Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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kollidierte dabei aber mit einem der PCs und warf allerhand Krimskrams um.

      »Bei Hades’ Klöten! Was ist das?«, fragte einer ungläubig. Eine Göttin kreischte schrill, als wäre ich eine Maus, die ihr gerade unter dem Pausenbrot hervorkroch.

      »W-Warrior?«, stotterte Hack. Die Lämpchen und Kabel auf und in seiner Stirn blinkten hektisch, als er auf die Füße sprang. Sein Schreibtischstuhl fiel dabei polternd auf den Boden. »Was machst du da? Was ist passiert?«

      Hilflos fuchtelte ich mit den Händen, öffnete den Mund, wollte die Worte gewaltvoll hervorpressen, doch es entwich kein Ton. Kein Piep. Mein Körper streikte immer noch.

      »Warrior! Warte! Ich hole Peace!«, sagte der junge Gott, als er meine Misere endlich durchblickte. Zumindest hoffte ich, dass er es tat. Dankbar nickte ich und verschwand in der nächsten Decke. Das Gefühl jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.

      Diesmal ploppte ich mit dem Hintern voran in den nächsten Raum. Ich konnte – wie eben schon – ein überraschtes Kreischen hören. Na, danke auch! Vielleicht sollte ich abnehmen.

      Etwas ging zu Bruch und eine Flüssigkeit rann mir klebrig über die Füße. Als sich mein Kopf dazu bequemte, endlich ebenfalls aus dem Boden aufzutauchen, sah ich Charming in Schockstarre. Und … o nein! Panisch kniff ich die Lider zusammen. Das hatte ich niemals sehen wollen. Nie! Nie! Nie! Augenkrebsgefahr! Der Gott war splitterfasernackt und schien eine Party der etwas anderen Art zu feiern. Jene mit viel Haut, Alkohol und anschließendem Psychiaterbedarf.

      In der schwer nach Ambrosia und Weihrauch riechenden Lusthöhle tummelten sich alle Arten von Frauen und Männern und … keine Ahnung, was das Ding auf Charming war! Schmuste er mit einer Pflanze? Es schüttelte mich.

      Diese Bilder würde ich nie wieder aus dem Kopf bekommen. Ich hörte ein ziemlich bekifftes Glucksen und wagte es zu linsen. Charming rekelte sich in seiner vollen … äh, nennen wir es mal »Gotteskraft« in den Samtlaken. Eine nach Opium und Ambrosia stinkende Zigarette hing ihm aus dem Mund, als er mir einen trägen Schwall aus gelblichem Rauch entgegenblies. Schwindel erfasste mich prompt. Der Gott schien so abgespact zu sein, dass er wohl jeden Augenblick mit mir abheben würde.

      »Huiii, Warrior fliegt«, nuschelte er. Das fette Grinsen wurde breiter. Sein Make-up war verlaufen, die Haare wirr. Ein Schweißfilm glänzte auf seiner hellen Haut und roch genauso anziehend wie mein nach Rosen duftender Arsch. »Schick mir ne WhatsApp, wenn du angekommen bist, Süße«, säuselte er.

      Mit all der mir verbliebenen Kraft hob ich die rechte Hand und zeigte ihm den Mittelfinger, bevor ich die nächste Decke passierte. Der dort angebrachte Lüster wackelte und klirrte, als ich knapp daran vorbeischrammte. Charmings bekifftes Lachen begleitete mich ein Stück durch die Wand. Ich erwartete das Schlimmste, als ich im nächsten Stockwerk auftauchte. Doch diesmal landete ich lediglich in einem schwach beleuchteten Flur, an dessen Ende eine stählerne Tür mit grün leuchtendem Exit-Zeichen angebracht war. Die Erleichterung, nicht auch noch Bizarre auf der Toilette überrascht zu haben, währte jedoch nur kurz, weil mir einfiel, dass diese Tür wahrscheinlich der Ausgang zum Dach des Hochhauses war. Nackte Panik schnürte mir die Kehle zu. Ich würde im freien Tartaros herumfliegen! In schwindelerregenden Höhen, ohne dass ich meinen Sturz würde bremsen können – falls sich mein Körper jemals dazu entschließen würde, eine Schwebepause einzulegen. Auf meine Flügel vertraute ich aktuell nicht. Ich wackelte mit den Armen und Beinen, versuchte, mich an meine Fährtenschwimmertage zu erinnern, wo ich das Kraulen gelernt hatte. Wobei ich zugeben muss, dass ich mehr abgesoffen als geschwommen war. Nicht alles zählte zu meinen glorreichen Talenten. Schwimmen zum Beispiel eher nicht. Mein Gezappel erinnerte vermutlich an einen lahmenden Frosch, der immer wieder mit dem Kopf gegen die Decke knallte. Und es hatte zur Folge, dass ich mich einmal um 180 Grad drehte und mit Füßen und Popo voran zur Tür schwebte. Meine Haare wogten dabei schwerelos um meinen nutzlosen Körper. Eine vorwitzige Haarsträhne kitzelte meine Nase, stahl sich in mein Nasenloch. Unter meinem heftigen Niesen überhörte ich beinahe die besorgte Stimme, die an den nackten Wänden vorbeischallte.

