Hundert Geschichten. Quim Monzo

Hundert Geschichten - Quim  Monzo


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geschnittenen Tomaten, gehackte Zwiebeln, Knoblauch und Petersilie hinein. Als das Ganze zu kochen anfing, gab er Reis, Salz, Thymian, roten Pfeffer, Soyasoße und Essig dazu. Er legte den Deckel auf den Topf und stellte den Herd klein. Eine halbe Stunde lang kontrollierte er das langsame Sieden.

      An der Tür klingelte es: Ein Jüngelchen stand davor, vom Barmann geschickt, um die Therme zu reparieren. Pol zeigte ihm nicht nur die Therme, sondern auch alle anderen Geräte, die repariert werden mussten; und die Heizkörper: einen nach dem anderen. Doch er verlor zu viel Zeit mit Erklärungen. Er merkte es, als er einen verräterischen Geruch aus der Küche wahrnahm. Der Versuch, die Jambalaya auf eine Platte zu stürzen, scheiterte, denn sie war angebrannt und das, was er noch herauskratzen konnte, war ein ungenießbarer Brei.

      Er stellte den Milchtopf auf den Herd. Das Jüngelchen rief ihn, um ihm zu zeigen, wie einfach es war, den Heizkörper nicht kaputt zu machen, man müsse nur das Ventil richtig herum abschrauben. Es war zu spät, als er wieder in die Küche kam: Die Milch war übergekocht und klebte auf der Herdplatte. Aus Faulheit trank er den Milchstrahl nun gleich aus der Flasche. Er steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Sie kamen verkohlt wieder heraus.

      Er versteckte sich auf dem Klo und schwor, erst wieder herauszukommen, wenn alle Geräte im Umkreis von einem Kilometer repariert waren. Er zog an der Kette und sie ging an drei Stellen kaputt. Er schaute in den Spiegel: Sah ein unrasiertes Wesen auf der Flucht. Kurz davor, den größten Fehler seines Lebens zu begehen, betrachtete er den Rasierapparat in seiner Hand. Entsetzt warf er ihn ins Bidet, er hatte seine Zähne gesehen.

      Draußen erwartete ihn der junge Mann. Zusammen überprüften sie, ob die Therme, die Heizkörper, die Kaffeemühle, der Kühlschrank, der Toaster und der Rasierapparat perfekt funktionierten. Bis zum Kauf einer neuen ersetzte er die kaputte Kette durch ein Seil. Pol bezahlte. Der Handwerker ging von dannen.

      Nach dem Rasieren setzte er sich an die Schreibmaschine. Es packte ihn die Wut: Er hatte sich gestern auf der ganzen Reise darauf gefreut, anzukommen, sich sofort hinzusetzen und zu schreiben. Stattdessen ärgerte er sich seit seiner Ankunft mit irgendwelchen Gegenständen herum und hatte noch nicht eine Zeile zu Papier gebracht. Im Vertrauen auf sein Gedächtnis, was aber offenbar schlecht war, hatte er sich von den Ideen, die auf der Reise herangereift waren, keine Notizen gemacht. Doch seit er in diesem Haus war, hatte er nicht ein Bild wieder hervorholen können: Sein Kopf war leer und ihm fiel nichts ein. Alle Heizkörper liefen jetzt hundertprozentig: Die Luft füllte sich mit einer übermäßigen Wärme. Er zündete sich eine Zigarette an. Er fing an zu tippen, fast ohne zu wissen, was. Doch gleich darauf war es ihm klar: genau diese Aneinanderreihung von Gemeinheiten, die ihn seit zwanzig Stunden in Panik versetzten. Die Zeilen schossen heraus wie ein Strahl: ». . . Die Reise war anstrengender gewesen als sonst, so als ob sich alle in den Kopf gesetzt hätten, ihm unnötig Schwierigkeiten zu machen . . .« Er hielt inne: Die Sonne flammte vom Himmel. Er schwitzte. Er zog seinen Pullover aus, ging auf die Veranda und machte die Heizung aus. Er hatte keine Angst vor der Irreversibilität seines Tuns. Am Tisch las er noch einmal durch, was er geschrieben hatte: ». . . versuchte erneut, die Therme auf der Veranda anzukriegen. Er drückte den Knopf bis zum Anschlag, drehte ihn nach rechts und ließ ihn los . . .« Nun wusste er, je mehr Zeilen er schreiben würde, desto sicherer würde er sich fühlen. Er musste alles aufschreiben: von der Abreise aus der Stadt bis zur Ankunft des Jüngelchens; nein: bis genau zu dem Moment, als alles wieder in den Normalzustand zurückgekehrt war, er sich vor seine Schreibmaschine gesetzt und den richtigen Dreh herausgefunden hatte. Erst wenn er sich alles von der Seele geschrieben hatte, würde er mit dem beginnen können, weswegen er eigentlich hierher in die Einsamkeit gekommen war; die ganzen Ideen, die ihn auf der Reise bombardiert hatten, würden wieder in vollkommener Ordnung da sein: Mühelos würde er auf den Blättern des rechten Stapels Absatz für Absatz aneinanderreihen; und wenn er sie alle beschrieben hatte, würde er hinunter ins Dorf gehen und für die unvergleichliche Jambalaya, die er sich zur Feier des Tages kochen würde, eine Flasche Alella kaufen. Doch plötzlich flog eine Taste der Olivetti in einem akrobatischen Sprung in die Luft. Innerhalb von Sekunden flog die Schreibmaschine auseinander und blieb als ein Haufen Schrauben, Gestänge und Federn liegen.

