Acevado - Wann bleibst du?. Jule Heer

Acevado - Wann bleibst du? - Jule Heer


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mich etwas ungeduldig an, da wir nur fünf Minuten bis zur nächsten Unterrichtsstunde hatten, doch ich musste das jetzt loswerden.

      „Wieso willst du unbedingt verhindern, dass zwischen mir und Ace etwas sein könnte?“ Okay, das hatte jetzt ganz doof geklungen, zumal ich ja selbst nicht damit rechnete, dass Acevado auch nur einen winzigen Funken Interesse an mir haben könnte, doch Chloe schien verstanden zu haben, worum es mir ging.

      Sie war stehen geblieben, wie zur Salzsäure erstarrt, und verschiedene Emotionen flackerten kurz hintereinander über ihr makelloses Gesicht, dann setzte sie mit gebrochener Stimme zu einer Erklärung an: „Äh, also, Am, es ist nicht so, dass ich ... äh ... verhindern will, dass ihr ... also, dass ihr zusammenkommt ...“ Sie unterbrach sich kurz und sah mich zweifelnd an, um mir zu zeigen, wie völlig absurd ihr allein der Gedanke daran erschien. „Aber es ist so: Ich weiß, dass es nichts wird mit euch. Ich habe ihm jetzt schon so viele Mädchen angeschleppt und es war keines dabei, das er nicht zurückgewiesen hat.“

      Ich starrte sie ungläubig an und versuchte, die eben gesprochenen Worte zu verstehen. „Also, er hatte noch nie eine Freundin?“, stammelte ich schließlich, fassungslos, dass ein Traumtyp wie er noch nie ein Mädchen gefunden hatte, das er als würdig ansah. Seine Ansprüche schienen noch höher zu sein, als ich vermutet hatte.

      Chloe nickte stumm und hauchte: „Noch keine einzige.“

      Ich suchte ratlos den Sinn in dem, was ich eben erfahren hatte, und schüttelte dann den Kopf. „Aber wieso meinst du denn zu wissen, dass das so bleibt, irgendwann wird er sich ja wohl mal verlieben, oder?“ Chloes Blick war trübsinnig, aber sie sagte nichts, sie sah mich nur an und wartete, dass ich verstand. Als es so weit war, zuckte ich heftig zusammen und sagte: „Nein, das nicht, oder? Sag mir nicht, dass er schon verliebt ist! Wieso organisierst du dann dieses Treffen, wenn ich ohnehin keine Chance bei ihm habe?“ Wut stieg in mir auf und ich ballte die Fäuste.

      Chloe jedoch hielt meinem Blick ruhig stand. „Er hat nicht direkt gesagt, dass er verliebt ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, also solltest du dir keine großen Hoffnungen machen. Und in die Cafeteria habe ich ihn bestellt, weil ich mir schon vorstellen konnte, dass du trotz meiner Berichte über ihn nicht aufhören würdest, von ihm zu schwärmen. Daher solltest du dich selbst davon überzeugen, wie kalt Ace sein kann. Aber wenn du nicht mehr willst ...“

      „Doch“, platzte ich heraus, bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, und Chloe reagierte darauf mit einem Hab ich es dir doch gesagt-Lächeln, das mich ärgerlich machte. Aber mir war klar, dass ich Acevado trotz meines Respekts vor seiner Schönheit und Chloes Verdacht, er sei verliebt, unbedingt treffen wollte. Und wenn es nur dazu diente, ihn aus der Nähe zu bewundern.

      „Also, war’s das, Miss Quetsch-mich-aus, oder soll ich eine Rede halten? Denn ansonsten könnte ich dir in genau“, sie warf einen raschen Blick auf ihre Armbanduhr, „54 Sekunden Reliunterricht bei Miss Miller anbieten, wie wär’s?“

      Ich starrte sie einige Millisekunden sprachlos an, für mehr war keine Zeit, versteht sich, dann stürmten wir los.

      Es war nicht einfach, im Sprinten darauf zu achten, Chloe in die richtigen Gänge zu folgen und nicht aus Versehen gegen eine heimtückische Wand zu laufen, aber schließlich kam ich atemlos und ohne erwähnenswerte Verletzungen hinter meiner neuen Freundin zum Stehen. Sie drehte sich zu mir um und bot mir ihre Hand zum Abklatschen, bevor sie schwungvoll die Tür aufstieß. Wir waren pünktlich und der Religionsunterricht gefiel mir eigentlich ziemlich gut, denn Ms Miller war ausgesprochen sympathisch, unter anderem, weil sie mehrmals mit Floyd schimpfte, der die Nase nicht vom Handy lösen konnte, weshalb sie es ihm schließlich kurzerhand abnahm und sagte, er solle es sich nach Schulschluss zusammen mit einer saftigen Bestrafung abholen.

      Chloe und ich wechselten einen triumphierenden Blick, doch ich merkte, wie mit dem Näherrücken der Mittagspause auch meine Konzentration nach und nach schwand. Und nach zwei weiteren Unterrichtsstunden war es schließlich so weit, ich würde ihn sehen, Auge in Auge, und ich hatte unheimliche Angst.

