DIAGNOSE F. Группа авторов

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noch einmal in neuem Licht betrachten lassen. In einem äußerst kritischen.«

      Das schlug ein. Die Meftaler zuckte zusammen und blieb stumm.

      Mauz wandte sich dem Androiden zu. »Kyb Tony, folge mir. Und Sie, Meftaler, rufen Krusbaum oder einen anderen Techniker.«

      »Herr Professor, ich werde mich nicht zum Mittäter an dieser …«, fing sie schon wieder an.

      »Schon gut, Meftaler, ich habe verstanden. Sie sind draußen. Und wissen Sie was? Kommen Sie einfach morgen um neun in mein Büro und holen Ihre Papiere ab.«

      Jetzt stand ihr der Mund offen. »Das können Sie nicht machen!«

      »Sie werden sich wundern, was ich alles machen kann«, versetzte er gut gelaunt und schritt, gefolgt von der Kyb-Einheit, zum OP.

      Eine gute halbe Stunde später war alles bereit. Tom Krusbaum, kybernetisch-technischer Assistent der Abteilung, hatte die notwendigen Gerätschaften um den OP-Tisch versammelt, auf dem Kyb Tony mit Eisenklammern gesichert war, und entfernte mit einem Spezialschraubenzieher die Abdeckplatte zur Masterschnittstelle.

      Dann verband er den Androiden mit dem OP-Rechner und lud die üblichen Datensequenzen herunter: Schnittstellenparameter, Erdungspunkte und den ganzen Rest, der Mauz noch nie interessiert hatte.

      Krusbaum blickte auf. »Professor? Da fehlt etwas.«

      »So? Was denn?«

      Inzwischen hatte Mauz Schwierigkeiten, seine zunehmende Ungeduld im Zaum zu halten. Hier ging es nicht mehr um Daten und Behandlungserfolge, sondern um seinen Status als Lehrstuhlinhaber. Die Meftaler, die draußen im Vorraum lauerte, wartete doch nur auf ihre Chance, ihn zu verdrängen! Er konnte ihren Schatten im Türspalt sehen. Hier und heute würde er sie in ihre Grenzen verweisen, sobald das Androidenhirn wieder im Gleichtakt lief.

      Der Techniker verzog das Gesicht zu einer Maske der Ratlosigkeit. »Ein paar Datenbanken sind beschädigt, und Backups hat der Besitzer nicht hinterlegt. Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Basisspannung an den dezentralen Prozessoren anliegt. Das kann übel ins Auge gehen.«

      »Und woher bekommen wir die verdammten Backups?« Mauz schob die Hände in die Taschen seines staubarmen Dienstkittels, um seine Unruhe zu verbergen, doch er hörte selbst, wie ungeduldig sein Tonfall klang.

      »Vom Besitzer, Herr Professor. Das wird nur ein paar Tage dauern, wenn er nicht gerade im Urlaub ist.«

      Mauz zögerte, doch Meftalers Schatten in der Tür duldete keinen Aufschub. »Fahren Sie fort«, befahl er.

      »Ich habe keine …«

      »Nehmen Sie einfach die Durchschnittswerte ähnlicher Baureihen und ziehen Sie zehn Prozent ab.«

      »Aber das ist …«

      »Tun sie es! Ich übernehme die Verantwortung.«

      Die Schiebetür zum OP rollte auf und die Meftaler erschien im Durchgang. »Das ist ein klarer Bruch sämtlicher Behandlungsregeln, Herr Professor. Ich verbiete Ihnen, so vorzugehen!«

      »Sie haben mir gar nichts zu verbieten!«, blaffte er zurück, und die Welle der Wut, die er mühsam zurückgehalten hatte, schwappte über ihn hinweg. »Feiglinge und Korinthenkacker haben hier nichts zu suchen. Gehen Sie doch Jura studieren, wenn Sie es so mit Paragrafen haben!«

      »Ich …«

      »Gehen Sie endlich! Oder halten Sie den Mund.« Mit einer zackigen Handbewegung befahl er dem Techniker, die Prozedur zu starten.

      Die schweigende Meftaler im Rücken, beobachtete er, wie Krusbaum am Monitor Spannungsparameter einstellte und die Kabel am Kopf des Androiden befestigte. Anders als bei den Menschen ließen sich die Elektroden für die Überspannung direkt anschließen. Der gute alte Klinkenstecker! Auch Menschen sollten einen haben, dachte Mauz.

      Krusbaum, die Hand auf der Tastatur, zögerte und blickte zu Mauz. Der nickte, und Krusbaum drückte auf Enter.

