Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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      Alle drei schienen, als stünden sie einem hungrigen Löwen gegenüber. Stumm knurrte ich sie an und stürmte in das Zimmer, in dem ich vorhin mit Chain aufgewacht war.

      Der Griff glitt kalt an meiner Hand entlang, als ich die Tür hinter mir zuschlug. Das Holz knarrte und sprang natürlich sofort wieder wegen dieser bescheuerten Kette auf! Emotional geladen verpasste ich der Tür einen weiteren Tritt und warf mich mit dem Rücken dagegen. Drückte so fest zu, dass mein Rücken ächzte, und schloss sie mit Gewalt, obwohl dabei der hölzerne Rahmen rund um die Ketten splitterte. Zitternd rutschte ich hinab, blieb am Boden sitzen und schlang die Arme um die Knie. Mein Atem ging viel zu schnell. Viel zu hektisch. Die Worte drehten sich in meinem Kopf, den ich nun kräftig gegen das Holz schlug.

       Warum?

      Noch mal.

      Der Knall und der darauffolgende Schmerz taten erstaunlich gut. Ein emotionaler Selbstverstümmler war ich eigentlich nicht. Himmel! Ich heulte ja schon, wenn ich mich beim Rasieren schnitt, aber das hier war aktuell das Einzige, das mich davon abhielt, ins Gaga-Land abzudriften. Ich wollte nicht mehr! Ich kündigte! Die Welt konnte mich mal am Allerwertesten lecken.

      »Warrior?«

      Es klopfte zaghaft und ich konnte drei Götter durch den Türschlitz atmen hören. Als Erwiderung knallte ich den Ellenbogen dagegen. Es rumste. Sailor quietschte, während Chain sich räusperte. »Komm raus, Liebes. Wir … also, das ist jetzt alles viel dramatischer, als es in Wirklichkeit ist. Komm raus und wir reden über alles.«

      Ach? Und über was wollten sie reden? Darüber, warum sie mir einen Gefallen getan hatten, als sie mich gekidnappt hatten? Oder warum sie mich überhaupt mitgenommen hatten wie ein Last-Minute-Angebot, womit sie unseren Plan, die Götter zu stürzen, noch schwieriger gemacht hatten? Oder darüber, warum die Welt mir offensichtlich gerne auf den Kopf schiss und sich dabei köstlich amüsierte?

      Meine Gedanken drehten sich. Das Licht im Raum ging hektisch an und aus. Tauchte den Raum mal in grelles Licht, mal in dunkle Schatten. Ich sah rot. Sprichwörtlich. Irgendetwas in mir machte ping. Etwas veränderte mich. Nicht körperlich, aber in mir war ein ohnehin brüchiger Bogen überspannt worden und riss. Die Göttin in mir wurde wach. Wühlte sich durch Dunkelheit, Schmerz und Wut. Ballte sich in mir zusammen und platzte wie eine überreife Frucht aus meiner Haut heraus. Die Flügel schossen aus meinem Rücken und rauschten um meinen Körper, als ich auf die Füße sprang und meiner Wut freien Lauf ließ.

      Der Boden grollte. Die Glühbirne über mir brannte durch und zersprang in klirrende Einzelteile, die auf meinen Kopf hinabregneten. Meine Füße pulsierten im Takt meines Herzschlages, der Wellen aus Energie freiließ. Ich konnte die anderen hinter mir erschrocken aufschreien hören. Chains Klopfen wurde hektischer und ging in einem lauten Splittern unter, als sich meine Magie wie ein tollwütiger Hund von der Leine riss. Die geballte Entladung traf die Tür und zersprengte sie. Grimmig schaute ich auf einen verdutzten Chain hinab, der den losen Knauf in der Hand hielt. Die anderen schielten ängstlich zu mir hoch. Das O Scheiße stand ihnen praktisch ins Gesicht geschrieben.

      Ich breitete meine Flügel aus. Die Muskeln an meinen Schultern schmerzten dabei vor Anspannung. Sie raschelten und erfüllten den Raum mit grellem Weiß, während der Boden immer heftiger unter meinem Nervenzusammenbruch bebte.

      Jetzt hatten sie einen Grund zu schreien.

      Ein Schauder schüttelte mich, als meine Magie in einer aggressiven Welle durch den Raum schnellte. Ich traf das Bett, das in einer Kaskade aus Federn und Stoff explodierte. Der nächste Ruck zertrümmerte das elektronische Equipment, das im Raum herumstand.

      »Nein!«, hörte ich Chain kreischen, doch da sprühte der Schrott bereits Funken und stank nach verbranntem Plastik. Kabel ragten heraus und spiegelten meine aktuelle Gefühlswelt treffend wider. Langsam drehte ich mich um und fixierte die Götter mit einem Raubtierblick.

      Alle starrten mich an. Ich trat einen Schritt vor. Sprünge zogen sich erst durch das Holz des Bodens, dann durch das Graffiti im Flur.

