Leefke. Suta Wanji

Leefke - Suta Wanji


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Fangzähne leuchteten gelb und bedrohlich und in ihren Augen schienen orange Lichter zu tanzen. Die beiden Männer standen sich wie festgefroren gegenüber, nicht in der Lage zu schreien oder sich zu bewegen. Sie spürten nicht einmal mehr, wie sich Darm und Blase vor Angst entleerten und der Inhalt sich warm über ihre Oberschenkel ergoss.

      Sie hörten nicht mehr die Sirenen der Einsatzfahrzeuge, die am Hof vorbeifuhren und zu Tabea auf die Auffahrt preschten.

      Wie in Trance erhoben beide plötzlich ihre Forken und rammten sie sich gegenseitig in den Bauch. Noch im Tode umklammerten sie die Stiele, was sie am Umkippen hinderte. Auch als Leefke ihnen mit einem Ruck die Köpfe von der Schulter riss, blieben sie stehen, während sich Unmengen von Blut über ihre Körper ergoss, um den Futtergang in ein einziges rotes Meer zu verwandeln.

      Leefke hielt beide Köpfe an den Haaren gepackt und schlenkerte sie sanft hin und her während sie den Stall verließ, ihren Begleiter, den Nebel, mit sich führend. Sie hinterließ eine blutige Spur im Schnee, so eine völlig andere Art von Spur, die Tabea heute Morgen unter ihrem Schlafzimmerfenster gefunden hatte.

      ….Schatten auf der Seele….

      Der elendige Gestank verzog sich langsam, das Schaben hörte auf, Peppi beruhigte sich langsam. Leefke war nicht mehr am Haus, Tabea war sich dessen sicher. Trotzdem blieben alle Worte in ihrer Kehle gefangen, in ihrem Inneren hatte sich ein tiefer Abgrund aufgetan. Tabea spürte, Leefke hatte einen perversen Spaß, sich am Unglück und der Angst der Menschen zu erfreuen. Sie hatte sichtliches Vergnügen daran, Menschen ins Dunkel zu führen, zuzusehen, wie ihre Welt in Trümmer und Asche zerfielen.

      Als ihre Kollegen die Auffahrt hochfuhren, war Tabea dabei die Scherben in ihrem Inneren zusammenzufügen, wissend, Risse würden bleiben. Traurigkeit, Angst und Chaos suchten ein Ventil nach draußen und zum ersten Mal glaubte sie zu fühlen, warum Menschen mit einem Rasiermesser ihre Unterarme, Oberschenkel, Bauch und Brust in Landkarten verwandelten.

      Trügerische Sicherheit überall, freier Fall plötzlich und unerwartet. Mauern entstanden, innerlich und äußerlich. Bevor jedoch die Einsamkeit, die alle Hoffnung erdrücken würde und dann nichts als Leere zurückließ, die Oberhand gewann, wurde Tabea wütend. Wütend über ihre eigene Bereitschaft, ihr Herz durch die Melodien der Dunkelheit berühren zu lassen. Sie öffnete ihren Kollegen die Tür. Von außen wehte ihr eisige Kälte entgegen, klirrend durch Mark und Bein gehend. Die Kälte lähmte ihre Finger und sie versuchte sie mit dem Atem aufzutauen. Aber die Kälte brachte auch einen winzigen Funken Hoffnung und Klarheit zurück und sie wusste, sie musste sich nur hart genug ins Zeug legen.

      Die Kollegen hatten das Grundstück mit gezogener Waffe abgesucht, konnten aber nichts oder niemanden sicherstellen. Sie alle wurden von Tabea ins Haus gebeten und 15 Minuten später saßen Tabea, Ewald Heyen, Reent Saathoff und die beiden Dorfpolizisten aus Wiesmoor, Karl Teens und Heinrich Hummels um den großen Küchentisch herum, tranken heißen Kaffee mit Havanna Club. Jeder war sich sicher, Leefke würde versuchen, wieder in Tabeas Leben einzudringen. Keiner hatte eine Idee, wer sie war, wo sie war und wie man sich ihrer entledigen konnte und so brüteten sie lange stillschweigend vor sich hin…Ostfriesen eben.

      ….Innenarchitektin Peppi….

      Peppi ging diese Ignoranz ihrer selbst fürchterlich auf den Senkel und so versuchte sie trotz Tabeas Schelte, jedem auf den Schoß zu steigen. Irgendwann platzte Tabea der Kragen und sie sperrte Peppi kurzerhand ins Schlafzimmer. Frustriert suchte Peppi nach einem Wink zum Abbau ihrer Zurückweisung und wurde auch schnell fündig. Sie fand einen lockeren Zipfel an einer Tapetenbahn und sie zog so lange daran, bis die Bahn langsam zu Boden glitt. Sie zerriss sie in Streifen und Fetzen und verteilte sie hingebungsvoll durch das Schlafzimmer. Danach zerstückelte sie Tabeas heißgeliebten Ficus im Bett, darauf achtend, dass jeder Teil des Bettes ein Stück Ficus und nasse Blumenerde zugeteilt bekam. Sie grunzte zufrieden und setzte sich neben die Tür, wo sie voller Inbrunst die Arien der einsamsten Wölfe schmetterte.

