Die Zwillinge der Zeit. Dana S. Lublow

Die Zwillinge der Zeit - Dana S. Lublow


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Die Worte wollten beinahe nicht aus ihrem trockenen Hals.

      „Der Krieg ist eingezogen. Dorna hat dich ohnmächtig hierhergebracht. Du hattest eine Blutvergiftung, die von einer Wunde an deinem Bein hervorging. Ich konnte dich mit Magie heilen.“

      „Was ist mit den anderen, wo sind sie? Wer hat uns angegriffen?“

      „Izores erholt sich. Er konnte zum Glück mit Cass fliehen. Sie sind durcheinander. Dorna hat nur ein paar kleinere Verletzungen, ihr fehlt sonst nichts.“ Sie stockte. „Es waren Krieger aus Darilon. Seron existiert nicht mehr.“

      Sie schwiegen.

      „Ist Airo hier angekommen? Wie geht es ihm?“

      Nerada schaute sie an, eine Träne rann über ihr Gesicht und sie zitterte. Ayuma sprang auf und rannte durch die Stube. Airo musste in seiner Koje liegen. Dorna saß dort auf der Bettkante, Izores und Cass standen daneben.

      Sie starrte Airo an. Er hatte mehrere Schnittwunden und eine dicke Bandage war um seinen Bauch gewickelt. Sein Atem ging ungleichmäßig und stoßweise. Es klang nicht gut. Ayuma erschrak.

      Dorna schaute auf, doch es war Nerada, die sprach: „Als er mit deinem Vater fliehen wollte, stürmten Krieger ins Haus. Sie haben mächtige Zauber benutzt. Es hat ihn fast getötet, als er versucht hat, sie abzublocken. Sie haben die Schwerter gezogen und ihm die Wunde am Bauch zugefügt. Als sie erkannten, dass es nichts zu holen gab, sind sie weitergezogen. Es ist ein Wunder, dass er es bis hierher geschafft hat und dass er überhaupt noch atmet.“

      Ayuma sank neben Dorna auf das Bett. Angst überkam sie. „Wird er überleben?“

      Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, während alle Augen nur auf Airo gerichtet waren. Da schlug er die Augen auf. „Ayuma“, sagte er mit schwacher Stimme.

      „Du lebst.“

      Airo drehte ihr den Kopf zu. „Die Götter haben mir erlaubt, noch einmal mit dir zu reden.“ Es strengte ihn sichtlich an. Es dauerte eine kleine Weile, bis er fortfuhr. „Ayuma, ich habe ...“ Er hustete.

      Sie nahm seine Hand. „Nein, spar deine Kräfte, du musst durchhalten.“

      „Ayuma, ich liebe dich, schon seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ich ...“ Er hustete abermals. „Ich will, dass du das weißt.“

      Seine Worte verklangen in der Stille. Dann atmete er noch einmal aus und regte sich nicht mehr. Ayuma küsste ihn auf die Wange. So sollte das nicht enden. Leise fing sie an zu weinen. Wie sollte es jetzt weitergehen?

      Sie hielten die Totenwache, sie bestatteten Airo und sie trauerten. Später mussten Entscheidungen getroffen werden. Dorna wollte sich nach Lorga durchschlagen, um Mornan zu suchen. Nerada wollte Airos Tante in Bayola die traurige Nachricht von seinem Tod überbringen, sie und ihre Familie waren die einzigen Verwandten, die er noch gehabt hatte. Doch Ayuma widersprach ihr. Wenn sie diese Aufgabe übernahm, konnte sie sich ein gutes Stück des Weges mit Dorna zusammentun. Es machte es leichter, der Gefahr ins Auge zu sehen, Kriegern von Darilon zu begegnen.

      Als die Schlacht losgebrochen war, war Nerada unruhig geworden und hatte den Weg zum Waldrand eingeschlagen, wo sie ein grausiges Schlachtfeld vorgefunden hatte: Tote und Sterbende, denen niemand mehr helfen konnte, und Pferde, die sie eingefangen und fortgebracht hatte. Sie waren versorgt worden und standen nun hinten im Stall.

      Jetzt kamen sie den Mädchen zugute. Sie suchten sich zwei der Pferde aus. Nerada reichte Ayuma einen Beutel mit Proviant, den diese sich an den Gürtel band, als sie und Dorna in die Sättel stiegen.

      „Ihr müsst immer nach Norden reiten, bis ihr auf einen Fluss trefft. Folgt ihm. Ihr gelangt dann bald an euer Ziel“, erklärte Nerada den Weg. Dann hielt sie Ayuma noch einmal auf. „Wenn du die Nachricht überbracht hast, komm zu uns zurück!“

      ...

