Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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du noch normal essen, Warrior?« Ash stellte die Kanne neben mir ab, damit ich mich bedienen konnte, wenn ich wollte. Ich bemühte mich, die Geste nicht nett zu finden, und scheiterte. Dann legte ich den Kopf schief, leckte mir den Ambrosiabart von der Oberlippe und nickte zögerlich. Mit Daumen und Zeigefinger deutete ich ein bisschen noch an.

      »Sailor, bringst du das Zeug?«, rief Ash seinem Bruder zu. Als Antwort flog mir eine Schachtel in den Schoß. Keuchend fing ich sie auf. Das waren Twinkies! Ich presste die Kuchen mit Marshmallowfüllung so innig an mich wie Sméagol seinen Ring.

      Ash lachte. »Iss nur. Sie gehören alle dir!«

      Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Glücklich riss ich die Schachtel auf, holte eines der langen Küchlein aus der Verpackung und stopfte es mir in den Mund. Meine Backen füllten sich mit herrlichem, klebrigen Teig. Die Creme explodierte in meinem Mund und ich stöhnte in meinen Kuchenorgasmus hinein, wobei ich vermutlich wie der glücklichste Hamster aller Zeiten aussah. Alle starrten mich mit der Faszination eines Autounfalls an, während ich einen Kuchen nach dem anderen inhalierte.

      »Scheiße! Kaust du überhaupt?«, fragte Sailor nach dem fünften Stück.

      Ich schob Nummer sechs hinterher.

      »Wie eine Anakonda!«, gluckste Ash.

      »Das gibt Deep Throat eine ganz neue Bedeutung«, säuselte Sailor anzüglich.

      Ich zeigte ihm den Mittelfinger, während mir etwas Creme aus dem Mundwinkel rann. Virus – oder auch Chain – blieb stumm und sah mir mit wachsender Verwirrung zu, wie ich Twinkie acht in meinem Mund verkuchisierte. Zum ersten Mal seit gefühlten fünf Minuten schnappte ich nach Luft.

      »Du solltest mehr kauen, sonst bekommst du Bauchschmerzen«, stellte Ash streng fest.

      »Oder in einem Foodporno auftreten«, meinte Sailor.

      Ich warf die leere Verpackung nach ihm.

      »Ich versteh nicht …«, unterbrach Virus-Chain unser Geplänkel. Eine grüne Strähne fiel ihm in die Stirn. »Das ist … du bist Warrior? Peace’ Gefährtin?«

      Widerstrebend nickte ich. Entführte er so oft Frauen, dass er sie nicht mehr auseinanderhalten konnte?

      »Ja, das ist Warrior«, bestätigte Ash freundlich. »Virus hat sie gestern zu uns gebracht.«

      Ich hielt im Kauen inne und legte den Kopf zur Seite. Hä?

      Virus-Chain presste die Lippen zusammen. Er musterte mich. »Dann hat er es also wirklich getan?«

      Ash nickte schwach. »Sieht so aus.«

      »Und diese Ketten sind …«, murmelte Chain stockend und sah schaudernd auf seine Hand hinab. »Das sind die Tantalos’ Ketten? Ich habe sie nicht mehr … Ich kann mich nicht mehr so genau an sie erinnern.«

      »Es tut mir leid, Chain«, setzte Ash die Konversation fort, während ich die Bahnhöfe in meinen Ohren rauschen hören konnte.

      Auszeit! Ich verstand kein Wort.

      »Es war notwendig«, redete der blonde Gott weiter auf den grünhaarigen ein. »Wir hätten es nicht getan, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Das weißt du.«

      Virus-Chain oder auf einmal Doch-nur-Chain biss so fest die Zähne zusammen, dass die Muskeln an seinem Kinn hervortraten. Er wandte angewidert den Blick ab. »Mir wird schlecht, wenn ich sie ansehen muss.«

      Erst dachte ich, er meinte mich, doch seine Hände zerrten dabei an den Ketten.

      Seine Hände waren schön, registrierte ich irritiert. Lang und feingliedrig wie die eines Klavierspielers … eines irren Psychopathenklavierspielers. Oder einfach nur die eines Psychopathen mit einem Hang zur Handpflege.

      »Warum hat er das getan?«, stieß Chain aus. »Er hätte es vergessen sollen. Das Ganze ist viele Jahre her und das Mädchen hat es nicht verdient, hier zu sein.«

      Mit dem Mädchen war wohl ich gemeint, denn er linste unter seinen dunklen Wimpern zu mir. Es lag ein solch verletzlicher Ausdruck darin, dass sich mein mit Twinkies vollgestopfter Magen zusammenknautschte. Was sollte das?

