Wie die Schwalben fliegen sie aus. Ursula Lüfter
Toni Wallnöfer
* Diese Frauen sind bereits verstorben oder waren nicht mehr ansprechbar. Die Informationen stammen aus Gesprächen mit Angehörigen.
Den Hunger weniger zu spüren bekamen Familien, die eine Mühle, Metzgerei oder Bäckerei besaßen. „Wir hatten Milch und Brot, wir hatten eigentlich immer genug zu essen. Während des Ersten Weltkrieges hatten wir Russen in unserem Haus, Kriegsgefangene, die haben bei der Grödner Bahn gebaut. Bei uns war so eine Art Lazarett. Aber die Russen hatten so großen Hunger, die bekamen sehr wenig zu essen. Das war schrecklich, da sind viele gestorben. Und dann sind die armen Kerle immer zu uns gekommen, und die Mutter mit ihrem großen Herz hat ihnen immer was gegeben“, erzählt Annamaria Mussner aus St. Ulrich.
Sehr dramatisch war der Krieg für die Bewohner von Trafoi, sie mussten das Dorf verlassen, da im Ortlergebiet eine der wichtigen Verteidigungslinien gegen die Italiener verlief. Die Familie von Paula Wallnöfer übersiedelte mit Sack und Pack nach Prad: „Wir sind vorübergehend auf dem Nauhof in Prad untergekommen. Auf dem Dachboden war eine große Kommode, da hat man die untere Schublade herausgezogen, da haben zwei Buben darin geschlafen. Wir Kinder waren gerne auf dem Hof, die Mutter nicht, denn sie musste mit der Naubäuerin auf einem Herd kochen.“
Auch die Jahre nach Kriegsende waren noch vielfach von Entbehrungen und Hunger geprägt. Vielerorts erreichte die Not in den Jahren nach dem Krieg ihren Höhepunkt. Es fehlte an allem. Besonders hart traf es jene Familien, deren Väter im Krieg ums Leben gekommen waren, wegen ihrer Kriegsverletzungen arbeitsunfähig blieben oder daran starben. Manche Frauen waren noch Jahre auf sich allein gestellt, weil ihre Männer in Kriegsgefangenschaft waren.
Nicht immer konnten die Frauen für den Unterhalt der Kinder sorgen, sodass die Familien auseinander brachen. Der Vater von Luise, Hilda und Theresa Tschenett war an der Ortlerfront durch einen Kopfschuss schwer verletzt worden und wurde zu einem Pflegefall. Die Mutter übersiedelte von Stilfs nach Meran zu einer Verwandten, die ihr dort Arbeit vermittelte. Einige der Kinder wurden im Liebeswerk in Dorf Tirol untergebracht, andere in den Dienst zu Bauern geschickt. Der Vater von Ida Noggler aus Mals kam krank aus dem Krieg zurück und verstarb bald darauf. Die Mutter blieb nicht nur mit den sechs Kindern allein, sondern musste auch die Schulden für das Haus zurückzahlen, das ihr Mann vor dem Krieg gekauft hatte. Ida, Jahrgang 1906, übernahm als älteste Tochter die Erziehung der kleineren Geschwister und versorgte den Haushalt, da die Mutter oft außer Haus war, um die Arbeit auf dem Feld zu erledigen und das nötige Geld für die Familie zu verdienen.
Oft schwingt in den Erzählungen über die Kriegs- und Nachkriegsjahre der Frauen Bewunderung für die Leistungen der Mütter mit. Die Schwester von Emma Sagmeister aus Mals berichtet, dass ihre Mutter neben der Versorgung der vierzehn zum Teil noch kleinen Kinder die Metzgerei und die Landwirtschaft allein weiterführte. Zwar halfen ihr zwei Gesellen und vorübergehend auch ein russischer Gefangener, doch brachte sie eigenhändig mit dem Pferdefuhrwerk Fleisch nach Nauders, Glurns und in die Schweiz, auch das Geschäftliche erledigte sie selbst.
Die zweite Wanderungswelle Südtiroler Mädchen und Frauen in italienische Städte vollzog sich zu einer Zeit, in der Mobilität und Migration ein bestimmendes Merkmal Südtirols waren. In den 50er und 60er Jahren kehrten viele abgewanderte Optanten nach