      »Warrior!«

      Peace! Endlich! Wurde auch höchste Zeit, dass jemand die Ritterrüstung anzog und mir zur Hilfe eilte. Panisch sah ich auf und erhaschte einen göttlichen blauen Haarschopf, der die Treppen hochhetzte. Genau in diesem Moment schwebte ich durch die Stahltür nach draußen.

      Peace’ entsetzter Gesichtsausdruck folgte mir. »Warrior!«, drang seine Stimme gedämpft hinter der Tür hervor.

      Ich ächzte, spuckte Haare aus und überlegte, ob ich Peace eventuell eine Spur aus Spuckefäden hinterlassen sollte, damit er mich im schlimmsten Fall dadurch aufspüren konnte. Statt Brotkrumen halt. Aber nein! Er war mein Gefährte. Ich hielt im Spucken inne. Peace würde mich immer finden. Auch ohne dass ich zu ekligen Methoden greifen musste.

      »Warrior! Hör sofort mit dem Fliegen auf und komm zurück!«, brüllte er.

      Na, der war mir mal ein Witzbold!

      Die Klinke wurde nach unten gedrückt, doch die Tür rührte sich trotz Rütteln nicht, während ich in der tartarosischen Dunkelheit über das Dach düste. Stetig dem Abgrund entgegen.

      »Warrior! Hör sofort auf mit … was immer du da tust!«

      Verarschte der mich? Wütend guckte ich in seine Richtung, obwohl er mich ja nicht sehen konnte.

      Er schien die Nerven zu verlieren, denn es rumste laut, als er gegen die Scharniere trat. Zumindest stellte ich mir vor, dass er es tat, denn der Rahmen wackelte ächzend.

      »Verdammte Scheiße, Kacke!«, hörte ich Peace fluchen, bevor der verräterische Geruch nach Ozon meine Nase kitzelte. Am Himmel grollte es. In der nächsten Sekunde wurde die gesamte Tür mit einem hellen Blitz aus den Angeln gerissen und flog nach vorn. Leider genau in meine Richtung.

      Ich riss die Augen auf. Als Nächstes spürte ich den Aufprall, begleitet von einem Schwall silbernem Blut, das mir aus Nase und Mund sprudelte. Der harte Stoß warf mich vollends über die Kante. Stechender Schmerz setzte unmittelbar danach ein, als meine Halswirbel knackten. Ich schielte, schluckte silbernes Nass hinunter, während ich in einem komischen Winkel auf Peace hinabsah, der zur Dachkante stürzte und die Hand nach mir ausstreckte. Leider war ich für diese Last-Minute-Rettungsaktion schon zu weit weggetrudelt.

      »Warrior! Bleib ganz ruhig. Ich … Ich hol dich. Flieg nicht zu weit weg«, rief Peace. Ich musste stark den Drang unterdrücken, nicht auch ihm den Mittelfinger zu zeigen. Wir starrten uns an. Die Distanz zwischen uns war mit so viel unterdrückter Angst, Schuld und Vorwurf geladen, dass sich die Härchen auf meinen Unterarmen aufstellten. Peace schluckte. Der Wind riss an seinem Haar und sein Köper spannte sich an, als wollte er über die Kante springen. Über uns erhellte ein blauer Blitz den Himmel. Schatten schnitten seine Züge in zwei Teile. Sein eines Auge war erst zur Hälfte verheilt und sah aus, als würde es schmerzen. Gut so. Oder auch nicht, keine Ahnung. Plötzlich drehte er auf den Fersen um und verschwand in dem aufklaffenden Flur.

      Seine Schritte hallten überdeutlich laut. Ihnen folgte das Schaben von Hundekrallen. Bloodclaw half ihm also. Zumindest ein kleiner Hoffnungsstreifen am Horizont. Der Höllenhund würde mich riechen können, egal, wo im Tartaros ich landen würde. Zum Glück war es nicht das erste Mal, dass ich über diesen Stadtteil hinwegflog.

      Während ein scharfer Wind an meinen Klamotten riss, versuchte ich, mich zu orientieren. Ich erkannte Charmings Club, das Dark Wonderland, an den Lichtern, die aus dem Industriegebäude zuckten und bunte Farben in den Himmel malten. Dahinter lagen die Trümmer des Hochhauses, welches der Basilisk zerlegt hatte. Was sich jedoch eine Nasenlänge voraus befand, war absolutes Neuland für mich. Erbärmlich, wenn man bedachte, wie viel Zeit ich hier unten verbracht hatte. Peace hatte mich vorbildlich vom Rest der Götterwelt abgeschottet. Tja, zumindest das würde sich jetzt ändern. Ich leuchtete so beschissen hell, dass mich selbst ein Blinder problemlos vom Himmel hätte schießen können. Trotz der Dunkelheit entdeckte ich das ein oder andere neugierige Augenpaar, welches mich beobachtete. Die unterschiedlichsten Empfindungen und Wellen an Macht trafen mich dabei und je tiefer ich in die Stadt hineinflog, desto wirrer


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