Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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fuhr Peace ihn an.

      Virus grinste nur. »Töte mich!«, forderte er, ließ seine Verletzung los und zog mich hoch, bis er mich erneut im Würgeriff hatte.

      »Ich sollte es tun!« Peace’ Finger schlossen sich zu knirschenden Fäusten.

      »Tu es!« Virus lachte. »Baller mir den Arsch mit Blitzen voll. Nur bringst du damit auch Warrior um die Ecke, aber hey, was soll’s, du hast ja noch eine Frau als Reserve.« Er zuckte mit den Schultern. »Shame ist offiziell Muttergöttin. Du hast Warrior nie anerkannt, wenn sie stirbt …«

      »Sterbe auch ich!«, fauchte Peace. »Anerkannt oder nicht, sie ist meine Gefährtin.«

      Virus’ Brauen schossen nach oben. »Dein einziges Argument, warum du mir nicht sofort den Schädel abreißt? Weil du dein eigenes kleines Leben retten willst? Arme Warrior. Du musst ihr regelmäßig das Herz brechen.«

      Ich zuckte zusammen. Diesmal nicht wegen der Schmerzen.

      Virus’ Lächeln wurde bei meiner Reaktion breiter.

      Peace bemerkte es ebenfalls. Erst jetzt schien er wirklich zu registrieren, in welch schlechter Verfassung ich dank ihm war. Und damit meinte ich nicht nur meine Schaschlikschulter.

      »Keine Sorge!«, säuselte Virus und hob mich auf seine Arme. »Wenn ich die süße Warrior erst mal geknackt habe, werden wir viel Spaß miteinander haben. Du bekommst eine Einladung zu unserer Hochzeit.« Er sprang in die Luft.

      Peace fluchte. Ein Blitz schoss uns hinterher. Ich hörte Bloodclaw jaulen und etwas, das nach einem Körper klang, zerriss mit einem fleischigen Schmatzen. Fawns entsetzter Schrei gellte dabei in meinen Ohren.

      Was? Was war passiert? Orientierungslos schaute ich nach unten und erkannte Bloodclaws toten Körper, der rauchend in sich zusammenfiel. Hatte der Hund sich gerade töten lassen? Weshalb? Ich schauderte. Meine Haut kribbelte, als seine Partikel zu mir zurückkehrten. Jetzt konnte Bloodclaw mich begleiten, egal, wohin Virus mich verschleppte. Aha. Schlau!

      Die Erleichterung hielt nur kurz an, denn in der nächsten Sekunde überrollte mich eine Welle aus gähnender Erschöpfung. Virus hielt mich trotz seiner Verletzungen fest umschlungen, als ich in seinen Armen zusammensackte. Geschmeidig landete er auf einem nahegelegenen Hausvorsprung und neigte den Kopf, sodass ich den eleganten Schwung seines Halses ausmachen konnte. »War wie immer nett mit dir, Peace«, rief er zum Abschied und stieß sich hastig ab, als ein Blitz den Vorsprung zerfetzte.

      Geschickt balancierte er uns über einen Sims und stieg auf den nächsten Vorsprung eines Flachdaches. Flink rannte Virus darüber hinweg, sprang ab und setzte Augenblicke später auf dem nächsten Dach auf. Porno-Karma ließ er einfach zurück. Was der Basilisk übrig gelassen hatte, rührte sich nicht mehr. Ob sie tot war? Ich vermutete, Peace würde sich um sie kümmern, falls ja. Und damit meinte ich nicht, dass er sie gesund pflegte. Falls sie Glück hatte, ließ er sie liegen, falls nicht …

      Obwohl Virus seine Bewegungen abfederte, rollte mein Kopf von einer Seite zur anderen. Kalter Schweiß brach mir aus und mein Verstand fühlte sich vernebelt an, obwohl ich mich bemühte, bei Bewusstsein zu bleiben. Ich versuchte, mich auf Virus’ markantes Gesicht zu fixieren. Der Wind riss an seinen ungewöhnlich dunkelgrünen Haaren, welches wie Rabengefieder um seinen Kopf flatterte. Ich hatte höchstens die Hälfte von dem verstanden, was eben abgelaufen war, doch eines wusste ich mit absoluter Sicherheit: Die nächsten Tage oder gar Wochen würden mich verändern. Er würde mich verändern.

      Fünf

      Und hier, holde Dame, sehen Sie zu unserer Rechten ein Klo

      Ich konnte nicht lange weggedämmert sein. Es fühlte sich nach ein paar Minuten an, in denen mein Körper auf Notmaßnahmen geschaltet und kurzzeitig das Licht ausgeknipst hatte. Als ich mich zwang, die brennenden Augenlider aufzuschlagen, stellte ich fest, dass sich unsere Umgebung komplett verändert hatte. Wir schienen die Stadt endgültig verlassen zu haben. Vor uns breitete sich eine gähnende Einöde aus. Der Boden war trocken, aber nicht sandig wie in der roten Wüste. Er bestand aus eingerissenem grauen Lehm.

