Die Zwillinge der Zeit. Dana S. Lublow

Die Zwillinge der Zeit - Dana S. Lublow


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Der Ältere stand auf, als er die Ankömmlinge sah.

      „Es geht um Airo“, fand Ayuma schnell zum Grund ihres Besuchs zurück.

      „Setzt euch“, sagte der Mann, wies auf eine Bank.

      Ayuma erzählte ihnen, was vorgefallen war. Von dem Moment an, als sie zum alten Schlachttunnel gegangen waren, als dann die Stadt angegriffen wurde, bis zu den Umständen von Airos Tod.

      Frau Seram schluchzte leise und Tränen rannen über ihr Gesicht, der Mann starrte zu Boden.

      „Ist er als Held gestorben?“

      „Er hat zwei Menschen gerettet, bevor er starb. Sie sollten stolz auf ihn sein.“

      Im Raum herrschte Schweigen.

      Dann fasste sich Frau Seram und schluchzte: „Wisst ihr, er war der Sohn meiner Schwester. Ich habe ihn schon seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen. Danke, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, herzukommen und uns die Nachricht zu überbringen.“

      „Es war selbstverständlich.“

      „Sicherlich seid ihr müde von der Reise. Ihr könnt für die Nacht hierbleiben“, bot Herr Seram an.

      „Das ist sehr nett von Ihnen“, sagte Ayuma.

      Frau Seram stand auf und wischte Tränen von ihrer Wange. „Das ist meine Tochter Zoey.“ Diese hob ängstlich die Hand zum Gruß in die Höhe. „Und das ist mein Adoptivsohn Korsion.“

      Der junge Mann schaute sie immer noch an und nickte ihnen jetzt zu. Ayuma war überrascht. Wie war sein Name? Korsion? War er es, von dem Singura geredet hatte?

      Er wandte sich wieder seinem Essen zu, wobei sie einen Blick in seine hellblauen Augen erhaschen konnte. Seine kurzen schwarzen Haare wogten bei dieser Bewegung.

      „Kommt mit, ich zeige euch, wo ihr eure Sachen ablegen könnt“, lenkte Frau Seram ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. Ayuma und Dorna folgten ihr nach draußen in einen Heuschuppen.

      „Legt euch einfach irgendwohin. Braucht ihr noch Decken? Ich hoffe, es ist nicht zu unbequem“, sagte die Frau.

      „Wir haben die letzten Tage draußen verbracht, also ist das mehr als ausreichend“, sagte Ayuma freundlich.

      „Das freut mich“, erklärte Frau Seram, drehte sich um, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

      Dorna, die immer schon gerne in Schuppen übernachtet hatte, war bereits eine steile Leiter hinaufgeklettert und spielte wie ein kleines Kind im Heu. Ayuma folgte ihr und setzte sich auf einen Ballen, wobei sie ihrer Freundin erzählte, dass sie mit Riku und Gorek, die ja Bauernkinder waren, oft in deren Scheune im Heu gespielt hatte.

      „Warum habt ihr mich nicht mitgenommen?“, fragte Dorna.

      „Wir hatten dich gefragt, du wolltest nicht“, antwortete Ayuma.

      Eine Weile sah sie Dorna zu, wie diese im Heu herumkletterte. Es schien wirklich Spaß zu machen.

      „Ob Riku und Gorek noch leben?“

      „Sie wohnen außerhalb von Seron, es kann schon sein“, überlegte Dorna.

      „Wollen wir jetzt nicht unser Lager aufbauen?“

      Dorna kletterte von dem Heuhaufen herunter. „Wenn es denn sein muss.“

      Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, Heu für ihre Betten aufzuschichten oder sich gegenseitig damit zu bewerfen. Endlich waren sie fertig und erschöpft. Nun war es Zeit, sich schlafen zu legen.

      In der Nacht wurde Ayuma geweckt, jemand rüttelte an ihrer Schulter. Als sie die Augen öffnete, konnte sie nur Umrisse erkennen. Sie setzte sich ruckartig auf. „Wer ist da?“

      „Ich bin es. Korsion. Komm mit!“ Er führte Ayuma leise nach draußen. „Ich glaube, du weißt, wer ich bin.“

      Ayuma betrachtete ihn. „Du bist Singuras Sohn.“

      „Ja. Meine Mutter hat mich angewiesen, dir zu helfen.“

      „Aber wobei?“ Sie schaute ihn fragend an.

