Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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nicht aufhalten, das mir wie ein Schauer über die Haut rieselte. Die anderen beobachteten fasziniert, wie auch Virus unweigerlich auf unseren Hautkontakt reagierte. Beide glitzerten wir vor uns hin wie zwei tuntige Glühwürmchen, bis Virus endlich seinen Griffel von mir löste. Erschöpft sackte ich zusammen. Mein Kopf war Matsch. Alles drehte sich, trotzdem schaffte ich etwas aus meiner Kehle hervorzubringen, das man als protestierendes Stöhnen interpretieren konnte.

      »Krass!« Der rotäugige Vampir begutachtete mich mit der Faszination eines durchgeknallten Wissenschaftlers. »Also ist das Warrior? Und Peace hat sie nicht anerkannt? Leidet er neben Größenwahnsinn an erektiler Dysfunktion?« Sein Blick wanderte über meinen Körper und in einem anderen Leben, in einer anderen Zeit und in einer anderen Situation hätte ich das fast schon als Kompliment betrachtet.

      »Kannst du ihr diese komische Maske mal abnehmen?«, schob er hinterher. Prompt versteifte ich mich. Obwohl. Eine Idee keimte in mir auf. Wenn sie mir die Maske abnahmen und verrückt wurden, konnte ich die Beine in die Hand nehmen und davonlaufen. Also theoretisch … falls meine Beine ihren Dienst aufnahmen. Zur Not könnte ich auch davonkriechen. Oder rollen. Nein, das ging wegen der Ketten nicht. Dann müsste ich ihn den ganzen Rückweg hinter mir her schleifen. Verdammt!

      »Nein«, durchkreuzte Virus meine Pläne. »Die Maske bleibt, außer du willst wahnsinnig werden, Sailor. Ich werde sie später mit einem Zauber fixieren, damit sie das Ding nicht runternehmen kann.« Er funkelte mich triumphierend an und verschränkte die Arme am Hinterkopf. Die Schnalle um sein Handgelenk blitzte auf. Tat ihm das Ding genauso weh wie mir? Zumindest waren die Ketten sehr lang. Ließen demnach genug Spielspielraum, dass wir uns nicht bei der kleinsten Bewegung sofort den Arm ausrissen. Ein paar Schritte müssten wir uns voneinander entfernen können, bevor sie spannten. Trotzdem machten sie schwerfällig und jede Bewegung klirrte irritierend laut.

      Ich schnaufte frustriert. Fuck.

      »Und nur weil Peace sie nicht anerkannt hat, heißt das noch lange nicht, dass er sie nicht gefickt hat«, schob Virus hinterher und guckte provozierend auf mich runter. »Dann wäre er wirklich bekloppt.«

      Jetzt reichte es. Mein Geduldsfaden riss und ich tat das Erste, was mir einfiel und in meinem Gemütszustand möglich war. Ich reckte das Kinn und biss ihm ins Bein. Fest. Kannibalismus, ahoi. Mein Psychologe zückte kopfschüttelnd den Rezeptblock.

      »Au. Verfluchte Scheiße, was …« Virus’ Fuß zuckte und trat mir so fest ins Gesicht, dass ich meine Nase brechen fühlte. Es knirschte, begleitet von einem heißen Blutschwall, der mir wie eine Fontäne aus den Nasenlöchern schoss. Ächzend hielt ich mir den Matsch im Gesicht, während Virus fluchend sein Bein umklammerte.

      »Du blöde Kuh!«

      Du sadistisches Arschloch!, schoss ich in Gedanken zurück. Als Untermauerung schlug ich gegen die Stelle, an der ich ihn zuvor gebissen hatte. Virus schlug zurück. Ich spuckte provokativ Blut auf seine Füße. Wütend spitzte er die Lippen und setzte zum Gegenspuck-Anschlag an, als mich eine Hand an der Taille packte und eilig von ihm wegzog.

      »Okay, ihr zwei. Ich glaube, ihr habt euren Standpunkt klargemacht, aber eure Aggressionen stören gewaltig das Chi in diesem Raum.«

      Chi? Ich verrenkte mir empört den Hals und sah die schräg stehenden rosa Augen des einen Gottbruders. Offensichtlich hatten die Brüder neben dem Vampirischen auch japanische Wurzeln. Eine hellblonde Strähne floss ihm bis über die Brust und kringelte sich an seiner schmalen Taille.