      Apfelpfirsich

      Ich kann die Geschichte des Films nicht mehr erzählen; ich erinnere mich nur (sehr vage) daran, dass er voller billiger Späße und Slapsticks war. Ab und zu fiel die Hauptdarstellerin mit Makkaroni in der Hand hin oder der junge Mann in Unterhosen geriet in ein Verwechslungsdrama. Das Publikum lachte, doch nie, weil der Film lustig war, sondern so dumm, dass er immer grotesker wurde. In den hinteren Reihen wurden Witze gerissen und laute Kommentare abgegeben, die geistreicher waren als der Dialog auf der Leinwand. Mir fiel sie zum ersten Mal auf, als ich die Platznachbarn um mich herum beobachtete: ein dunkles, Erdnüsse futterndes Profil, das die Schalen auf den Boden warf. Sie hüstelte einmal und ein anderes Mal drehte sie sich um (doch nicht zu mir, zu niemandem), und sie gähnte beim Verlassen des Kinos wie alle anderen auch.

      Am späten Nachmittag war mir die Lust, durch Buchhandlungen zu ziehen, bereits vergangen. Ich hatte vergeblich versucht, ein Buch zu klauen; und wenn derartige Missionen schiefgehen, versinke ich immer in Depressionen und denke an Selbstmord. Just, als ich eine Abhandlung über Trigonometrie in meine Tasche stecken wollte (es war das einzig erreichbare Buch in der einzigen uneinsehbaren Ecke der Buchhandlung), sah ich sie ein weiteres Mal. Nun trug sie eine gelbe Brille, und angesichts des komplizenhaften Blickes, den sie mir zuwarf, fragte ich mich, ob sie mich (aus dem Kino) wiedererkannte oder ob sie sich mit meinem kleptomanischen Leiden solidarisierte. Für eine Sekunde glaubte ich, es sei ein vorwurfsvoller Blick.

      Muss ich erwähnen, dass mich die nächste Begegnung mit ihr (an jenem selben Abend in einem exotischen Restaurant, in dem sie zwei Tische weiter, dunkel gekleidet, die Hand eines kalten Mannes streichelte) davon überzeugte, dass wir offenbar nicht nur am Tag darauf (im Theater), sondern auch in der ganzen folgenden Woche in Straßen, Bars, Läden und Kinos aufeinandertreffen würden, sie, allürenhaft vergesslich, beharrlich so tuend, als würde sie den unterschiedlichsten Beschäftigungen nachgehen? Endlich stellte uns ein gemeinsamer Freund (bei der Vernissage einer völlig zu vernachlässigenden Ausstellung von Skulpturen) einander vor. Sie leugnete, mich jemals gesehen zu haben, ein Verhalten (anfangs von mir als Versuch interpretiert, mir ihre Verachtung zu zeigen), das mich späterhin ziemlich verwirrte, weil sie so ungemein nett zu mir war. Wir aßen zusammen zu Abend, und um dies nicht in eine pornographische Geschichte abgleiten zu lassen, sage ich nur, dass sie, als ich aufwachte, schon nicht mehr da war. Nur eine Nachricht: »Ich rufe dich an. Kuss.«

      Sie meldete sich den ganzen Vormittag nicht. Am selben Abend (als ich eine Eisenwarenhandlung verließ, in der ich ein neues Käsemesser gekauft hatte) ging sie an mir vorbei, ohne mich zu erkennen, sie sah in ihren schwarzen Shorts superklasse aus. »Erkennst du mich nicht?«, protestierte ich und kniff ihr in den Hintern. Sie spielte die Überraschte und verpasste mir eine Ohrfeige, die vier Finger ihrer Hand auf meinem Gesicht hinterließ. Sie hieß mich einen unverschämten Frechling, eine Einschätzung, die ihren wiederholten Beteuerungen, mich nicht zu kennen, widersprach. Von der halben Stadt (die sich mit ihr solidarisierte) beschimpft und angegriffen, flüchtete ich in eine Seitengasse, wo ich sie wiedertraf, diesmal in einer extravaganten Bluse und einem roten, offen gestanden sehr kurzen Rock. Lächelnd fragte sie mich, ob ich mit ihr kommen wolle, und als ich sie fragte, wohin (eine absolut dumme Frage, die sich nur mit meinem Erstaunen darüber erklären ließ, wie sie es angestellt haben könnte, sich so schnell umzuziehen), schaute sie mich von oben bis unten an, schnalzte mit der Zunge und drehte mir den Rücken zu. Diese Gelegenheit nahm ich blitzschnell wahr und rannte los, bis zum Boulevard. Doch natürlich war sie auch dort und saß in Blau gekleidet auf einer Bank. Die Lage verschlimmerte sich, da sie zeitgleich ein paar Meter weiter in weißen Jeans ein Eis kaufte. Als der Abend hereinbrach, war sie überall: Entweder hatten alle Frauen ihr Gesicht oder ihr Gesicht reproduzierte sich in dem aller Frauen unter einem Mond, der sich wie alles um mich herum unendlich fotokopierte und dem Himmel das Aussehen von Computerdateien gab. Man braucht nun nicht besonders intelligent zu sein, um mir die Zukunft vorauszusagen und zu erraten, welches die nächste Stufe dieses kosmischen Komplotts sein würde: Als ich vor einem Zirkusplakat stand, drehte ein Mann, der es gleichfalls betrachtete, im selben Moment wie


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