Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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vor Anstrengung. Seine Wunde hatte sich immer noch nicht geschlossen. Nicht mal wirklich zu bluten hatte sie aufgehört. Wir waren immer noch in der Einöde. Nichts schien sich in der Zeit, als ich auf Virus’ Schulter geschnarch-sabbert hatte, großartig verändert zu haben. Was aber unverkennbar in der Luft lag, war der schwere Geruch von Magie. Mächtiger Magie. Oho. Alarmiert klappte ich den Mund zu und sah mich um.

      »Versuch wegzulaufen und ich schlag dir den Schädel ein. Außerdem kommst du mit den Ketten eh nicht weit.«

      Wow. Virus’ erster Satz seit gefühlten Stunden und wie charmant er ihn ausgestoßen hatte. Da wurde man als emanzipierte Frau ja ganz schwach. Ich funkelte ihn genervt an und ließ mich in bester unbeweglicher Kartoffelmanier in etwas setzen, dass quietschend nachgab. Eine Federpolsterung drückte mir plötzlich in den Hintern. Ich schielte hinab auf den alten, samtbezogenen Stuhl, in dem vermutlich zum letzten Mal in den Zwanzigern jemand dringesessen hatte. Die dunkelrote Lehne war abgewetzt. Das gelbe Futter lugte zwischen meinen Beinen durch und roch unangenehm muffig. Ein bisschen nach Katzenpipi. Angespannt beobachtete ich Virus, der mit gestrafften Schultern an mir vorbeimarschierte und murrend einen hölzernen Tisch aufhob, der umgekippt am Boden lag. Von den drei wackeligen Beinchen existierten nur mehr zweieinhalb, weshalb er eine Schuhspitze darunterstellte, um ihn fixieren zu können. Dann platzierte er einen schwarzen Kasten darauf, der sich als Diaprojektor herausstellte. Wo hatte er denn den auf einmal her? Das Teil wog locker eine halbe Tonne und hätte niemals in seine Hosentasche gepasst. Ich kannte die Dinger, weil Hades einige davon besessen hatte. Es hatte ewig und dreihundert Diashows gedauert, um ihn zu überzeugen, auf Digitalkamera umzusteigen. Neugierig geworden beobachtete ich, wie Virus in seine Manteltasche griff und ein paar der viereckigen Filmplättchen herausholte, diese kurz musterte und stirnrunzelnd in den Projektor setzte. Er schnippte und ein helles Licht ging an. Überrascht kniff ich die Augen zusammen. Langsam zeichnete sich ein Schemen ab. Ich legte den Kopf schief und betrachtete das Standbild. Es zeigte ein uraltes, rot-grünes Sofa. Wie nannte man so eine Farbkombination? Periodenschimmel? Der Stoff war bereits so abgesessen, dass die Federn hindurchdrückten. Das Ding war klobig, versifft und musste mit Sicherheit so übel stinken, wie es aussah. Ich linste zu Virus, unsicher, was er mit der ganzen Aktion bezwecken wollte. Sollte ich jetzt Beifall klatschen? Tolles Bild von ekligem Sofa? Doch da klickte es und ich durfte das nächste bestaunen. Es zeigte den Teppich, auf dem das Sofa stand. Nicht minder abgenutzt und in einem schrecklichen Orange. Mir stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Nach dem nächsten Klicken erschien ein Wohnzimmertisch. Das speckige Holz war mit unzähligen Graffiti vollgekritzelt.

       Klick.

      Eine Clownslampe, dessen rote Nase ein schummriges Licht auf das hässliche Sofa warf. Himmelherrgott! Der Innenarchitekt dieses Raums gehörte dringend gefoltert und gevierteilt. Das war schlimmer als das Setting aller Horrorfilme, die ich jemals gesehen hatte. Immer schneller klickte Virus durch die Bilder. Jedes zeigte einen anderen Aspekt des Zimmers, bis die Dias so schnell abliefen, dass sie ineinander verschwammen. Das Krrrrrrrllll rauschte in meinen Ohren. Der Projektor summte. Das Licht wärmte mir den Nacken, als Virus auf einmal neben mir stand. Seine goldenen Katzenaugen leuchteten in dem schummrigen Licht des Projektors.

      »Los gehts«, flüsterte er. Sein Atem streifte mein Ohr und jagte mir damit einen Schauder über den Rücken, von dem ich nicht wusste, ob er angenehm war. Eher nicht. Virus hob mich erneut in seine Arme und trabte auf die ablaufenden Diabilder zu. Die Leinwand direkt vor uns flatterte von einem kaum wahrnehmbaren Lüftchen. Was, wie, wo? Da hing also so ein Ding in der Pampa herum und er wollte was? Hineinspringen? Das unscharfe Wohnzimmer wurde mit jedem Schritt größer und detailreicher. Ich legte den Kopf in den Nacken, krallte meine Finger in Virus’ Hemd, als dieser, ohne zu zögern, in die Projektion hineinstapfte. Das Ganze fühlte sich an, als versuchten wir, durch eine Schaumstoffwand zu gehen. Es drückte gegen mein Gesicht, raubte mir den Atem. Meine Nase knackte von dem Widerstand und gerade als das Gefühl von unangenehm zu schmerzhaft wechselte, ließ der Druck nach. Haltlos polterten wir in den zuvor abgelichteten Raum hinein.

