in Kushtur, befand sich der Palast des Herrschers ziemlich mittig in der Stadt. Anders als der Palast der Magier, war der Palast des Herrschers jedoch auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel errichtet worden. Dafür war er von nahezu unüberwindbaren Befestigungsanlagen umgeben.

      Während Vitras die Hügelkette wieder hinab ritt, sann er darüber nach, durch welches der drei großen Tore er Darkan betreten sollte. Vitras verließ den schmalen Weg, der die Hügelkette hinunterführte und fand schnell das kleine Wäldchen, welches vielleicht zwei Meilen vor der Stadt lag und dass er mit vielen Erinnerungen verband. Er stieg vom Pferd und führte Audris bis zu einem kleinen Bach. Dies war der perfekte Ort, wo Audris grasen und sich ausruhen konnte. Es widerstrebte den Kriegszauberer, das edle Tier mit in die Stadt zu nehmen um es dort in die Obhut irgendeines Stallburschen zu geben. Zumal er das Gefühl hatte, Darkan nicht auf die Weise verlassen zu können, wie er es betreten würde. Auch Filou, wäre hier wesentlich besser aufgehoben. Es stellte nie ein Problem dar, den Nager alleine zu lassen, solange er einen Bezugspunkt hatte. Bisher war dies stets seine inzwischen zerstörte Hütte in den Doronischen Wäldern, einmal aber auch Hegren und ihr Vater in Dormal gewesen. Nun hoffte Vitras, dass Filou sich an Audris halten würde und hatte keinen Zweifel mehr daran, als er das Frettchen aus der Satteltasche ließ. Als ob Filou seinen Herrn verstand, kletterte er auf den Sattel den Vitras unter eine große Eiche gelegt hatte und blickte sich neugierig um.

      Vitras packte jetzt die andere Satteltasche aus und kleidete sich um. Neben der Robe der Kriegszauberer hatte Mirna ihn mit komplett neuer Kleidung versorgt. Eine Hose die extrem leicht aber dennoch warm und robust erschien. Schwarze Stiefel aus einem Material das er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie passten wie angegossen und Vitras bekam den Verdacht, dass sie unverwüstlich waren. Ein mit feinsten Kettengliedern gefüttertes Leinenhemd sowie ein breiter schwarzer Gürtel. Zum Schluss streifte sich Vitras die Robe über und legte den Gürtel an. Dann nahm er das Stirnband mit dem magischen Rubin aus der Schachtel und streifte es sich über seinen kahlen Schädel. Nach einem kurzen Schnippen seiner Finger entrollte sich die Sattelpacktasche und die Zwillingsschwerter von Asylya schwebten samt dem Schwert Gehänge zu ihm herüber. Er legte sich die Riemen um und trug nun beide Schwerter auf dem Rücken. Noch einmal ging er zu Audris und streichelte den Nacken der edlen Stute. Während ihrer Reise hatte Vitras festgestellt, das Audris ihn verstehen konnte. Er konnte sich zunächst nicht erklären, wie das möglich war, aber Audris war weit davon entfernt ein normales Pferd zu sein.

      „Warte hier auf mich und achte gut auf Filou!“ Flüsterte er dem Tier ins Ohr: „Wenn du Menschen witterst versteckt euch im Wald!“ Als ob das Pferd ihn verstand, wieherte es kurz auf und drückte seine Stirn beinahe zärtlich gegen die Brust des Kriegszauberers. Vitras lächelte kurz, drehte sich um und marschierte auf die Stadt zu. Er hatte sich entschieden, Darkan durch das Südtor zu betreten, da hier stets der größte Betrieb herrschte und er somit hoffte, dort am wenigsten aufzufallen. Die Luft um den Kriegszauberer begann kurz zu flimmern und er veränderte seine Gestalt. Anstatt des furchterregenden Kämpfers sah er nun wie ein verhärmter Bauer aus, dessen zerrissener grauer Umhang kaum genug Wärme für die kommende Nacht versprach.

      Am Südtor herrschte ständig reges Treiben. Ganze Handelskarawanen aber auch einzelne Händler mit ihren Karren, Bauern die ihre Waren von den umliegenden Gehöften zu den Markthäusern schafften, sowie Gaukler, Wanderer, Priester und allerlei zwielichtige Gestalten, die nicht selten von den Wachen aufgegriffen wurden, strömten in die Stadt herein als auch heraus. Die Wachmannschaft würdigte ihn kaum eines Blickes. Vom Tor des ersten Walls führte eine breite gepflasterte Straße zum Tor des zweiten Walls. Die Straße war links und rechts von einer vier Fuß hohen Mauer eingebettet, auf der ebenfalls Soldaten patrouillierten. Beim zweiten Tor angekommen, wurde Vitras von den Wachen überhaupt nicht mehr beachtet.

