Athanor 2: Der letzte König. David Falk

Athanor 2: Der letzte König - David  Falk


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aller Völker, vor allem Ameas und Heras, entstammen.«

      Ein Volk von Bastarden. Athanor konnte sich lebhaft vorstellen, wie in Anvalon über sie gesprochen wurde. Hoffentlich bedeutete es nicht, dass sie Davaron deshalb Zuflucht gewährten. »Ich teile die Vorbehalte der anderen Elfenvölker nicht«, versicherte er. »Ich bin nur hier, um den B… Dreckskerl zur Strecke zu bringen, der …«

      »… die berühmte Heilerin und Heldin des Heerzugs gegen die Untoten grausam ermordet hat«, beendete Vindur für ihn den Satz.

      »Dann seid Ihr sicher der Mensch, der die Trolle befreite, und Ihr der Zwerg, der den Drachen erlegte. Es hat zwar niemand für nötig gehalten, uns von den Ereignissen in Kenntnis zu setzen, aber wir haben von Euch gehört.«

       Das erklärt, warum es beim Heer keine Abkömmlinge Thalas gab.

      »Athanor, Prinz von Theroia, und Vindur, Prinz von Firondil«, stellte sein Freund sie vor und reichte der Elfe die Hand.

      Verblüfft sah Kalianara auf ihn hinab.

      »Das ist ein zwergischer Brauch«, eröffnete Vindur ihr großmütig. »Man ergreift die Hand des anderen und bewegt sie auf und ab.«

      Athanor sah, wie einige der Umstehenden das Gesicht verzogen. Selbst Elfenbastarde waren eben arrogantes Pack. Doch Kalianara rang sich ein kleines Lächeln ab und schüttelte Vindur die Hand.

      »Er hat diese Narben beim Kampf mit dem Drachen davongetragen«, rieb Athanor ihnen unter die hoch getragenen Nasen. »Könnten wir jetzt auf den Mörder zurückkommen, bevor er auf und davon ist?«

      »Ich bedaure. Er hat die Stadt bereits verlassen«, sagte Kalianara.

      »Was tun wir jetzt?«, rief eine ältere Elfe mit weißem Haar. »Er könnte Eleagon und die ganze Mannschaft ermorden!«

      »In welche Richtung sind sie geritten?«, fragte Athanor und spannte sich, um zurück zu den Pferden zu rennen.

      Kalianaras Blick verhieß nichts Gutes. »Er befindet sich auf einem Schiff, das gen Dion fährt.«

      4

      »Ich habe gleich gesagt, dass ihm sein Name zu Kopf gestiegen ist«, schimpfte einer der Würdenträger, die sich in der Halle Thalas versammelt hatten. Verglichen mit dem Hohen Rat zu Anvalon ging es hier ungezwungen und impulsiv zu. Die Elfen saßen auf Kissen, die auf den blank polierten Dielen verteilt lagen, und niemand musste auf die Erlaubnis der Ältesten warten, um zu sprechen.

      Dennoch verlor Athanor allmählich die Geduld. Er leerte einen weiteren Becher Wein, um nicht mit einem Fluch herauszuplatzen. Würden die verfluchten Elfen nun die Verfolgung aufnehmen oder nicht?

      »Hätten seine Eltern ihn nicht Eleagon genannt, hielte er sich jetzt nicht für den wiedergeborenen großen Entdecker«, fuhr der empörte Mann fort, dessen Sohn offenbar zur Besatzung des Schiffs gehörte, mit dem sich Davaron gerade immer weiter von ihnen entfernte. Die Versammelten wussten zwar nicht, wie der Bastard den Schiffsführer dazu gebracht hatte, überstürzt in See zu stechen, aber wenigstens hatte einer der Seeleute verraten, dass er den Ozean überqueren wollte.

      »Holt Euren Bengel eben zurück, wenn Euch so viel an ihm liegt!«, rief Athanor ungehalten. »Den Mörder halten Vindur und ich Euch schon vom Hals.«

      Der Elf hatte nur einen strafenden Blick für ihn.

      »Ihr wisst nicht, was Ihr da fordert«, rügte ein weißhaariger Alter. Er musste viel Zeit in Sonne und Wind verbracht haben, denn noch nie hatte Athanor einen wettergegerbten Elf gesehen. »Mein Name ist Thalasar«, stellte er sich vor. »Ihr Fremden kennt mich nicht, aber unter meinesgleichen bin ich als Schiffsführer bekannt.«

      »Thalasar untertreibt«, warf Kalianara ein. »Er ist der beste Wind- und Wogenmagier unter den Söhnen Thalas und ein herausragender Seefahrer.«