      Gutmütig ließ er meine Musterung über sich ergehen. »Hallo, Warrior. Wir kennen uns nicht, also noch nicht, aber ich hoffe, dass wir bald sehr gute Freunde werden.« Er lächelte mich so breit an, dass ich seine strahlend weißen Zähne bewundern konnte. Irritiert starrte ich ihn an. War der bekloppt? »Ich bin Ash«, stellte er sich vor, ohne sich von meiner offenkundigen Skepsis die Laune verderben zu lassen. Sanft stellte er mich ab, schlug die Hände zusammen und verbeugte sich. Verflucht noch mal, er verbeugte sich! »Auf hoffentlich baldige Freundschaft. Ah, und das da …« Er deutete mit dem Daumen hinter sich auf seinen Bruder, der mich eher anstarrte, als wollte er mich fressen. »Das ist mein Bruder Sailor. Er ist der neue Mondgott und tritt somit in die Fußstapfen von Göttin Selene. Ich selbst bin der neue Apollo, der Sonnengott!«

      Mhm … ja, das passte zu Mr. Strahlemann. Trotzdem schoss mein Blick zu Sailor und ich musste mir so heftig das Lachen verkneifen, dass meine Mundwinkel zitterten. Sailor war also der neue Mondgott? Und demnach … o Gott … der Name!

      »Wenn du lachst, wirst du es für immer bereuen!«, knurrte Sailor, als ob er Gedanken lesen könnte.

      Ich stieß ein Geräusch aus, das wie ein Pffiiiiiiii klang. Mein Kopf schwoll puterrot an, während ich innerlich vor Lachen vom imaginären Sofa fiel.

      Ash kicherte, versuchte aber, es mit einem Husten zu kaschieren. »Jedenfalls …«, hüstelte Ash herum. »… hast du ja Virus schon kennengelernt. Er ist Gott der Algorithmen und besitzt ebenfalls das Geburtsrecht eines Gottvaters!« Er deutete elegant auf Virus, bei dessen Anblick mir das Lachen im Kehlkopf stecken blieb. »Und dieser Sonnenschein hier …« Er wies auf den stummen Emo-Boy. »… ist Age, Gott der Zeit.«

      »Und Karma solltest du bereits kennengelernt haben«, fuhr er mit seiner bizarren Kidnappervorstellung fort, hielt jedoch inne und sah sich im Raum um, als vermutete er, Porno-Karma könnte sich hinter den hässlichen kackbraunen Vorhängen verstecken. »Apropos. Ähm … Virus? Wo ist Karma?«, hakte er zögerlich nach.

      Virus verzog das Gesicht und verschränkte abwehrend die muskulösen Arme vor der Brust. »Ich befürchte, Karma wollte noch etwas Zeit mit Peace und Co verbringen. Ich bin sicher, ihr geht es gut. Shame wird bestimmt auf sie aufpassen.«

      »Du hast sie also zurückgelassen?«, stellte Sailor scharf fest.

      Virus schnaubte. »Mir blieb nichts anderes übrig. Ich konnte nicht Miss Beißmichtot und Karma gleichzeitig schleppen. Keine Sorge, sie werden ihr schon nichts tun.«

      »Bist du dir da sicher?«, fragte Ash sanft.

      Virus zögerte. »Nein«, gab er schließlich zu. »Aber große Pläne erfordern nun mal große Opfer.«

      »Uh … in Karmas Fall waren das sogar zwei gigantische und sehr pralle Opfer«, seufzte Sailor.

      Männer.

      »Wir alle sind ein Teil des Untergrund-Pantheons.« Ash breitete die Arme über das göttliche Quintett aus. Dabei lächelte er mich an. So strahlend und glücklich, dass es sich anfühlte, als würde die Sonne durch das muffige Zimmer scheinen. »Und du, Warrior, bist das letzte Puzzlestück, das uns gefehlt hat. Du wirst unsere Gottmutter! Wir haben so lange auf dich gewartet, dass wir schon die Hoffnung aufgegeben hatten.« Geschmeidig ließ er sich auf die Knie fallen und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Finger streiften meine Wange. Warnend schnappte ich nach ihm, entzog mich seiner Berührung, doch er lächelte nur. In seinem Blick lag solch eine kindliche Begeisterung, dass ich es nicht fertig bringen würde, ihn wirklich zu beißen.

      »Keine Sorge«, flüsterte er. »Ich weiß, du fürchtest dich, aber das musst du nicht. Wir kümmern uns um dich. Wir werden dir eine gute Familie sein und Virus braucht dich. Er ist sonst verloren.«

      Von mir aus konnte dieser Hurensohn so viel verloren sein, wie er wollte! Ich presste die Lippen zusammen, um meinem Unmut Ausdruck zu verliehen.

      Ash seufzte.

      »Sie sieht nicht begeistert aus«, kommentierte Sailor trocken.

      »Sie ist ja auch ein verwöhntes Püppchen«, sagte Virus und musterte mich abfällig. »Sie hat doch keine Ahnung, wie das echte Leben im Tartaros funktioniert.« Er lehnte sich vor. Sein Geruch nach Pfefferminze schlug mir entgegen. »Du kennst nur den hübschen Käfig, in dem Peace dich Männchen hat machen lassen, oder? Du musstest nie um dein nacktes Überleben kämpfen. Hattest nie solchen Hunger, dass du jeden verschütteten Tropfen Ambrosia von der Straße geleckt hast. Nein, du bist hier reinspaziert und hast dich an die goldene Leine legen lassen, während sich die Götter auf den Straßen


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