Athanor 2: Der letzte König. David Falk

Athanor 2: Der letzte König - David  Falk


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ganzem Herzen. Bevor ihm der Bastard entkam, sollte er lieber an der salzigen Brühe ersticken. Aber Vindur … »Diese Überfahrt ist ein großes Wagnis«, gestand er der Stille im Zimmer. »Und es wird eine Menge schaukeln.«

      »Willst du mich abschrecken?«, empörte sich Vindur. »Vergiss es!«

      »Aber Thalasar hat recht. Wir haben keine Ahnung, worauf wir uns da einlassen. Ich muss gehen. Ich habe geschworen, Davaron bis ans Ende der Welt zu jagen. Aber du …«

      »Soll ich etwa allein unter Elfen bleiben? Außer mir bist du der Einzige in diesem Land, der kein hinterhältiger Zauberer ist. Und der Einzige, der ein gutes Bier zu schätzen weiß. Also werde ich genau dort hingehen, wo du hingehst – sogar auf ein verfluchtes Schiff!«

      Athanor musste trotz allem grinsen. »Und ich bin froh, den Einzigen bei mir zu haben, der ein gutes Bier brauen kann

      »Dann wären wir uns ja einig«, brummte Vindur und zog seine Decke enger um sich.

      * * *

      Früh am nächsten Morgen führte sie Thalasar zu seinem Schiff. Halb Sianyasa schien bereits auf den äußeren Stegen versammelt zu sein. Aufgeregte Elfenkinder balgten sich um die Plätze mit der besten Aussicht und scheuchten damit die Möwen auf, die auf jedem Pfosten saßen. Entlang der Stege lagen elegante Einbäume und kleine Schiffe vertäut, meisterhaft gearbeitet und mit geschnitzten Wogen und Muscheln verziert. Jedes dieser Boote besaß mehr Wert als so mancher vermeintlich prunkvolle Thron, auf dem die Könige der Menschen gesessen hatten.

      Warum blieb Thalasar vor einer dieser Nussschalen stehen? Selbst auf dem seichten Sarmander waren größere Lastkähne an Athanor vorübergesegelt. Das schlanke Schiff vor ihm schnitt sicher majestätisch durch die Wellen, doch es maß in der Länge kaum mehr als ein Dutzend Schritte und war nicht breiter als eine Festtafel in Theroias Palast. Hinter der niedrigen Bordwand, die gerade einmal einen Schritt übers Wasser ragte, gab es kein Deck – nur die nackten Planken und sechs Seekisten, die als Ruderbänke dienten, auch wenn noch keine Ruder bereitlagen. Den meisten Raum nahmen der Mast und das breite, noch zusammengeschnürte Segel ein.

      »Gefällt Euch die Linoreia nicht?«, fragte Thalasar verwundert. »Ihr Name steht für die Schaumkronen auf den Wogen, wenn der raue Nordwind bläst.«

      »Nein, nein, sie ist sehr schön.« Angesichts der Einlegearbeiten aus Perlmutt, die den Bug zierten, und der edlen rotbraunen Hölzer wäre alles andere eine Lüge gewesen. »Aber … mit diesem Schiff wollt Ihr über den Ozean segeln?«

      Einer der vier Elfen, die sich an der Takelage zu schaffen machten, stand nah genug, um Athanors Frage zu hören. »Was gibt es daran auszusetzen?«, blaffte er.

      »Nichts«, knurrte Athanor. Boote waren für diese Männer offenbar ein ebenso heikles Thema wie Pferde für theroische Krieger, doch es war auch sein Leben, das davon abhing. »Ich hatte nur etwas Größeres erwartet.«

      »Das liegt nur daran, dass ihr Menschen nichts von Schiffen versteht«, befand Thalasar.

      »Ich bin zweifellos kein Mensch, aber auch mir kommt Euer Schiff klein vor«, pflichtete Vindur Athanor bei, obwohl sein Blick mehr Sorge über den weiten Himmel verriet. »Schwappt nicht bei der ersten hohen Welle Wasser hinein?«

      Der Elf aus Eleagons Mannschaft verdrehte nur die Augen und wandte sich ab.

      »Ihr könnt der Linoreia vertrauen«, behauptete Thalasar. »Längere Schiffe brechen bei Sturm schneller in zwei Teile, weil stärkere Kräfte auf sie einwirken. Man könnte sie stabiler bauen, aber dann werden sie träge und schwieriger zu manövrieren. Man braucht mehr Segel, mehr Männer, mehr Magie, und dennoch gewinnt man kaum an Sicherheit hinzu. Vertraut unserer jahrtausendelangen Erfahrung. Es gibt keine besseren Schiffe als diese.«

      Es fiel Athanor schwer, ihm zu glauben, aber was konnte er gegen das überlieferte Wissen der Elfen schon einwenden? Er betrat die schaukelnden Planken und warf einen Blick auf die Ritzen dazwischen.