      Zielstrebig hielt der Kriegszauberer auf das Hafenviertel Darkans zu. Die Stadt wurde an einer der breitesten Stelle des Doran errichtet. Der mächtige Fluss mündete im Ulrunischen Meer. Daher machte es für die Erbauer Darkans durchaus Sinn, die Stadt mit einer Hafenanlage zu versehen.

      Obwohl der Herrscher dafür bekannt war, nicht viel auf Magie zu geben, musste Vitras davon ausgehen, dass es magische Vorkehrungen und Schutzzauber gab, falls jemand versuchen sollte, mit Hilfe von Magie in den Herrscherpalast einzudringen. Mit Hilfe eines Diebes, eines ganz bestimmten Diebes, so der Plan des Kriegszauberers sollte es jedoch gelingen, auch ohne Magie in den Palast einzudringen. Als Vitras im Hafenviertel ankam, veränderte sich das prachtvolle Darkan schlagartig. Die breit ausgelegten Straßen wichen engen Gassen. Die großenteils prunkvollen Gebäude sowie die wunderschönen Fachwerkshäuser wichen heruntergekommenen Gebäuden und Baracken. Ein fauliger Geruch hing in der Luft, der dem großen Fluss geschuldet war, wenn er Tiefwasser führte. Die Straßenlaternen wurden nur hier und da entzündet, da die Leuchtmacher sich nicht trauten, viele der engen Gassen zu betreten. Selbst die Wachmannschaften die hier ihren Dienst taten, um die öffentliche Ordnung zu bewahren, wirkten wenig vertrauensvoll auf Vitras. Viel zu oft hielten sie ihre Hände auf, um anschließend wegzuschauen. Ganz gleich ob eine Leiche im Doran versenkt oder auch nur Diebesgut illegal in einem der vielen Schuppen gelagert wurde. Vitras blieb stehen und betrachtete die Taverne, Zur Lachenden Meerjungfrau, nach der er gesucht hatte. Die Huren vor dem Gebäude würdigten ihn genauso wenig irgendeines Blickes, wie die Wachen am Südtor. Trotzdem betrat der Kriegszauberer die Spelunke mit äußerster Wachsamkeit. Der Gestank, der ihm beim Eintreten entgegenschlug, ließ ihn zunächst schwer atmen. Das übelste Gesindel, das man sich in dieser Gegend vorstellen konnte, traf sich hier, um seinen zwielichtigen Geschäften nachzugehen. Die Taverne galt zudem als heimliches Hauptquartier der Diebesgilde von Darkan. Vitras war auf der Suche nach Alteres Delvoran, ein Meisterdieb der seines gleichen suchte. In der Spelunke herrschte reges Treiben. Betrunkene, die nicht mehr wussten wer oder wo sie waren, lagen auf dem Boden, und Vitras musste über sie hinweg steigen. Mehrmals konnte er sich gerade noch unauffällig ducken, um Wurfgeschossen in Flaschenform, die nicht ihm galten, auszuweichen. Eine füllige Frau mit entblößtem Oberkörper stolperte ihm in den Weg und bedachte Vitras mit einem abfälligen Blick. Sein Zauber tat seinen Dienst. Mühsam kämpfte er sich zur Theke durch und wartete geduldig bis den Wirt ihm einen fragenden Blick zuwarf. Der Mann war gerade dabei, einem schlaksigen Jungen, den Vitras auf vielleicht acht Jahre schätzte, kräftig durchzuschütteln.

      „Was willst du – Bauer?“ Brüllte der Wirt von dem Vitras wusste, dass er ein wichtiger Hehler war, den Kriegszauberer an. Dabei verpasste der überaus kräftige Kerl, der von allen nur der Grobe Johann genannt wurde, dem Jungen eine Ohrfeige, dass diesem die Tränen über die Wangen liefen. In Vitras kochte die Wut hoch, aber er beschloss ruhig zu bleiben:

      „Ich suche Alteres Delvoron. Ich hörte, dass man ihn hier finden kann.“

      Der grobe Johann ließ von dem Jungen ab und bedachte Vitras mit einem Blick, als ob er einen Schwachsinnigen vor sich hätte. Vitras bemerkte, dass der Junge ihn mit dem gleichen Blick bedachte.

      „Bist du


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