      Tabea befreite sie ohne ins Schlafzimmer zu blicken und schickte sie per Handbewegung in ihren Korb. Hoch erhobenen Hauptes durchschritt die Diva den Raum, um sich dann ausführlich der Körperpflege hinzugeben. Für sie war klar, jeder Hund besitzt in sich bereits alles was er braucht, um die von ihm gewünschten Änderungen zu bewirken. Ignoranzprobleme durch Besitzer lassen sich gut bewältigen, wenn Tapetenstücke nur klein genug geschreddert werden, denn Peppi wusste: Kommunikation findet immer statt.

      …..Erwachen….

      Alle waren sich einig, es musste was passieren und so verabredeten sie sich für den nächsten Tag bei Tabea nach dem Mittagessen, Reent kündigte an, dass er die „Leefke SOKO“ in Kenntnis setzen würde, zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnend, sie würden sich viel schneller sehen. Da Tabea in ihrem Haus bleiben wollte, ließen sie noch einmal Peppi durch den Garten streifen. Gegen 22.00 Uhr verließen sie ihre Kollegin, nachdem diese die Haustür geschlossen und verriegelt hatte.

      Tabea ging in die Küche und räumte die Tassen und Gläser in die Berta. Sie fühlte sich wie erschlagen und wollte nur noch in ihr Bett und schlafen. Sie öffnete die Schlafzimmertür und die Tränen liefen ihr übers Gesicht, gleichzeitig lachte sie, da ihr Hund ganze Arbeit geleistet hatte, die geborene Innenarchitektin eben. Seufzend schloss sie die Tür, goss sich noch einen doppelten Havanna Club ein, fütterte den Kamin und zog sich mit dicker Decke in ihren Ohrensessel zurück, um die Nacht dort zu verbringen. Peppis Blick traf Tabeas und schien zu sagen: Ich teile mein Feuer mit dir, meine Kraft wird die deine sein, meine Liebe wird dein Herz mit Mut berühren, mein Lebensfeuer deins neu entfachen. Beflügelt schlossen beide die Augen, lächelnd ließ Tabea los und fiel in einen tiefen Schlaf.

      Morgens um sechs Uhr betraten die beiden Betriebshelfer den Laufstall, sich draußen schon wundernd ob der Schreie der Rinder, die sich die Seele aus dem Leib brüllten. Der Anblick, der sich den beiden Männern bot, verschlug ihnen die Sprache. Wie angewurzelt blieben sie stehen und starrten auf die beiden kopflosen Gestalten. Irgendwann konnte sich einer der beiden von dem Anblick losreißen und griff nach seinem Handy, betätigte den Notruf und die SOKO „ Leefke“ rückte aus zusammen mit den Kriminaltechnikern und dem Polizeipsychologen. Die beiden Männer standen unter Schock und wurden ins Krankenhaus gebracht. Das Gelände wurde gesichert, wie immer keine verwertbaren Spuren gefunden. Nach diversen Fotos und ersten Untersuchungen trennte man die Leichen und transportierte sie nach Oldenburg. Ewald Heyen setzte sich mit dem Maschinenring in Verbindung, um die Versorgung der Tiere auf dem Anwesen sicher zu stellen. Um neun Uhr traf sich die gesamte SOKO in der Auricher Dienststelle, die Übergabe innerhalb der Schichten fand statt. Die Teams setzten sich jetzt folgendermaßen zusammen:

      Spätschicht Frühschicht

      ======== =========

      Jantje Fredrichsen (Anwärterin) Heino Dirks (Anwärter)

      Reent Saathof (POK) Jelde Ortgießen (POK)

      Ewald Hayen (POK) Diederike Weber (POK)

      Marta Habben (PHK) Katharina Saathoff (PHK)

      Hilmar Matthisen(POK) Martin Steenkamp (POK)

      Sabrina Urbansky (PHK) Franz – Josef Kirchner (PHK)

      Beide Teams wurden jeweils durch 2 Kriminaltechniker und einen Kriminalpsychologen/IN unterstützt und waren sich darüber einig, Tabea als Beratung vor Ort mit einzusetzen, stundenweise, nach Absprache mit dem Alten. Das Team der Spätschicht würde sich heute bei Tabea einfinden, Heino Dirks versuchte Tabea telefonisch in Kenntnis zu setzen, konnte aber nur eine Nachricht auf dem AB hinterlassen. Wahrscheinlich schlief sie noch oder war mit dem Hund draußen.

      Im Dorf hatte sich die Sichtung eines Krankenwagen schnell herumgesprochen und man beruhigte sich nicht, als die Nachricht in Umlauf gebracht wurde, es handle sich nur um zwei verletzte Betriebshelfer, die von einem Bullen während der Fütterung angegriffen worden waren. Alle Personen, die es besser wussten,


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