Athanor 2: Der letzte König. David Falk

Athanor 2: Der letzte König - David  Falk


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Erwähnung verdüsterte Davarons Gesicht.

      »Ehrlich gesagt nicht«, gestand Elanya. »Die meisten Harpyien hassen uns, und es kam über die Jahrhunderte immer wieder zu solchen Überfällen.«

      Davaron nickte. »Aber dieser Fall lag anders. An diesem Tag tauchte ein Schwarm der verdammten Biester auf und umkreiste uns – schweigend. Du weißt, welchen Lärm sie sonst machen. Ich ahnte, dass etwas Seltsames vorging. Eretheya bekam Angst und hob Mevetha auf, um sie zu beschützen. Plötzlich landete eine der Harpyien neben uns. Sie eröffnete mir, sie sei gekommen, um den Preis für den Gefallen einzufordern, den sie meinen Eltern einst erwiesen hatte.«

      »Gütiger Alfar von Wey«, hauchte Elanya. Davarons Mutter war in den Tod gegangen, weil sie sich die Schuld für Eretheyas und Mevethas tragisches Schicksal gegeben hatte.

      »Ich wusste, wovon sie sprach. Meine Eltern hatten mir zwar nie von diesem Geheimnis erzählt, aber als Kind hatte ich einmal einen Streit zwischen ihnen belauscht. Damals ergaben ihre Worte für mich keinen Sinn, aber sie gruben sich in mein Gedächtnis ein, und mit der Zeit kam ich hinter ihre Bedeutung.«

      Was konnten Harpyien schon für Davarons Eltern getan haben? An der Grenze waren ihre Dienste als Späher nützlich, aber darüber hinaus …

      »Du weißt es vielleicht nicht, aber einige Chimären haben etwas von Imerons verbotenen Künsten bewahrt«, eröffnete ihr Davaron.

      »Sie beherrschen Magie?« Dabei waren sie doch nur halbe Menschen, und selbst unter den Menschen hatte es nur wenige Zauberer gegeben. Doch die Fähigkeit vererbte sich. Vielleicht waren die Ahnen der Harpyien Magier aus Imerons Anhängerschar gewesen. Die Macht des frevlerischen Astars hatte viele Verblendete angelockt, um von ihm zu lernen. Am Ende hatte Imeron den Zorn des Seins geweckt und war nach einer Reihe verheerender Schlachten an den Himmel verbannt worden.

      »Vor allem beherrschen sie seine Magie. Und nicht nur die Harpyien, sondern auch einige Faune, Zentauren und andere Chimären. Sie können Nachkommen erschaffen, wo das Sein sie verwehrt.«

      Elanya beschlich ein leises Unbehagen. »Aber was hat das mit dir zu tun?«

      »Sicher ist dir bekannt, dass Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Elfenvölker manchmal kinderlos bleiben«, rief Davaron ihr ins Gedächtnis. »Von den Gegnern solcher Verbindungen wird es als Beweis für deren Verwerflichkeit betrachtet.«

      Und das ist milde ausgedrückt, fügte Elanya im Stillen hinzu.

      »Auch bei meinen Eltern war es so. Wie alle neu Vermählten pilgerten sie zum Ewigen Licht, auf dass eine Seele durch sie wiedergeboren werde. Aber es geschah nichts. Meine Mutter wurde nicht schwanger, und … Ich muss dir nicht erzählen, wie über sie geredet wurde. Wie man sie angesehen und gemieden hat.«

      Elanya nickte. Es geschah ihr schon jetzt, und es würde noch schlimmer werden.

      »Als ein Faun an sie herantrat und meinen Eltern anbot, ihnen auf magische Weise ein Kind zu verschaffen, waren sie der ewigen Anfeindungen so müde, dass sie annahmen. Ich wurde geboren. Aber der Faun hatte meine Eltern gewarnt, dass die Chimären für ihre Hilfe eines Tages einen Preis fordern würden. Allerdings kamen sie damit nicht zu meinen Eltern, sondern zu mir.«

       An jenem Tag … hier, an dieser Stelle.

      »Sie verlangten, dass ich mich ihrer geheimen Bruderschaft anschließe und mit meiner Magie beim Erreichen ihrer Ziele unterstütze. Ich lehnte ab. Vielleicht war ich undankbar, aber ich hatte sie nicht um ihre Hilfe gebeten. Und ganz sicher hatte ich nicht vor, Eretheya zu verlassen, um mich für die verfluchten Chimären verbotener Magie zu widmen!« Zornig sprang Davaron auf und machte seiner Wut Luft, indem er herumlief.

      »Deshalb griffen sie euch an«, folgerte Elanya.

