DIAGNOSE F. Группа авторов

DIAGNOSE F - Группа авторов


Скачать книгу
zu berühren oder unangetastet zu lassen. Erst als sie vor dem Display stand, sprang er nach vorn und schlug auf den Ausschalter.

      Der Bildschirm erlosch. Aber einen Herzschlag lang hatte sie die Anzeigen gesehen. Ausleserate, Downloadgeschwindigkeit, Datensicherung.

      Sie wirbelte um ihre Achse, packte den Mann am Kittel. »Haben Sie meinen Chip ausgelesen? Bin ich nicht schon kaputt genug?«

      Er löste ihre Hände von seinem Kragen. Sein Gesicht war starr. »Ich weiß nicht, was Sie da reden. Ich habe Ihren Chip vermessen. Mehr nicht.«

      »Der Chip war aktiv! Ich habe das Netz gespürt! Wollen Sie mich verarschen?« Die letzten Worte brüllte Francesca. Was fiel diesem Quacksalber ein, an ihr herumzumanipulieren?

      »Ich muss Sie bitten, jetzt zu gehen.« Doktor Malecha wandte sich dem Schreibtisch zu.

      Mit einem groben Griff drehte sie ihn zu sich herum. »Sie sagen mir auf der Stelle, was das sollte! Was gehen Sie meine Daten an? Was wollen Sie damit?«

      Die Tür flog auf und die Assistentin stürzte herein.

      Der Arzt richtete sich steif auf. »Bitte verlassen Sie meine Praxis. Ein solches Verhalten kann ich nicht akzeptieren.«

      Vor Wut unfähig zu einer Erwiderung wollte Francesca den Mann nochmals packen. Die Assistentin aber drängte sie zurück und bugsierte sie unsanft aus den Praxisräumen.

      Francesca stürmte die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss hielt sie sich am Geländer fest, beugte sich vornüber, würgte.

      Hoffentlich kotze ich nicht auf die Stufen.

      Sie trat hinaus auf die Straße. Die frische Luft tat ihr gut, der Kopfschmerz flaute langsam ab. Mit zittrigen Beinen machte sie sich auf den Heimweg.

      Sie verstand die Welt nicht mehr. Hatte dieser Mistkerl tatsächlich versucht, ihren Chip auszulesen? Warum setzte er ihre Gesundheit aufs Spiel? Was hatte er davon?

      Mit Erschauern fielen ihr ihre Feelgoods ein, kurze Aufzeichnungen von Gefühlszuständen, in denen sie besondere – auch intime – Momente festgehalten hatte. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.

      War der Kerl auf der Suche nach solchen Datensätzen? Geilte er sich daran auf? Ihr Arzt war ihr gar nicht wie ein Perverser vorgekommen. Im Gegenteil, er hatte bei allen Gesprächen und Untersuchungen ein höchst professionelles Verhalten an den Tag gelegt.

      Bis auf heute. Sie schüttelte den Kopf. Das ergab keinen Sinn.

      Ein Rempler schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Sie stellte fest, dass sie gewohnheitsmäßig das neben ihrem Wohnkomplex gelegene Einkaufszentrum betreten hatte. Es wimmelte von Menschen. Dies war zwar der kürzeste Weg zu ihrer Wohnung. Aber heute überlegte sie ernsthaft, den Umweg um das Gebäude zu nehmen. Die vielen Menschen, die ständigen Berührungen behagten ihr überhaupt nicht. Sie wollte allein sein und nachdenken.

      Ein bunter Lichtreflex flackerte durch ihr Gesichtsfeld. Mehrere farbige Flecken folgten und verschwanden wieder. Francesca griff sich erschrocken an den Kopf. Eine erneute Halluzination konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Einer der Reklameprojektoren hatte sie wohl geblendet. Oder hatte etwa der Chip wieder reagiert?

      Francescas Atem ging schneller. Es war nicht möglich, das Implantat aus der Ferne zu aktivieren, oder? Sie sah sich um. Die beiden Frauen dort an der Safttheke? Spielten die nicht mit einem technischen Gerät herum?

      Komm runter, befahl sie sich selbst. Du bildest dir etwas ein! Aber ihr Kopf gehorchte ihr nicht. Kalter Schweiß überzog ihre Stirn und ihren Nacken.

      Ich muss hier weg!

      Mit beiden Armen rudernd, arbeitete sie sich durch den Menschenstrom auf den gegenüberliegenden Ausgang zu. Die empörten Rufe ignorierte sie.

