DIAGNOSE F. Группа авторов

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von vorvergangener Woche.«

      Mauz überflog die Seiten. Donnerwetter, die Meftaler hatte sich ganz schön reingehängt und eine lückenlose Dokumentation nicht nur des Problemverhaltens, sondern auch der kyberkognitiven Interventionen vorgelegt. Manchmal war sie ihm unheimlich in ihrer gnadenlosen Effizienz.

      Er würde sie nahe bei sich halten, um an ihren Erfolgen teilzuhaben – immerhin prangte dank ihr sein Name auf jedem zweiten Artikel, der zu Kernfragen der kybernetischen Psychiatrie erschien. Gleichzeitig musste er dafür sorgen, dass kleine Bäume nicht allzu schnell in den Himmel wuchsen. Auf keinen Fall würde er sich eine Konkurrentin an den Fördertöpfen der Forschungsgesellschaften heranzüchten.

      Sein Blick blieb an der Tabelle hängen, in der Doktor Meftaler die Ergebnisse auf Verhaltensebene festgehalten hatte, und seine Brauen wanderten in die Höhe.

      »Keine Verbesserung?«

      »Nicht das kleinste Bisschen, Herr Professor.« Ihre Stimme klang gepresst. Offenbar nahm sie sich den Misserfolg zu Herzen und suchte den Fehler bei sich selbst. Gut so. Das bot Chancen, sie noch besser zu kontrollieren und ein Höchstmaß an Output zu fordern.

      Er fasste sie scharf ins Auge. »Frau Meftaler, habe ich Sie da richtig verstanden? Seit acht, ich betone: acht Monaten therapieren Sie diese Einheit – und erst jetzt erfahre ich davon?«

      »Nicht ganz, Herr Professor. Auf der nächsten Seite finden Sie unsere bisherigen Supervisionstermine. Vielleicht könnten Sie mir die bei der Gelegenheit gleich abzeichnen?«

      Verdammt! Das Miststück hatte sich vorbereitet und darauf gesetzt, dass er sich nicht an die lästigen Termine erinnerte.

      Mauz zeichnete mit einem lässigen Schlenker die Protokolle ab und durchforstete sie gleichzeitig auf der Suche nach einem Fehler, mit dem er sie ein wenig herunterputzen konnte. Sie hatte gemeinsam mit der Kyb-Einheit Wahrscheinlichkeitsrechnungen vorgenommen, Risikoanalysen für Infektionen abgeprüft und sogar mit mehreren Zentralrechnern abgeglichen, um die Thesen des Androiden zu hinterfragen.

      Die Konfrontation mit dem Auslösereiz (die Besitzerin war aufs Klo gegangen) und die Verhinderung des Zwangsverhaltens (der Androide hatte sich vom WC fernhalten müssen) waren so präzise durchgeführt und protokolliert, als hätte die Meftaler sein Lehrbuch nicht gelernt, sondern gefressen. Update des Betriebssystems unter Einbezug der universitären Rechenzentren – abgezeichnet von ihm selbst.

      Er fand einfach nichts, das er ihr vorwerfen konnte, und musste sich darauf beschränken, bedeutsam die Brauen hochzuziehen. »Und nun?«

      Das genügte, um die scheinbar so kontrollierte Fassade der jungen Ärztin bröckeln zu lassen. Ihre Schultern sackten nach unten, die Finger nestelten nervös am Aufschlag des vorgeschriebenen staubabweisenden Kittels, und die Zehen in den Dienstschuhen trommelten förmlich Samba.

      »Ich weiß einfach nicht mehr weiter«, brach es aus ihr heraus. »Ich habe alles, wirklich alles versucht, was Sie mir vorgeschlagen haben. Auch die Fachliteratur gibt nichts mehr her, nicht einmal die brasilianischen und chinesischen Datenbanken. Ich bin ratlos, völlig ratlos. Möglicherweise müssen wir ihn ungebessert nach Hause schicken.«

      »Nun, nun.« Mauz gönnte sich einen Moment der Erleichterung. Hatte die Meftaler tatsächlich vergessen, woran er hier arbeitete? Noch konnte sie ihm nicht das Wasser reichen. Die Zeit für den väterlich-jovialen Ton war gekommen.

      »Heike, meine Liebe, das ist doch ganz normal. Wir kommen alle mal an unsere Grenzen. Ich erinnere mich nur zu gut …« Er unterbrach sich, als keine Reaktion von ihr kam. Sie schien so gefangen in ihrem Misserfolg, dass sie ihm nicht einmal zuhörte.