      Heilige krasse Scheiße! Mein Blick zuckte über die Augenkrebs erregende Inneneinrichtung, während ein Teil von mir zu verdauen versuchte, dass wir eben in eine Leinwand gehüpft waren. In ein Zimmer, das in echt sogar noch schlimmer aussah als auf den Bildern.

      »Wir haben es geschafft! Ich habe sie«, brüllte der Gott mir plötzlich und ohne jede Vorwarnung ins Ohr und schüttelte mich wie einen beschissenen Fußballpokal.

      Hektisches Getrampel ertönte als Antwort und wenige Sekunden später schlitterten zwei Männer ins Zimmer. Ein weiterer fläzte sich bereits auf dem ekligen Sofa herum und sah gelangweilt von einem Buch auf.

      »Vi-Mann! Du hast es geschafft … das … das ist sie, oder?«, stieß einer der Männer ungläubig aus. Seine Ausstrahlung und das Prickeln auf meiner Haut wiesen ihn ganz klar als Gott aus. Genau wie die anderen Typen, die uns interessiert anstarrten. Okay, der Typ am Sofa wirkte eher, als hätte er eine eklige Nacktschnecke unter die Nase gesetzt bekommen. Seine beiden gepiercten Mundwinkel verzogen sich nach unten, während ihm schwarzes Haar in bester Emo-Manier über die Augen fiel. Von ihm ging eine dermaßen tiefschwarze Wolke der Depression aus, dass ich mich prompt schlechter fühlte. Die anderen zwei musterten mich hingegen, als wäre ich der Osterhase. Oder der Weihnachtsmann. Ein heißer blonder Weihnachtsmann mit dicken Titten.

      Empört registrierte ich, dass die beiden interessiert meinen Hintern abcheckten, der dank Virus immer noch in der Luft schwebte wie eine Rettungsboje. Ich zeigte ihnen nicht nur gedanklich den Mittelfinger und ergötzte mich an den verblüfften Gesichtsausdrücken, die ich dafür erntete. Lediglich Emo-Gott sah noch angepisster aus und zeigte mir prompt den Finger zurück. Nett.

      »Endlich«, knurrte Virus.

      Ich schluckte.

      »Bist du verletzt?«, fragte ihn einer der beiden, die vor uns standen. Sie mussten Brüder, wenn nicht Zwillinge sein, denn ihr langes Haar war vom gleichen Weißblond. Die Gesichtszüge ähnlich hübsch. Das Kinn spitz, die Nase gerade. Hohe Wangenknochen und geschwungene Brauen. Ihre Augen leuchteten in verschiedenen Farben. Während die des Rechten in einem intensiven Rot strahlten, war die Irisfarbgebung des anderen in einem hellen Pink angeordnet. Ja. Pink! Babypink. Die Farbe hatte etwas Verstörendes an sich und ich erinnerte mich, nur ein einziges Mal etwas Ähnliches gesehen zu haben. Bei einem Halbvampir. Von denen gab es nicht viele, da Vampire nicht oft Kinder mit einem Nichtvampir bekamen. Auch untereinander war Nachwuchs eher selten. Sie verwandelten lieber. Das ging schneller und ersparte Dehnungsstreifen.

      »Nichts Schlimmes«, wischte Virus die Sorge seiner Freunde weg und grinste abfällig. »Hat mich ein bisschen an der Schulter erwischt.« Er schleppte uns beide zum Sofa, pfefferte die langen Beine des Emo-Gottes weg und warf sich seufzend auf das gammlige Monstrum. Mich selbst ließ er einfach fallen. Zack. Arme auf und ich knallte runter. Dabei landete ich hart zu seinen Füßen mitten auf dem versifften Teppich. Ich ächzte, als meine eigene Wunde erneut aufriss. Silberne Tropfen sprenkelten den Teppich. Ich spuckte Haare und funkelte Virus giftig von unten an. Er grinste ungeniert. »An den Anblick von dir unter mir könnte ich mich gewöhnen …« Die Zweideutigkeit in seiner schnurrenden Stimme war so eindeutig, dass ich ihn am liebsten gebissen hätte. In den Schwanz. So! Ausgesprochen!

      Mein innerer Psychologe begann, mich ein weiteres Mal über die Gefahren des spontanen Kannibalismus aufzuklären. Ich ignorierte ihn.

      »Ist sie auch verletzt? Ich rieche Blut.« Die Füße eines Vampirs tauchten vor meiner Nase auf und ich blickte zögerlich hoch. Es war der mit den babyrosa Augen. Viel zu treuherzig für einen gemeinen Entführer lächelte er mich an, ging in die Hocke und berührte mich sanft am Oberarm. Ich sog erschrocken die Luft ein.

      »Es hat sie zusammen mit mir erwischt. Sie wird es überleben«, gab Virus knapp zurück.

      »Bist du sicher, dass sie die Richtige ist? Ich habe mir die Gefährtin von Peace irgendwie nicht so … handzahm vorgestellt«, sagte der andere Bruder. In seinen roten Augen glitzerte ein boshafter Hunger, der mich an meinen eigenen Vampirbruder Spade erinnerte, der … meine Kehle wurde trocken … tot war.

      »Sie ist es ohne


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