      Zu Hause griff sie nach einer Tablettenpackung und nahm zwei Beruhigungspillen ein. Dann kauerte sie sich auf ihr Bett. Langsam normalisierten sich Puls und Atmung. Einen Moment lang hatte sie tatsächlich geglaubt, dass man sich nach dem Fehlschlag in der Praxis in aller Öffentlichkeit an die Daten in ihrem Chip heranmachen wollte. Das war natürlich völliger Blödsinn. Sie war überreizt.

      Wer sollte man sein?

      Das Grübeln führte zu keiner Antwort. Ihr fielen die Augen zu.

      Als sie wieder erwachte, war es draußen dunkel, und jemand hatte eine dünne, weiche Decke über sie gebreitet. Auf dem Nachttisch standen ein Teller mit belegten Broten und eine Flasche Limonade. Sie erinnerte sich daran, dass sich ihre Mutter angekündigt hatte. Francesca fühlte sich entspannt. Der Stress des Nachmittags war abgeklungen. Die Medikamente trugen sicherlich dazu bei.

      Die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete sich, und ihre Mutter steckte den Kopf herein. »Wusste ich doch, dass ich etwas gehört habe. Bist du endlich aufgewacht? Hat dich der Arztbesuch so geschafft?«

      Francesca atmete tief durch und berichtete von den Ereignissen. Während sie erzählte, schüttelte die Mutter mehrmals ungläubig den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Arzt so etwas vorhatte. Sonst hat er sich doch immer vernünftig verhalten.«

      Francesca knetete ihre Hände. »Aber das ändert nichts daran, was ich gesehen habe.«

      Ihre Mutter sah nachdenklich in eine Ecke des Raumes. »Und wenn du dich getäuscht hast? Wenn auf dem Bildschirm etwas ganz anderes stand?«

      »Du meinst, weil ich mir etwas eingebildet habe?«

      »Immerhin hast du mehrmals Dinge gesehen, die nicht da waren.«

      »Klar!«, rief Francesca. »Ich bin die Verrückte, die sich alles einbildet. Mama, ich nehme jeden Tag gefühlt zwanzig Tabletten, um das zu unterdrücken. Das sind Scheinreize in meinem Gehirn. Abgespielte Gedächtnisinhalte. Visuelle Phantomschmerzen.« Ihre Stimme wurde eindringlich. »Heute waren es Worte auf einem Bildschirm!« Sie ging zum Fenster und sah hinaus auf die Straße drei Stockwerke unter ihr.

      Ihre Mutter trat hinter sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Du bist momentan so empfindlich.«

      »Schon gut, Mama.« Sie drückte die Hand ihrer Mutter. »Ich weiß, dass du es gut meinst.«

      »Mir fällt einfach kein Grund ein, warum dein Arzt so etwas tun sollte.«

      »Was weiß ich? Vielleicht hat ihn ja einer angestiftet.« Dieser Gedanke beunruhigte Francesca, kaum dass sie ihn ausgesprochen hatte. Sie schwieg aber, um die Diskussion mit ihrer Mutter nicht weiter anzuheizen.

      Auf der gegenüberliegenden Straßenseite spazierte ein Mann in einem schwarzen Mantel und mit schwarzem Hut auf ihr Haus zu. Von der anderen Seite näherte sich eine Gestalt in dunkler Jacke und mit einer Mütze auf dem Kopf. Sie begannen ein Gespräch. Warf der mit dem Hut nicht immer wieder Blicke zu ihrem Fenster hinauf? Schlagartig verflog ihre innere Ruhe.

      Francesca wich zurück und löschte das Licht. Ihr Herz hämmerte. Der Schein der Straßenbeleuchtung erhellte den Raum spärlich. Dennoch konnte sie den verwirrten Gesichtsausdruck ihrer Mutter erkennen.

      »Ich glaube, dort draußen beobachtet uns jemand«, flüsterte Francesca, obwohl ihr das im nächsten Augenblick sinnlos vorkam. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter und zog sie an die Wand neben dem Fenster. Die Spaziergänger hatten sich getrennt und entfernten sich in entgegengesetzte Richtungen. »Die beiden da.« Sie deutete nach unten. »Die haben sich unterhalten, und einer hat immer wieder zu mir hoch gesehen.«

      Die Mutter warf nur einen kurzen Blick auf die Straße. Ihre mitleidsvolle Miene konnte sie nicht verbergen, als sie Francesca sanft zum Bett schob. »Ich glaube, du täuschst dich, mein Schatz. Ich schlage vor, du ruhst dich jetzt aus, und morgen sprichst du noch einmal mit deinem Arzt.«

      Francesca wollte aufbegehren, aber ihre Mutter ließ nicht mit sich reden.

      Bevor sie einschlief, entdeckte sie auf dem Smartdevice einen weiteren


Скачать книгу