DIAGNOSE F. Группа авторов

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Als Wiedergutmachung für die Unannehmlichkeiten. Sie löschte die Nachricht.

      Am nächsten Morgen versuchte sie, das Erlebte einzuordnen. Sie hatte gestern sicher nicht die beste psychische Verfassung gehabt. Doch die Wahrnehmungen in der Praxis waren so plastisch gewesen, so ganz anders als die bisherigen Einbildungen. Und: Irgendetwas war mit ihrem Chip passiert. Danach hatte sie unter Stress gestanden. Das mochte die Empfindung, beobachtet zu werden, erklären.

      Sie befolgte dennoch den Rat ihrer Mutter und telefonierte mit Doktor Malecha. Egal, ob er etwas damit zu tun hatte oder alles nur ein großes Missverständnis gewesen war – sie wollte diese dunkle Phase ihres Lebens endlich abschließen. Dieser Wunsch war stärker als alle Bedenken. Nur noch ein paar Sitzungen, und danach sah sie ihn ohnehin nicht wieder.

      Schweigend hörte er sich an, was sie zu sagen hatte, und nahm ihre Entschuldigung an. Er schlug eine Überprüfung der Medikamentenzusammenstellung und weitere absichernde Untersuchungen vor. Für die Nanoinfusion wollte er einen Kollegen hinzuziehen. Francesca wunderte sich, aber schließlich konnte eine zweite Meinung nicht schaden. Sie stimmte zu.

      Entspannungsmusik wehte sanft durch den fensterlosen Behandlungsraum, und wabernde Lichtflecken in warmen Farben glitten über Wände und Decke.

      Francesca saß im Unterhemd auf dem Behandlungsstuhl und versuchte, ihre Nerven zu beruhigen.

      Sie studierte die Geräte auf dem Anbau des Stuhls. Zwei dünne Plastikschläuche führten aus dem glatten, weißen Gehäuse des Anbauteils zu der Infusionsspritze mit der feinen Nadel, die ihr die Nanoagenten in die Blutbahn jagen sollte. Durch einen der Schläuche wurden die Agenten in einer Salzlösung zugeführt. Der andere leitete ein Plasma mit Biobausteinen in die Spritze. Diese Bausteine waren das Material, mit dem die Agenten das geschädigte Nervengewebe rekonstituieren sollten.

      Sie hörte raschelnden Stoff hinter sich und drehte den Kopf. Durch die offene Tür konnte sie beobachten, wie die Assistentin ihren Mantel überzog und die Praxis verließ. Francesca runzelte die Stirn. Ging die Frau schon in den Feierabend?

      Ein paar Minuten lang nahm sie nur den Klangteppich wahr. Hatte man sie vergessen? Die Atmosphäre des Alleinseins trug nicht zu ihrer Entspannung bei. Musik und Farbenspiel änderten daran nichts.

      Als ihr das Hintergrundgedudel langsam auf die Nerven ging, hörte sie Schritte auf dem Gang. Doktor Malecha betrat in Begleitung eines weiteren Mannes, ebenfalls in einen Kittel gekleidet, das Behandlungszimmer. Der Kittel des Fremden saß bemerkenswert schlecht. Das breite Kinn war mit einem ungepflegten Dreitagebart bedeckt, dafür lagen die schwarzen Haare perfekt.

      »Entschuldigen Sie die Verspätung, Frau Ivorno. Ich habe eben mit meinem Kollegen Ihre Untersuchungsergebnisse begutachtet«, begrüßte sie ihr Arzt. Der andere Mann nickte ihr betont freundlich zu. »Er wird bei Ihrem Eingriff dabei sein.«

      Hat der Kollege auch einen Namen?, dachte Francesca unwillig.

      Malecha setzte sich an das Bedienpult des Behandlungsstuhls und nahm Einstellungen vor. Sein Kollege sah ihm interessiert zu. Er hielt die Hände vor dem Bauch gefaltet. An mehreren der fleischigen Finger steckten goldene Ringe. Einer davon trug einen markanten schwarzen Edelstein.

      Nimmt er vor dem Eingriff den Schmuck nicht ab?

      Francescas Arzt zog sich Latexhandschuhe über und griff nach der Infusionsspritze. »Dann wollen wir mal.« Sein Versuch eines beruhigenden Lächelns misslang. Er machte eher ein verkniffenes Gesicht, als ob er etwas Verdorbenes gegessen hatte. Die Spritze in seiner Hand zitterte leicht.

      »Geht es Ihnen gut?«, fragte Francesca. Sie dachte an ihren letzten Termin, und ihre Hände wurden feucht.

      »Natürlich geht es mir gut. Es ist nur …«

      »Er hat einen Notfall in der Familie«, unterbrach sein Kollege. Die Stimme klang tief und grollend. »Wir sollten es schnell hinter uns bringen.« Er legte dem Arzt die Hand auf die Schulter.