      Nurayama hatte mit ihrer Mutter, der Königin, lange diskutiert. All die Arbeit und Mühe, die sie in die Ausbildung ihrer Schwester gesteckt hatten, musste anerkannt werden. Auch konnte Nurena ihre Talente nicht ewig in der Schattenburg verstecken, sie musste den nächsten Schritt gehen. So ließ Nurayama nach Nurena schicken und saß ungeduldig auf dem Fenstersims, als diese endlich eintrat.

      „Mutter hat beschlossen, dass nun die Zeit gekommen ist. Heute ist ein besonderer Tag, heute sollst du Bekanntschaft schließen mit deinem eigenen ... Drachen!“

      Nurena starrte sie an. Hatte sie Drachen gehört? Als besondere Auszeichnung bekamen die besten Krieger des Königreiches einen Drachen. Sie hatte nie gedacht, dass auch sie, genauso wie ihre Schwester, einmal ein solches Geschöpf zur Seite gestellt bekäme, doch sie wollte schon als kleines Mädchen einen Drachen besitzen.

      „Wir treffen ihn auf dem Übungsplatz.“ Als Nurayama aufstand, wurde sie von der aufgeregten Nurena am Arm aus dem Zimmer herausgezogen.

      Zusammen gelangten sie auf die große Wiese. Es herrschte reges Treiben, ein Kommen und Gehen, Waffenklirren und Schreien.

      „Wie kommt Mutter auf einmal zu der Entscheidung, mir einen Drachen zu überlassen?“, fragte Nurena nun, als die erste Freude gewichen war und nicht mehr ihre Gedanken blockierte.

      „Ich denke, dass du dafür bereit bist. Du kannst besser kämpfen als jeder andere, sogar besser als ich, und du hast Magie erlernt. Es ist die Belohnung für viele Jahre harter Arbeit.“

      Während des Gesprächs legte sich ein Schatten über Nurayama. Nurena überkam ein eigenartiges Gefühl in Kopf und Bauch. Als ein Luftwirbel sie erfasste und ein riesiger Flügel über ihr aufwärtsschlug, schloss sich eine Verbindung zu dem schwarzen Drachen, der vor ihr zur Landung ansetzte. Sie blickten sich in die Augen und erstarrten. Dann gluckste der Drache.

      „Ist etwas lustig?“, fragte Nurena.

      „Du stehst ehrfürchtig einem riesigen Drachen gegenüber und das Erste, was du sagst, ist: hallo?“

      „Ich habe nichts gesagt!“

      „Du hast es gedacht!“ Dann neigte sich der Kopf des Drachen. „Man nennt mich Sura.“

      „Nurena, nimmst du Sura als deine Drachengefährtin an?“, fragte Nurayama. Nurena musterte das stolze Tier und die Freude stellte sich wieder ein. Sie stimmte zu. „Sura, nimmst du Nurena als deine Reiterin an?“

      „Sie ist ein bisschen schmal, aber ja!“, neckte Sura zustimmend.

      Nurayama lächelte. „Gut! So haben wir der Tradition Genüge getan. Nurena, du musst jetzt zu deinem ersten Drachenflug aufbrechen.“

      „WAS?“

      „Du hast mich schon verstanden. Los, mach schon!“, wies Nurayama an. Sie schob ihre Schwester in Richtung Drachen. Wo war ihr sonst immer vorhandener Übermut hin? Wollte sie jetzt kneifen? Auch musste sie Nurena eher auf den Rücken des Tieres hieven, als dass diese freiwillig geklettert wäre. „Übertreib es nicht“, flüsterte sie noch in Suras Ohr.

      „Natürlich nicht“, gab Sura zurück und schoss belustigt und pfeilschnell in die Lüfte.

      Zuerst überkam Nurena die Angst. Dies war eine unbekannte Erfahrung für sie, sie musste es sich selbst eingestehen. Doch als sie den Boden unter den Füßen verlor und begann, die gewaltige Kraft unter sich zu spüren, die sie trug, da erkannte sie, dass das Fliegen für sie erfunden worden sein musste. Selbst das Reiten war nichts gegen dieses Erlebnis. Fliegen war grandios.

      „Das finde ich auch!“

      „Wer ist da“, rief Nurena und drehte sich in alle Richtungen.

      „Brauchst ja nicht gleich so rumzuschreien“, lachte die Stimme wieder, die Nurena jetzt als Suras erkannte. Aber wieso war sie in ihrem Kopf?

      „Wir können uns in unseren Gedanken unterhalten. Denke deine Antwort einfach“, erklärte Sura.

      „Du meinst so? Das ist echt toll.“

      „Ich


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