      Drei Sekunden geschah nichts. Dann stieg ein dünner Rauchfaden aus dem Kopf des Androiden auf, und es stank nach verbranntem Gummi und heißem Metall.

      »Was ist …? Drücken Sie den Hauptschalter, verdammt!« Mauz stürzte auf den OP-Tisch zu, doch der Techniker zog bereits die Elektroden des Krampfgerätes ab und betätigte den Not-Aus-Taster der Masterschnittstelle. Vergeblich. Der Rauchfaden wurde kräftiger, und es knisterte im Inneren des Androiden, der Wärme abzustrahlen begann. Wenn der Brand die Akkus erreichte, würde ihnen der ganze OP um die Ohren fliegen.

      »Löschen Sie ihn!«

      Krusbaum blickte auf. »Dann ist er ganz hin.«

      »Egal! Löschen Sie endlich, verdammte Hacke!«

      Schulterzuckend griff Krusbaum nach dem CO2-Löscher. Mit ohrenbetäubendem Röhren blies der Löscher eine Wolke unterkühlten Kohlendioxids auf den Kopf des Androiden, der augenblicklich von einer Reifschicht bedeckt wurde. Noch zwei Gasstöße, dann waren Knistern und Rauchfaden verschwunden. Krusbaum gelang es, den Abzug einzuschalten, bevor die Brandmeldeanlage des OPs ansprang. Lärmend verschwanden die Rauchgase nach draußen.

      Mauz atmete auf, doch dann fiel sein Blick auf den Androiden, und seine Anspannung kehrte schlagartig zurück. Der Kunststoff des OP-Tischs hatte Blasen geschlagen und war mit dem Kopf von Kyb Tony verwachsen.

      Erst als ein Räuspern hinter ihm erklang, fiel ihm die Meftaler wieder ein. Der Schreck, der ihm durch den Körper fuhr, fühlte sich an, als hätte man ihn selbst an das Elektrokrampfgerät angeschlossen.

      »Verdammt noch mal, was wollen Sie noch hier?«

      »Das wird Folgen haben, Herr Professor.« Ihre Stimme klang wie das zufriedene Schnurren einer Katze. »Der Dekan wird eine Untersuchungskommission einberufen. Der Besitzer verlangt sicher Schadenersatz. Und die E-Blätter werden einmal mehr die Story von der Folterpsychiatrie aufwärmen.

      Alles für Ihr übersteigertes Geltungsbedürfnis. Dafür kann man schon mal eine komplette Kyb-Einheit über den Jordan gehen lassen, nicht wahr?« Ihr Ton wurde beißend. »Sagen Sie mir, Professor, war es das wert?«

      »Krusbaum, schalten Sie das Ding wieder ein«, krächzte Mauz und deutete fahrig auf den zerstörten Androiden.

      Der Techniker kam seinem Befehl nach, aber augenblicklich begann es wieder zu knistern, und er musste erneut den CO2-Löscher aktivieren.

      »Ich glaube, der ist endgültig hin, Professor.«

      Mauz’ Blick irrte durch den OP. Das Rauschen des Abzugs schien seine Gedanken zu vernebeln, oder hatte er etwas von den Rauchgasen eingeatmet?

      Die Meftaler stand noch immer mit verschränkten Armen hinter ihm. In ihrem Mundwinkel zuckte es, und sie schien das Kinn auf einmal höher zu tragen.

      »Wie gut, dass ich wie vorgeschrieben das OP-Protokoll aktiviert habe. Damit dürfte klar dokumentiert sein, dass es sich nicht um ein Versagen der Kyb-Psychiatrie handelt, sondern um die eklatante Missachtung zentraler Sicherheitsvorschriften durch eine einzige Person: durch Sie, Herr Professor. Das da ist allein Ihr Werk.«

      In diesem Moment fügten sich die Bruchstücke zusammen. Der fehlerlose Bericht seiner Mitarbeiterin, an dem nichts fehlte – außer der fachlichen Diskussion über Elektrokrampftherapie. Ihr gespielter Zusammenbruch, ihre Ratlosigkeit und später der Widerspruch, mit denen sie seinen Narzissmus gekitzelt hatte.

      Meisterhaft hatte sie ihn in diese Katastrophe gelotst, als ob er selbst ein Androide wäre. Nicht er, die Meftaler hatte soeben eine Kyb-Einheit über die Klinge springen lassen.

      »Sie … Sie …«

      Doktor Meftaler verzog verächtlich den Mund und wandte sich zum Gehen. Im Abwenden fügte sie noch hinzu: »Vermutlich wird demnächst eine Professur an der Charité frei. Ich freue mich schon darauf, mich auf Ihre Stelle zu bewerben.«


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