      »Noch nicht. Es ging ein Streit voraus. Die Harpyie drohte, dass diejenigen für meine Entscheidung bluten würden, die ich liebe. Ihre Schwestern umkreisten uns schneller und kreischten so, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Es war beängstigend, aber Eretheya besaß mehr Mut als ich. Sie war wütend, weil die Harpyien unser Kind bedrohten, und bereit, wie eine Löwin zu kämpfen.« Davaron war stehen geblieben und starrte in die Luft, als sehe er alles noch einmal vor sich. »Als eine Harpyie herabstieß, ließ Eretheya sie in Flammen aufgehen. Sie hatte so viel Macht. Das Erbe ihres Vaters. Und doch nützte es nichts. Es waren zu viele Harpyien und meine Zauber zu langsam. Ich tötete zwei mit dem Schwert, während sich immer mehr auf Eretheya stürzten. Mevetha schrie, und ich schlug auf die verfluchten Bestien ein wie von Sinnen. Eretheya geriet immer näher an den Abgrund.«

      Davaron verstummte vor dem Grauen, das sie in seinem Gesicht sah. Auch wenn sie Athanor so oft um Verständnis für Davaron gebeten hatte, weil sie um die Gründe für seine Verbitterung wusste, waren sie Elanya nie so nahe gegangen wie hier. Wie von selbst schweifte ihr Blick über das Gestein, als müsste es Spuren des Kampfs bewahrt haben. Einen Blutfleck. Ruß. Versengte Federn. Doch nach so vielen Jahren wirkte der Gipfel wieder unberührt.

      »Es tut mir leid, dass du etwas so Schreckliches erleben musstest. Du hattest endlich etwas Glück gefunden, und diese Harpyien …«

      »Erzähl mir nicht, was ich schon weiß! Du drehst nur das Messer in der Wunde herum.«

      Elanya biss sich auf die Lippe. »Entschuldige.«

      »Ich habe dir die Geschichte nicht erzählt, um Mitleid zu erbetteln. Du sollst daraus lernen.«

      Es hatte also doch mit Athanor und ihr zu tun.

      »Du erwartest ein Kind von ihm?«

      Erstaunt riss Elanya die Augen auf. »Woher weißt du das?«

      Davaron zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. »Eine Faunin hat’s mir geflüstert.«

      »Aber das …«

      »Hast du es ihm schon gesagt?«

      »Nein«, antwortete sie überrumpelt. »Ich wollte erst ganz sicher sein.«

      »Gut, das macht es leichter.« Er setzte sich wieder und holte einen Rindenbecher und eine kleine Feldflasche aus seiner Tasche. Der Geruch der milchigen Flüssigkeit, von der er einen Schluck einschenkte, kam Elanya bekannt vor. »Güldenfarn? Sadebeeren?«

      »Und Wolfsblüte. Du bist Heilerin. Du weißt, was zu tun ist.« Davaron stellte den Becher vor ihr ab.

      Elanya merkte, dass ihre Hände plötzlich zitterten. »Du willst, dass ich mein Kind töte?«

      »Es wurde auf widernatürliche Weise empfangen. Die Faune haben ihre verfluchte Magie um euer Haus gewoben. Ich habe sie ertappt, als ich nachts vorbeikam.«

      »Was kann das Kind dafür? Es hat dasselbe Recht zu leben wie du!«

      »Hast du mir überhaupt zugehört? Dass ich geboren wurde, hat nichts als Leid und Tod erzeugt!«

      »Mich hat niemand gefragt, ob ich diese Hilfe will. Mein Kind und ich schulden den Chimären nichts.«

      »Es wird ihnen sein Leben verdanken«, beharrte Davaron wütend. »Seine Existenz!«

      »Wenn du glaubst, dass ich mein Kind töte, nur weil du irgendetwas befürchtest, hast du den Verstand verloren.«

      »Irgendetwas?«, fuhr Davaron auf. »Willst du unbedingt die Mutter von Imerons Befreier werden? Willst du einen neuen Krieg der Astare über diese Welt bringen? Dein Kind …«

      »Bist du jetzt Aphaiya? Siehst du neuerdings die Zukunft voraus? Mein Kind …«

      »Wird ein halber Mensch sein! Menschen sind gierig und unfassbar leicht zu manipulieren. Du kannst unser Schicksal nicht in ihre Hände legen wollen.«

      »Ich werde das nicht trinken!« Elanya stieß den Becher um und sprang auf.

      Davaron war fast ebenso schnell auf den Beinen und riss dabei noch das Schwert heraus. »Ich kann nicht zulassen, dass du den Chimären zum Triumph verhilfst. Merkst du nicht, dass sie dich zu ihrer Marionette machen? Heb die Flasche auf und


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