      »Sollen wir das noch einmal versch…«, begann Francesca.

      »Wir ziehen das jetzt durch«, fiel ihr der Schwarzhaarige grob ins Wort. Er schien keinen Wert darauf zu legen, einfühlsam mit seiner Patientin zu kommunizieren.

      Malecha fügte sich und schickte sich weiterhin an, die Infusion durchzuführen.

      »Ich glaube, ich möchte das nicht.« Francesca wollte sich aufrichten, aber der Schwarzhaarige drückte sie an der Brust zurück auf den Stuhl.

      »Seien Sie nicht albern!«, schnauzte er sie an. »Es gibt keinen Grund für eine Kurzschlusspanik. Sie müssen da jetzt durch.«

      »Aber ich …«

      »Ruhe jetzt! Los, gib ihr die Injektion!«

      Während der bärtige Mann mit einem Arm ihren Oberkörper in den Sitz drückte und ihr die andere Hand auf den Mund presste, setzte der Arzt die Infusionsspritze an ihren Hals. Der Stein des Fingerrings bohrte sich in ihr linkes Nasenloch. Francesca bekam kaum noch Luft. Sie zerrte an der Pranke auf ihrem Gesicht und versuchte aufzustehen, doch der Griff blieb unbarmherzig. Bunte Punkte tanzten vor ihren Augen. Es zischte, als die Infusionsflüssigkeit durch die winzige Nadel in ihren Körper schoss.

      Der Druck des Arms auf ihrer Brust löste sich. Die Hand gab ihren Mund wieder frei. Gierig nahm sie einen kräftigen Atemzug. Tränen flossen ihre Wangen hinab. Sie wollte protestieren, aber sie war zu keinem Wort fähig. Der Schock über den rüden Umgang saß tief. Nur Schluchzer brachen zwischen ihren Lippen hervor. Sie presste beide Hände vor das Gesicht.

      »Und? Wie läuft es?«, hörte sie die grollende Stimme.

      »Wie vorgesehen«, antwortete ihr Arzt matt. »Die Injektion wird gleich wirken.«

      Francesca horchte in sich hinein. Spürte sie irgendetwas? Schmerz? Irgendwelche Erscheinungen? Nein, da war gar nichts. Nur ein Gefühl der Leere.

      Sie löste die Hände vom Gesicht. Der Tränenschleier vor ihren Augen verzerrte die Umrisse der Männer. Sie wischte die Tränen fort. Ihre Sicht blieb trotzdem verschwommen.

      »Gleich bekommen Sie nichts mehr mit.« Der Fremde lachte.

      Francesca sah ihren Arzt an. Der starrte zu Boden.

      »Was … was bedeutet …?«, stammelte sie. Die Worte zu formen fiel ihr seltsam schwer.

      Der bärtige Mann lachte erneut. »Das bedeutet, dass du gleich friedlich schläfst, während wir den Chip aus deinem Schädel holen.«

      Eine frühere Feststellung von Doktor Malecha wühlte ihre trägen Gedanken auf: Die Gefahr weiterer Verletzungen durch eine Extraktion des Chips ist viel zu hoch.

      Francesca wollte erneut aufspringen und fliehen. Aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Kein Muskel reagierte, ihre Finger fühlten sich taub an. An den Rändern ihres Sichtfeldes waberten schwarze Schatten als Vorboten der Bewusstlosigkeit.

      Eine Erkenntnis leuchtete in der schwammigen Emotionsemulsion auf, in der ihr Geist jetzt trieb. Die Injektion hatte keine Nanoagenten enthalten, sondern ein Betäubungsmittel. Dessen Wirkung war unausweichlich, so sehr sie sich auch dagegen wehrte.

      Immer kleiner wurde der Ausschnitt der Wirklichkeit, den sie wahrnahm. Francesca fiel durch tiefe Dunkelheit. Regenbogenfarbene Streifen schossen vorüber, markierten eine Achterbahn, auf der sie dahinraste. Bilder tauchten schlaglichtartig links und rechts der Strecke auf. Abstrakte Darstellungen, Szenen wie aus einem Film.

      Ein Stoß warf ihren Körper aus der Bahn. Ein Schrei dröhnte durch den stockfinsteren Raum. Ein zweiter Schrei, der den ersten überlagerte, ihn auslöschte. Keuchen. Ein weiterer Stoß.

      Francesca öffnete die Augen und sah, wie der Schwarzhaarige ihren Arzt gegen ein Schrankregal drückte. Wie in einem Zerrspiegel verschwammen die Konturen der Männer.

      Sie glitt zurück in die Schwärze, kämpfte, tauchte wieder empor. Zwang ihre Augenlider nach oben.

      Ein


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