      »Der Bootsbauer lässt sie durch Magie miteinander verwachsen«, erklärte Thalasar stolz. »Verstaut Euer Gepäck unter den Bänken und setzt Euch, damit Ihr der Mannschaft nicht im Weg seid!«

      Da sie nur hatten, was sie am Leib trugen, ließ sich Athanor mit dunklen Ahnungen nieder. Doch sein Hass auf Davaron vertrieb die Bedenken rasch. Er fand es unpassend, dass jemand das Schiff mit Girlanden aus Muscheln geschmückt hatte und eine weiße Seeschlange aus Seide an der Mastspitze flatterte. Schließlich stachen sie nicht zu einem Angelausflug in See. Doch auch die meisten Elfen waren festlich gekleidet, während Thalasar und seine vier Seemänner einfache, ungefärbte Hemden und Hosen trugen, die Athanor an die Kittel theroischer Bauern erinnerten.

      Kalianara trat vor und wartete, bis Thalasars Blick auf ihr ruhte. Mit erhobener Hand gebot sie der Menge zu schweigen. »Töchter und Söhne Thalas! Heute ist ein großer Tag für Sianyasa. Unser bester Schiffsführer bricht auf, um zu vollbringen, was seit Eleagon dem Wagemutigen niemandem mehr geglückt ist. Möge seine Reise mit den Plänen der Götter im Einklang stehen, deren Wille über die Geschicke Ardaias entscheidet.«

      »Warum bittet sie diese Götter nicht um ihren Segen?«, raunte Vindur. »Wir Zwerge unternehmen nichts Großes ohne den Beistand des Großen Baumeisters.«

      »Die Elfen glauben nicht, dass Gebete erhört werden«, erwiderte Athanor. »Sie sagen, die Götter stehen zu hoch über den Angelegenheiten der Sterblichen.«

      Vindur runzelte die Brauen, während Kalianara längst weitersprach.

      »Mögen Euch günstige Winde rasch nach Dion leiten«, wünschte sie, »und ebenso bald zurück nach Sianyasa. Doch vor allem anderen: Mögt Ihr auf den Planken Eures Schiffs wiederkehren und nicht auf weißen Schwingen. Lebt wohl!«

      Die ganze Stadt stimmte in den Ruf mit ein. Für Thalasar war es das Zeichen zum Aufbruch, denn er gab nun Befehl, abzulegen. Die Seeleute lösten die Leinen und gaben ein paar Handbreit des offenbar dreieckigen Segels frei. Sobald sich Wind in dem leuchtend weißen Stoff fing, setzte sich die Linoreia in Bewegung.

      Zwei Mitglieder der Mannschaft schoben sie mit Stangen vom Steg fort, während sich der Bug langsam auf den Ausgang der Bucht richtete. Trotz des Schaukelns stand Thalasar wie eine Statue im Heck, den Blick auf den Horizont geheftet. Athanor ahnte, dass der Elf das Schiff mit Magie lenkte, denn das Steuerruder hing unbenutzt über dem Wasser. Umso lauter rief die begeisterte Menge ihnen gute Wünsche nach, winkte und warf weiße Blütenblätter aufs Wasser. Sicher ein Opfer an die Geister der See.

      »Was für ein Augenblick«, sagte Vindur ergriffen. »Ich bin sicher, es ist das erste Mal, dass ein Zwerg aufs Meer hinausfährt.« Lag es am Wind, oder schimmerten Tränen in seinen Augen? »Und niemand wird in Firondil davon berichten.«

      Dabei wäre es mindestens einen Eintrag in der Halle der Ahnen wert. Athanor legte seinem Freund für einen Moment die Hand auf die Schulter. »Die Elfen werden sich erinnern.« Doch in dieser Vorstellung lag wenig Trost.

      * * *

      Sobald sie die schützende Bucht verlassen hatten, ergriffen höhere Wellen das Boot. Das Schaukeln erinnerte Athanor an ein langsam galoppierendes Pferd. Erst hob sich der Bug, dann senkte er sich, während das Heck emporstieg, und so ging es in einem fort. Als die Elfen das Segel hissten und die Linoreia schneller durchs Wasser glitt, ließ das Schaukeln nach, doch dafür wurde die Fahrt rauer. Gischt spritzte um den Bug auf und sprenkelte alles auf dem Boot mit winzigen Tropfen. Auch Thalasar ließ sich nun nieder und steuerte das Schiff mithilfe des Ruders.

      Während die Küste zu einer immer dünneren Linie am Horizont verkam, befreite die Mannschaft ihr Boot von den Girlanden an Bug und Bordwand. Die aufgefädelten Muscheln türmten sich bald zu einem beachtlichen Haufen. Einer der Elfen, Medeam, der ein jüngerer Verwandter Thalasars war, übernahm das Ruder, damit der Schiffsführer nach vorn gehen konnte. Neugierig beobachtete Athanor, wie Thalasar die sichtlich schweren Muschelschnüre anhob.

      »Was wir dem Ozean nehmen, das geben wir ihm zurück«, sagte der Alte feierlich und warf die Girlanden in hohem


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