      Missgestimmt räusperte er sich, und die Meftaler fuhr hoch. »Verzeihung, Herr Professor. Ich war wohl gerade nicht bei der Sache.«

      »Das habe ich bemerkt.« Mauz wandte sich wieder dem Androiden zu, der reglos den Austausch verfolgt hatte. »Kyb Tony, berechne die Wahrscheinlichkeit, dass dein Verhalten eine Zwangsstörung darstellt.«

      »Zwischen achtundachtzig und achtundneunzig Prozent, Herr Professor.« Noch immer klang die Stimme des Androiden angenehm moduliert und unangestrengt, als ob er sich lediglich einer Wartung unterzog und nicht seit acht Monaten als nutzloser Haufen Schrott durch die Gegend stapfte. Doch der Lüfter in seinem Kopf lief weiter mit hoher Leistung.

      »Und wie beeinflusst das deine Berechnungen von vorhin? Über das Risiko einer Ansteckung?«

      »Gar nicht, Herr Professor.« Die Einheit stand nun völlig still. »Das nicht abzuschätzende Restrisiko besteht unabhängig von einer möglichen Einschränkung meiner kognitiven Fähigkeiten.«

      Himmel! Mauz ertappte sich dabei, sich den Kopf zu kratzen wie ein Pennäler, und nahm hastig die Hand zurück, während er im Kopf Therapiemöglichkeiten durchging. Die Meftaler hatte an alles gedacht.

      Außer an die eine Option, die auf der Hand lag.

      Er hob den Kopf und fand sich von seiner Assistentin beobachtet, die mit halb geöffnetem Mund auf seine Einschätzung wartete. Zeit, den Trumpf auszuspielen.

      »Haben Sie nicht eine Behandlungsmethode übersehen, Heike?« Jetzt, wo seine Assistentin ihm an den Lippen hing, konnte er gefahrlos beim Vornamen bleiben, ohne dass sie anschließend zur Gleichstellungsbeauftragten rannte. »Unser Verfahren hatte viel zu lange einen schlechten Ruf. Dabei sind wir hier echte Pioniere auf dem Gebiet.« Er warf einen bedeutungsvollen Blick zur Tür hinüber, die zu den Hardware-OPs führte.

      Verständnislos blickte sie ihn an, bis sich auf einmal ihre Augen weiteten. »Sie meinen … nein! Eine Elektrokrampftherapie halte ich für keinesfalls angemessen. Die Datenlage für Androiden der Baureihe 185B17 ist viel zu dünn. Wir haben keine Ahnung, was alles passieren kann!«

      »Sie haben keine Ahnung.« Mauz verschränkte die Arme und sah sie abschätzig von oben bis unten an. »Aber natürlich können Sie mit einer alternativen Behandlungsmethode aufwarten. Also? Ich warte. Oder glauben Sie allen Ernstes noch an die Mythen von der Patientenfolter?« Er beobachtete, wie sie schmerzhaft das Gesicht verzog.

      Natürlich kannten Neurologen nicht nur Forschungsdaten, sondern auch die Bilder menschlicher Patienten in alten Kinofilmen, wie sie sich unter den Stromstößen der Elektrokrampftherapie aufbäumten und der Menschheit den Eindruck vermittelten, dass in psychiatrischen Kliniken gefoltert wurde.

      Völliger Unsinn, das alles. Als ob Muskelrelaxanzien und Vollnarkose nicht längst für einen reibungslosen Ablauf sorgten. Er kannte aus seiner Assistenzzeit selbst noch die Dankesschreiben von Menschen, die nach Jahren schwerster Depression plötzlich aus dem Sumpf ihrer schwarzen Stimmung auftauchten und ihr Leben wieder aufnahmen.

      Die Meftaler schien das zumindest für Androiden anders zu sehen. »Einen Moment, bitte. Planen Sie etwa einen unangemeldeten Versuch?«

      Mauz lächelte dünn. »Was glauben Sie denn, woher die Daten stammen, auf die Sie sich in Ihren Aufsätzen immer so gern beziehen? Aus experimenteller Forschung, genau. Von Menschen wie mir, die es wagen, zum Wohl der Menschheit auch mal ein paar Risiken einzugehen. Das, meine Liebe, braucht es, um es in der Forschung zu etwas zu bringen.« Und etwas leiser: »Ich bin kein Anfänger. Oder glauben Sie etwa, ich tue das zum ersten Mal?«

      »Es tut mir leid, Herr Professor, aber ich weigere mich, bei so etwas mitzumachen.«

      Mauz unterdrückte seine aufkommende Wut und begnügte sich mit einem kalten Blick, den sie erwiderte, ohne zurückzuzucken.

      Aha! Noch nicht einmal fertig habilitiert, und schon wurde sie frech. Diese Meftaler glaubte wohl, nach eigenem Gutdünken verfahren zu können – auf seiner Station! Das würde Folgen haben. Er kannte genügend Wege, um ihre Reputation zu untergraben, bis sie als gealterte Oberärztin in irgendeiner gottverlassenen Psychiatrie dort draußen ihr Leben fristete. Sollte sie doch irgendwelche verdammten Küchenmaschinen therapieren! Er würde schon einen anderen dienstbaren Geist finden, der für ihn die Fachmagazine mit Erfolgsgeschichten spickte.

      »Ich werde die Therapie


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