      Ich schnitt meinem Spiegelbild eine Grimasse. Dann wandte ich mich mit einem letzten Blick ab. So würde es schon gehen. Ich hatte Chloe schon mal in die Cafeteria vorgeschickt, da ich kurz auf der Toilette allein sein wollte. Außerdem sollte es, wenn ich dort eintraf, so aussehen, als wäre ich rein zufällig aufgetaucht. Obwohl Ace wahrscheinlich schon wusste, worum es bei diesem etwas speziellen Date ging. Okay, da Chloe ihm schon oft Mädchen angeschleppt hatte, war es vielleicht doch nicht ganz so speziell. Aber dann sollte es wenigstens den Anschein haben, dass mir das Ganze nicht so wichtig war und ich es nicht eilig hatte.

      Jetzt stand ich, mal abgesehen von der Verabredung selbst, nur noch vor der Herausforderung, die Cafeteria zu finden. Was nicht so einfach war, wie ich erwartet hatte. Ich lief erst planlos kreuz und quer durch die gesamte Schule, bevor ich rein zufällig aufs Sekretariat traf. Ich wusste, von hier aus war es nicht mehr weit, aber weit genug, dass ich mich wieder verirren konnte. Und dann hätte ich niemanden, der mir den Weg sagen konnte, denn die Gänge waren in der Mittagspause quasi menschenleer. Also öffnete ich kurzerhand die Tür und diesmal musste ich Ms Green nicht erst suchen.

      Sie saß gut sichtbar hinter dem Tresen und sah mich über ihre Lesebrille hinweg erstaunt an. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich nicht angeklopft hatte. Verlegen machte ich einen Schritt auf sie zu und endlich schien sie mich zu erkennen. Sie lächelte herzlich und sagte: „Hallo Amber, das freut mich aber, dass du mal wieder reinschaust, wie läuft es denn? Und was suchst du denn überhaupt mutterseelenallein während der Mittagspause hier? Da musst du doch was essen!“ Sie musterte mich kurz prüfend und schüttelte dann fassungslos den Kopf. „Nein, nein, so wie du aussiehst, fällst du mir sonst noch vom Fleisch, komm, ich bring dich in die Cafeteria, damit du etwas isst. Über deine Probleme können wir später noch reden. Ach, Himmel! Du bist doch nicht magersüchtig, oder? Oh mein Gott, kann ich dir irgendwie helfen?“

      Ich spürte, wie ich rot wurde, während ich noch darüber staunte, dass ich nichts hatte sagen müssen und sie trotzdem genau wusste, wie sie mich glücklich machen konnte. Okay, nicht ganz genau, schließlich hatte ihr Redeschwall sie dazu gebracht, zu denken, dass ich magersüchtig sei und gekommen wäre, um mit ihr darüber zu reden.

      „Äh ...“, stammelte ich. „Also, nein, ich bin nicht magersüchtig, eigentlich wollte ich nur fragen, wo die Cafeteria ist ...“

      Ms Green sah mich zwar immer noch zweifelnd an, nickte aber zustimmend und erhob sich. „Alles klar, aber wenn irgendetwas ist, kannst du jederzeit zu mir kommen!“

      Ich lächelte, fragte mich allerdings, wie sie dazu gekommen war, sich wie eine Mutter um mich zu sorgen, aber vielleicht verhielt sie sich allen Schülern gegenüber so.

      Wieder lief ich wie ein ausgesetzter Hund hinter ihr her, um Ecken herum, durch Gänge hindurch, schließlich ins Freie, einmal über den Innenhof und direkt auf die kreisrunde Cafeteria zu.

      Ein Stück vor der Tür blieb ich abrupt stehen, was Ms Green erst nach einigen Schritten auffiel. Ich lächelte gequält und sagte vorsichtig: „Ich danke Ihnen, aber ab hier schaffe ich es alleine.“

      Sie nickte, sah aber etwas enttäuscht aus. „Alles klar, dann ... äh ... tschüss. Und, Amber? Nimm nicht den Chicken Burger, der schmeckt fürchterlich!“

      Jetzt konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und erwiderte: „Danke, ich werde es mir zu Herzen nehmen.“ Dabei dachte ich: „In Aces Gegenwart werde ich sowieso keinen einzigen Bissen runterkriegen, Chicken Burger hin oder her.“

      Ms Green nickte noch einmal, dann ging sie.

      Ich atmete tief ein. Dann schloss ich für einen Moment die Augen, sammelte mich und stieß die Tür auf. In der Cafeteria war es rappelvoll und ohrenbetäubend laut. Ich sah mich suchend nach Chloe um und natürlich nach ihm. Schließlich entdeckte ich die beiden im hinteren Teil, etwas versteckt in einer Art Nische. Sie unterhielten sich und ich ging unsicher näher heran.

      Als ich direkt am Rand ihrer separaten Nische stand, wo sie mich nicht sehen konnten, versuchte ich noch ein letztes Mal, mein rasendes


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