      Er zuckte nur mit den Schultern und ging nicht weiter auf die Frage ein. „Ich bin jederzeit bereit aufzubrechen.“

      „Dann also morgen“, entschied Ayuma.

      Korsion nickte zustimmend.

      „Danke für das Lager im Stroh“, verabschiedeten sich die Mädchen früh am nächsten Tag.

      Ihre Beutel waren gepackt und Frau Seram hatte für neuen Proviant gesorgt. „Ihr habt schließlich den langen Weg auf euch genommen“, meinte sie.

      Auch Korsion war startbereit. Es hatte einiges an Überredungskünsten gebraucht, bis seine Adoptivmutter zugestimmt hatte, ihn gehen zu lassen. Sie umarmte ihren Adoptivsohn. „Ich würde mich freuen, wenn wir uns eines Tages wiedersehen.“

      „Irgendwann bestimmt“, versicherten die Reisenden.

      „Dann auf Wiedersehen.“

      Korsion umarmte alle ein letztes Mal, stieg auf sein Pferd und winkte zurück, als die drei den Hof verließen.

      An der Dorfgrenze blieben sie stehen. „Hier muss ich mich von euch verabschieden“, erklärte Dorna und Ayuma warf ihr einen bedauernden Blick zu.

      „Kommst du nicht mit uns?“, fragte Korsion verwundert.

      „Nein, mein Bruder ist auf dem Weg nach Lorga. Ich hoffe, ich finde ihn dort.“

      Ayuma ritt auf Dorna zu und drückte sie zum Abschied an sich. „Ich hoffe, wir sehen uns wieder.“

      „Das hoffe ich auch, du bist mir eine Freundin geworden, Ayuma.“

      Dorna galoppierte davon. Die beiden anderen schauten ihr lange nach, bis man sie am Horizont nur noch als Punkt ausmachen konnte. Dann schnalzten sie ihren Pferden zu und lenkten mit den Zügeln in die andere Richtung.

      Ayuma erklärte: „Ich habe Nerada versprochen, zu ihr zu kommen, wenn meine Aufgabe erledigt ist. Ich muss erst einmal zu ihr zurück.“ Aus den Augenwinkeln konnte sie Korsion sehen, der sie von der Seite her betrachtete.

      „Dann werden wir zu Nerada reiten“, fügte er sich.

      Sie stießen ihre Stiefel in die Flanken der Pferde, um sie noch schneller voranzutreiben.

      Am späten Nachmittag erreichten sie den Fluss. Nun erstreckte sich der Wald vor den beiden. Ayuma suchte die Höhle, in der sie vor zwei Tagen schon mit Dorna übernachtet hatte, und bedeutete Korsion abzusteigen. Sie versorgten die Pferde und schlugen ihr Lager auf. Dabei arbeiteten Ayuma und Korsion wortlos Hand in Hand, als ob sie schon immer Aufgaben geteilt hätten. Als sie sich endlich an einem prasselnden Feuer niederließen, breitete Ayuma eine Landkarte aus. Dabei lächelte sie Korsion an und gestattete sich den Gedanken, dass sie froh war, ihn als Gesellschaft zu haben.

      „Wo sind wir jetzt?“, fragte Korsion, als er die Karte betrachtete.

      Ayuma deutete auf einen Punkt unterhalb des Flusses Levin. „Da ungefähr. Wenn wir morgen schnell reiten, sind wir am Abend bei Nerada.“ Ihr Finger zeigte den Weg, indem er einer Linie folgte.

      Korsion entdeckte die Stadt Seron und fragte: „Ist das deine Heimat dort?“

      „Ja, sie war es.“

      „Ist die Stadt zerstört? Das tut mir leid.“

      Dann fanden sie Daicha, die Hauptstadt von Baril, und andere große Städte, bis Ayuma die Karte zusammenfaltete und beiseitelegte. Sie waren müde und mussten sich nun schlafen legen, um sich morgen zeitig auf den Weg machen zu können. In ihren provisorischen Lagern drehten sie sich auf die Seite und schliefen bald ein.

      In der Nacht träumte Ayuma wieder.

      Sie


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