      Virus’ Schritte knirschten leise auf dem fahlen Untergrund. Er wusste offenkundig, wohin er wollte, obwohl es für mich eher den Anschein hatte, als würde er im Nirgendwo herumirren. Manchmal glaubte ich, Schatten im Augenwinkel zu sehen, und jedes Mal erschrak ich. Erwartete Monster oder Götter, die sich auf uns stürzten, um mich entweder zu retten oder zu fressen. Doch jedes Mal entpuppten sich die Schemen als lebloser Müll, der wie bestellt und nicht abgeholt im grauen Lehm stand und vergammelte.

      Ich entdeckte das Wrack eines Autos. Die Scherben der eingeschlagenen Fenster stachen wie Zähne heraus und als Virus stumm dran vorbeimarschierte, bemerkte ich die goldenen Plüschwürfel hinter dem Rückspiegel. Ein paar Meter weiter stand eine quietschende Holly­woodschaukel. Sie schwankte leicht hin und her, als würde ein Wind wehen. Nur tat er das nicht.

      Des Öfteren trat Virus auch auf kaputtes Spielzeug. Eine Puppe ohne Haare. Einen Gameboy, der grünlich aufblinkte. Eine gelbe Babyrassel. Am schlimmsten war jedoch die Stille um uns herum. Sie drückte so schwer auf meine Ohren, dass es sich anfühlte, als würde sie in Kombination mit dem gähnenden Nichts einen Weg in mein Innerstes suchen. Es flüsterte Dinge in mein Ohr, die ich nicht verstand und vor denen ich mich trotzdem fürchtete. Mein Herz raste, als würde ich einen Marathon laufen. Der kalte Schweiß rann mir immer noch in kitzelnden Spuren über die Haut und tropfte von meinem Körper wie eine bizarre Brotkrumenspur, die ich für Peace hinterließ.

      Virus bemerkte, dass ich wach war. Ich spürte seinen Blick auf mir und zwang mich, ihn zu erwidern. Keine Ahnung, welche Emotionen er in meinem Gesicht las, aber sein Kiefermuskel mahlte. Er schwieg trotzdem und ich tat es ihm gleich. Ich hätte ihn zwar beißen oder anspucken wollen, doch nicht mal dafür reichte meine Energie. Nichtsdestoweniger erheiterte mich der Gedanke, ihm die Nase abzubeißen. Zumindest ein bisschen. Danach hörte ich mich bereits mit meinem Psychologen über spontanen Kannibalismus reden.

      Niemand verfolgte uns. Weder Peace noch einer der anderen Götter. Hatten sie mich aufgegeben? Kampflos? Der Gedanke war so deprimierend, dass mein innerer Psychologe die Taschentücher zückte.

      Wir passierten ein Flugzeug. Es war zur Hälfte aufgerissen, als wäre es abgestürzt und vom Aufprall wie eine Dose geknackt worden. Die Flügel erinnerten an abgebrochene Stümpfe. Ich zählte die verstaubten Sitze, an denen wir vorbeigingen. Bei zwanzig drehte Virus scharf um und stapfte in eine vollkommen andere Richtung weiter. Leider erklärte er mir dabei weder, wo wir uns befanden, noch, wo wir hinwollten, doch ich nahm an, dass es sich nicht um ein Fünf-Sterne-Hotel mit Fußmassagegerät im Eingangsbereich handelte. Trotzdem hätte er zumindest ein bisschen den Fremdenführer geben können. Nicht viel, nur Touristengequatsche wie:

       Und hier, holde Dame, sehen Sie zu unserer Rechten ein Klo! Keine Ahnung, warum es da steht, aber ich bin sicher, kleine Götter in Not werden für diesen Zufall sehr dankbar sein und hoffentlich den beschädigten Abfluss entschuldigen. Zu unseren Linken sehen Sie einen Gartenzwerg, dem alle Finger bis auf den mittleren fehlen. Sehr poetisch, nicht? So tiefgründig und zornig. Wem wir dieses Meisterwerk zu verdanken haben, ist leider unklar, aber wir vermuten den gleichen Irren dahinter, der auch den Puppen zu Ihrer Rechten die Haare abschneidet. Oh, schauen Sie mal dort drüben! Ein schönes Exemplar von Teekanne, ohne Deckel. Nicht zu vergessen der abgerissene Barbiekopf, der sich so dekorativ herausschiebt. Très chic, oder nicht?

      Toll! Jetzt kommentierte neben meinem inneren Psychologen auch noch mein imaginärer Fremdenführer die Umgebung. Je länger Virus’ Schweigen andauerte, desto tiefer verschwanden wir im Nichts des Tartaros. Tiefer, als ich mich je getraut hätte. Ich war bereits dabei, während des Gequatsches des imaginären Tourguides über die faszinierende marmorierte Beschaffenheit des Lehmbodens wegzudämmern, als Virus unvermittelt stehen blieb.

      Mein Kopf


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