      »Es tut mir leid, Warrior«, flüsterte er.

      »Hör auf damit, Chain«, schalt Ash ihn sanft. »Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Wir sorgen bestens für Warrior und alles wird am Ende gut werden. Virus’ Plan ist genial. Er wird funktionieren. Hat er ja schon.« Er deutete auf mich.

      »Nein, das wird er nicht. Das ist vollkommen sinnlos!«, stöhnte Chain und vergrub das Gesicht im Kissen. Plötzlich verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, zu meinem Kidnapper zu robben und ihn in die Arme zu nehmen. Er wirkte so schrecklich verloren. Wow. Ein Tag in Gefangenschaft und ich entwickelte bereits das Stockholm-Syndrom. Ich applaudierte mir gedanklich und mein innerer Psychologe wies mich freundlich in die Klapse ein. Eine weiße Weste für die Göttin, bitte.

      Ash bemerkte meine zehntausend Fragezeichen und lächelte traurig. »Verwirrt?«

      Ich nickte heftig.

      Ash seufzte und verzog gequält das Gesicht. »Das ist eine komplizierte Geschichte und ich weiß nicht, wie viel Virus möchte, dass wir dir erzählen, aber …«

      »Oh, bei den Göttern, Ash! Fass es einfach zusammen!«, schnarrte Sailor. Er fixierte mich und mich beschlich die Ahnung, dass ich gleich etwas Schlimmes hören würde. »Dann tu ich es eben. Du bist bei uns, weil dein süßer Peace verflucht in den Tartaros geworfen worden ist.«

      Okay. Das wusste ich schon.

      Sailor grinste dunkel und ich spürte die Gänsehaut auf meinem Nacken tanzen.

      »Nicht nur, dass Old Zeusi ihm die Seele genommen hat«, fuhr er fort. »Für den gewissen Kick hat er gleich dafür gesorgt, dass seine Stammlinie hier unten nicht zu mächtig wird, und schickte Peace deshalb samt Ketten runter. Die Dinger sind mit einem familiären Todesfluch besetzt, der selbst Unsterbliche töten kann. Dein süßer Schnuckiputz hat jeden, der den Namen Tantalos trägt, abgeschlachtet. Teils, weil der Fluch ihn dazu zwang. Teils, weil er verflucht, wie er war, nicht an die Spitze der Elite gelangen konnte. Chain, Virus’ Halbbruder, war der letzte direkte Verwandte mit dem Namen Tantalos. Peace köpfte ihn vor unseren Augen. Der Fluch brach damit allerdings nicht, weil Peace selbst noch am Leben war, ist … wie auch immer. Die Ketten verloren trotzdem einen Teil ihrer Wirksamkeit, sodass der Bastard sie ablegen und zum Gottvater aufsteigen konnte.«

      Mir knallten die Kinnladen herunter. Schlimmer! Mir entgleiste alles, was einem entgleisen konnte. Ich blinzelte, hob die Hände und deutete hektisch Time Out an.

      Doch Sailor redete weiter. Schonungslos und mit einem Schnurren in der Stimme, als genösse er es, mein Herz samt meinem Glauben an Peace in den Staub zu treten.

      »Jedenfalls besitzt Virus die Macht der Janus-Gesichter. Er nahm Chains sterbenden Geist in sich auf, sodass dieser in seinem Körper weiterleben konnte. Sie wechseln in regelmäßigen Abständen ihre Persönlichkeit. Sie können es nicht kontrollieren. Während der eine den Körper nutzt, schläft der andere und umgekehrt. Seitdem besteht eine Vendetta zwischen Peace und Virus und wir werden dieses kranke Arschloch von seinem Thron prügeln. Mit deiner Hilfe. Ende.«

      Stille.

      What the fuck. Extreme Stille.

      Ich starrte die Brüder an. Danach Chain, der mich unschuldig ansah, und noch während meine Gedanken Karussell fuhren, schlug mir zum ersten Mal sein Geruch in die Nase. Zimt. Er roch nach würzigem, warmen Zimt. Wie ein Plätzchen zu Weihnachten. Nicht nach Pfefferminze wie Virus. Dieser fremde Geruch eines anderen Gottes traf mich wie ein Faustschlag. Ich ächzte. Sprang auf. Die Ketten klirrten und ich starrte sie im blanken Horror an. Mit diesen Tantalosketten war Peace verflucht gewesen? Ihretwegen hatte er seine Familie ermordet. Alle? Peace hatte sie allen Ernstes getötet? Warum hatte ich davon nichts gewusst? Nicht er oder ein Einziger aus der Elite hatte mir je etwas davon erzählt oder wenigstens


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