      Thalasar bemühte sich um eine bescheidene Miene, doch seine Augen konnten nicht verhehlen, dass er sich geschmeichelt fühlte. »Danke, Kalianara. Dein Lob verleiht meinen Worten für diese Fremden vielleicht mehr Gewicht. Denn auch wenn ich alt bin und die Kälte zu sehr in den Knochen spüre, um noch zur See zu fahren, liegen viele weite Reisen hinter mir. Sie führten mich entlang dieser Küste bis in die Eissee des Nordens und um das stürmische Trollkap in den Östlichen Ozean. Ihr werdet keinen Schiffsführer finden, der öfter und länger das Meer befuhr.«

      Und wenn ich ihn reden lasse, werde ich darüber auch alt und grau werden. »Worauf wollt Ihr hinaus?«

      »Dass niemand lebensmüde genug ist, um diesen jungen Hitzkopf zu verfolgen. Der Versuch, den Ozean zu überqueren, ist eine Reise ohne Wiederkehr.«

      »Sagtet Ihr nicht, dass er auf den Spuren dieses Entdeckers fährt?«

      Thalasar nickte. »Aber Eleagon der Kühne gilt als der größte Seefahrer aller Zeiten! Er wurde vor über 2000 Jahren geboren, und seit jener Zeit ist es niemandem mehr gelungen, das geheimnisvolle Land Dion zu finden. Ich habe es selbst erlebt! Drei Mal habe ich die Segel gen Westen gesetzt, um mich mit dem Ozean zu messen, und stets musste ich aufgeben. Oft kamen wir nur knapp mit dem Leben davon. Eine Flaute beraubte uns der Wasservorräte. Ein Sturm beschädigte unser Schiff. Widrige Strömungen brachten uns vom Kurs ab, bis der Proviant zur Neige ging. Glaubt mir, junger Mensch, auf dem Westlichen Ozean liegt ein Fluch. Vielleicht lenkte ein wohlmeinender Astar Eleagons Schiff durch diese Gefahren. Vielleicht hatte er einfach Glück. Aber der junge Eleagon und der Mörder, den ihr sucht, werden sterben oder umkehren.«

      Vindur brummte unzufrieden, aber er schwieg. Athanor sah sich in der Runde um. Wollte wirklich niemand wenigstens versuchen, diese Freunde und Verwandten zurückzuholen, die doch angeblich in ihr Verderben fuhren? Sollte Davaron mit seiner Bluttat davonkommen, wenn diesem Eleagon das Kunststück seines Namensvorgängers gelang? Die Elfen wichen seinem Blick aus. »Das ist doch feiges Gewäsch!«, rief er und sprang auf. »Nur weil Ihr vom Pech verfolgt seid, liegt noch lange kein Fluch auf dem Ozean. Wenn Euch der Mut fehlt, werde ich die Fahrt eben allein wagen – und wenn ich den ganzen Weg rudern muss!«

      Thalasar lächelte altersmilde. »Ihr habt keine Vorstellung von den Entfernungen, über die Ihr redet. Die Menschen fahren nicht zur See. Vermutlich habt Ihr noch nie ein Boot gelenkt.«

      »Das mag sein. Aber ich stelle mich der Gefahr, statt auf einem Kissen sitzen zu bleiben.« Athanor glaubte, das höhnische Gelächter der Toten zu hören, die er auf der Flucht vor den Drachen im Stich gelassen hatte.

      »Aus Unwissenheit«, wehrte Thalasar ab.

      »Aus Euch spricht doch nur die Verzagtheit des Alten, dem die Kräfte schwinden! Ihr habt es selbst gesagt. Komm, Vindur, wir gehen! Irgendjemand wird uns schon ein Boot verkaufen.«

      Der Zwerg sah verzagt aus, aber er stand auf.

      »Gütiger Alfar von Wey!«, rief Thalasar aus. »Haltet ein mit Eurem Irrsinn! Ihr habt Euer Schiff.«

      »Seid Ihr Euch sicher?«, fragte Kalianara überrascht.

      Der Alte zuckte mit den Schultern. »Soll ich hier am Feuer sitzen, bis ich den Ruf des Ewigen Lichts vernehme, während Eleagon und dieser Mensch auf meinem Ruf herumtrampeln? Ich bin der beste Schiffsführer Sianyasas.«

      * * *

      Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, wollte Thalasar gleich am nächsten Morgen die Segel setzen. Die Zeit drängte nicht nur, weil Davaron einen Vorsprung hatte. Der alte Seemann glaubte nicht einmal daran, dass sie Eleagons Schiff auf dem weiten Ozean finden würden. Doch sie mussten es versuchen, und wenn erst die Herbststürme einsetzten, würde die Überfahrt vollends unmöglich werden.

      Während die Elfen das Auslaufen vorbereiteten, wies man Athanor und Vindur ein Gästehaus für die Nacht zu. Bald lag Athanor in der Dunkelheit und lauschte dem Plätschern des Wassers unter dem Boden. Das schwimmende Haus hob und senkte sich kaum merklich, aber würde er auch auf einem Boot schlafen können? Mit nichts als ein paar dünnen Planken zwischen ihm und dem Ozean, der so tief war, dass an seinem Grund Riesen verborgen lagen? Im


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