      Ich würde jetzt gehen und diesem ganzen Theater ein Ende bereiten. Selbst wenn ich Chain dabei die ganze Zeit hinter mir her schleifen musste … oder … Ich schaute zu dem Bruchstück, das aus dem Haufen Elektroschrott herausragte. Scharf und dünn wie das Blatt einer Guillotine. Ein Plan formte sich in meinem Kopf und obwohl ein Teil von mir panisch zu kreischen begann, grinste die Göttin in mir zufrieden. Meine Hand war zart, die Finger lang und dünn. Trotzdem saßen die Handschellen eine Spur zu fest, um mich herauswinden zu können. Aber ohne Daumen …

      Ich preschte nach vorn und zog das Metallteil aus dem Elektrohaufen. Das scharfe Eisen drang wie ein heißes Messer durch Butter in meine weichen Fingerkuppen ein. Perfekt. Entschlossen hob ich die gefesselte Hand.

      Chain und die anderen schienen unterdessen zu begreifen, was ich vorhatte. Sie schrien. Chain stürzte in meine Richtung, doch ich wich zurück, schlug ihm meine Flügel ins Gesicht und holte mit dem scharfen Ende aus. Ohne zu zögern, ließ ich es auf mein Handgelenk hinunterfahren.

      »Nicht! Hör auf!«

      Ein Körper traf mich und riss mich hart zu Boden. Ich knallte mit den Rücken auf und rutschte auf das Eisenblatt. Anstatt meinen Daumen zu treffen, erwischte ich meinen Unterarm. Es ging erstaunlich schnell. Ich spürte eine sirrende Kälte. Im nächsten Moment hörte ich die Ketten, als diese samt meiner Hand abfielen. Silbernes Blut sprudelte aus dem Stumpf. Das Fleisch war so glatt zerteilt, dass ich die Knochen von Elle und Speiche sehen konnte.

      »O Himmel, wie eklig!«, stöhnte jemand über mir.

      Alle hatten innegehalten. Wie paralysiert guckten sie auf meine Extremität.

      Sie zuckte auf makabre Art, erinnerte an den Schwanz einer Eidechse. Das war meine Chance. Ich zog die Beine an und trat Age, der mir am nächsten stand, in den Bauch. Er ächzte, krümmte sich und fiel nach hinten. Blitzschnell war ich auf den Füßen und rannte zu Tür.

      Frei! Keine Ketten. Nichts, was mich festhielt.

      Diese Gewissheit, so ekelhaft sie auch erkauft worden war, ließ mich schneller laufen. Meine Füße klatschten auf den kalten Beton. Schneller als jemals zuvor. Meine Flügel schlugen aus. Ich hetzte durch den Gang, immer geradeaus. Dabei hinterließ ich einen steten Strom aus silbernem Blut, das mein pumpendes Herz aus dem Stumpf presste. Die innere Warrior war soeben in Ohnmacht gefallen und würgte. Die Göttin jedoch schüttelte genervt den Stumpf aus und bespritzte dabei die Wände. Die Hand würde ohnehin nachwachsen. Hoffentlich.

      Als die Röhre sich verzweigte, stürzte ich auf gut Glück in den linken Gang, während hinter mir die Schritte lauter wurden. Wäre ja zu schön gewesen, wenn sie stattdessen länger auf meine Hand gestarrt hätten.

      Schlitternd bog ich nach rechts ab, wo ein Rinnsal Wasser auftauchte. Wahrscheinlich riss ich mir bei dieser Hetzjagd sämtliches Fleisch von den Fersen, doch es gab kein Halten mehr. Wenn ich stehen blieb, würden sie mich einfangen. Etwas, das ich nicht zulassen konnte. Nie mehr. Der Wasserpegel stieg. Inzwischen reichte es mir bis zu den Knien und war so kalt, dass meine Waden krampften, während ich in ungebrochener Geschwindigkeit hindurchpflügte. Meine Flügel hoben sich, zogen sich in den Rücken zurück, weil sie mir durch die Nässe zu schwer wurden.

      Mein eigener Atem hallte rasselnd an den runden Wänden vorbei. Mein Blick huschte durch die Dunkelheit. Nahm jeden Schatten wahr. Die Silhouetten der Götter in meinem Rücken. Es kam mir vor, als würden sie in eine falsche Röhre abbiegen. Kurz atmete ich auf. Stürmte ein wenig langsamer in den nächsten Gang hinein und hörte Wasser aufspritzen. Mein Kopf schoss nach links.

      Chain. Sie holten mich ein. Lautlos fluchend schlug ich einen Haken. Rutschte am schmierigen Untergrund aus und stützte mich mit dem blutigen Stumpf an der körnigen Wand ab. Mein Haar fiel mir triefend ins Gesicht. Ich schüttelte es zur Seite, rannte nach rechts und knallte unvermittelt gegen ein Gitter, das den Durchgang versperrte.

      Verdammt! Verdammt! Verdammt! Ich biss die Zähne zusammen. Die anderen waren so knapp hinter mir.


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