Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II (E-Book). Группа авторов
der gesellschaftlichen Kommunikation wie aber auch die Öffentlichkeit grundlegend verändert. Die Social Media sind Ausdruck, Beschleuniger wie Katalysator der segmentären Differenzierung. Mit Folgen auch für die Universitäten wie Wissenschaftsorganisationen.
Das Wissenschaftssystem, und somit auch die Hochschulen, wird nun noch mehr mit den Folgen der segmentären Differenzierung zu kämpfen haben. Social Media geben der segmentären Differenzierung Ausdruck wie Form. Die vielfältigen Maßnahmen in der Kommunikation, die Open-Initiativen sollen nun helfen. Doch: Ist es eine bewusste Reaktion?
Es ist zu beachten, dass von diesen Herausforderungen nicht allein die Hochschulen betroffen sind, sondern auch die Institutionen der Politik. Also jene Instanzen, die die Bedingungen für Lehre und Forschung festlegen. Die staatlich-institutionelle Politik hat sich bereits zurückgezogen und zum Teil gesellschaftlichen Kräften Raum gegeben (Universitätsräte). Für die Hochschulen bedeutet dies, dass sie die durch segmentäre Differenzierung ausgelösten und durch die digitalen Medien verstärkt auftretenden direkten Anforderungen an sie weniger denn je aus dem Hintergrund, gleichsam mit den politischen Akteuren an der Spitze oder im Schutz des Staates und begleitet von den Massenmedien, werden bewältigen können. Die Beziehung zwischen Hochschulen und Gesellschaft war lange Zeit, eben zu Zeiten starker Politik, eher mittelbar, nun wird sie mehr und mehr unmittelbar, direkt und dynamisch. Von der sozialen Disruption, ausgelöst von den digitalen Medien, bleiben die Universitäten nicht verschont. Die Legitimationsbeschaffung für die Wissenschaft, und damit auch für die Hochschulen, erfolgt aufgrund des Medien- und Öffentlichkeitswandels, nicht mehr dominant und allein über das politisch-administrative System mit seinen Akteuren. Die Zeiten des Korporatismus alter Schule sind vorbei.
Das Wissenschaftssystem wie das politische System sind elementar von den Folgen der segmentären Differenzierung, die Formen einer fluiden Beständigkeit (Schwarmlogik) hat, betroffen (vgl. dazu Kersten, 2017). Hochschulen müssen, wenn sie politisch Zustimmung erhalten und damit Ressourcen erlangen wollen, sich bei Politik wie Gesellschaft selbst kommunikativ bemühen. Das erklärt den Anstieg an Kommunikationsaktivitäten, den beständigen und zunehmenden medialen Schönheitswettbewerb von Universitäten. Es geht um staatliche wie private Mittel, es geht letztlich um institutionelle Legitimität.
Legitimität aber wird durch Fremdreferenz erzeugt, und hier sind publizistische Medien – sei es in Form der Massenmedien wie auch in anderer Form – maßgeblich: Journalistinnen wie Journalisten wählen aus, sie berichten und fokussieren, und durch sie erhalten soziale Ereignisse Relevanz. Der Einbezug von politischen, kulturellen, ökonomischen Entscheidungsträgern wie auch der Bürgerinnen und Bürger in das Universitätssystem erfolgt maßgeblich über Medien. Deshalb ist Medienarbeit, deshalb ist die Präsenz in den Medien zentral – weniger die Präsenz wie das Eigenlob auf der eigenen Homepage oder in der Imagebroschüre. Die Erhaltung von Fremdreferenz, trivialer gesagt: die Existenz unabhängiger Medien und eines qualitativ hochwertigen (Wissenschafts-)Journalismus ist für das System Wissenschaft wie für die Hochschulinstitutionen von existenzieller Bedeutung.
Es bildet sich derzeit ein neues institutionelles Medien- und Kommunikationssystem aus. Ein soziales Teilsystem, das sowohl den Anforderungen der funktional wie auch der segmentär differenzierten modernen Gesellschaft entsprechen muss. Ob und welche Rolle wissenschaftliche Einrichtungen wie Universitäten darin spielen werden, das ist derzeit noch offen. Ein Ausbau allein der kommunikativen Instrumente wie eine Ausweitung der kommunikativen Aktivitäten reichen aber nicht aus, weil es sich nur um eine Reaktion auf einen Veränderungsprozess handeln würde, der sich allein oder dominant auf Fragen der Kommunikation konzentriert. Die Veränderungen aber sind institutionell wie auch organisational und somit elementar, und das weist über instrumentelle Kommunikationsmodelle weit hinaus. Wir befinden uns in einem fundamentalen Neuinstitutionalisierungsprozess.
Danksagung
Ich bedanke mich sehr herzlich für die Unterstützung bei der Literaturrecherche und für die Lektoratsarbeit bei Frau Daniela Mahl, BA.
Literatur
Fähnrich, B., Metag, J., Post, S., & Schäfer, M. S. (Hrsg.) (2018). Forschungsfeld Hochschulkommunikation. Ein Handbuch. Wiesbaden: Springer VS.
Kersten, J. (2017). Schwarmdemokratie. Der digitale Wandel des liberalen Verfassungsstaats. Tübingen: Mohr Siebeck.
Loprieno, A. (2016). Die entzauberte Universität. Europäische Hochschulen zwischen lokaler Trägerschaft und globaler Wissenschaft. Wien: Passagen.
Marcinkowski, F., Friedrichmeier, A., & Geils, M. (2014). Transparenz oder PR? Die Koinzidenz von Managementmodell und Medialisierung an deutschen Hochschulen. In R. Krempkow, A. Lottmann & T. Möller (Hrsg.), Völlig losgelöst? Governance der Wissenschaft (S. 127–140). Berlin: Institut für Forschungsinformationen und Qualitätssicherung. Online: www.forschungsinfo.de/Publikationen/Download/working_paper_15_2014.pdf. [24.11.2017].
Reckwitz, A. (2017). Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schimank, U. (2017). Universitätsreformen als Balanceakt: Warum und wie die Universitätsleitungen Double Talk praktizieren müssen. Beiträge zur Hochschulforschung, 39(1), 50–60.
Weick, K. E. (1976). Educational Organizations as Loosely Coupled Systems. Administrative Science Quarterly, 21(1), 1–19.
Helmut Heid
Warum zwischen Lehren und Lernen unterschieden werden muss
Beitrag zur Differenzierung dessen, was Bildungspraxis genannt zu werden pflegt
Wenn Personen, die als pädagogisch sachverständig angesehen werden, sagen, dass «Eltern ihren Kindern etwas lernen müssen» oder dass die «Lust am Selberlernen» geweckt werden müsse, so als ob es ein anderes Lernen geben könne24, oder wenn für Bildung hochrangig Zuständige die «Beteiligung Lernender am Lernen» als Errungenschaft modernen Bildungsdenkens preisen, dann ist das nicht nur eine womöglich regional auftretende Sprachverwirrung; dann besteht Klärungsbedarf.
Ich hole etwas aus:
(1)Im Alltags-wie im Fachsprachgebrauch ist von bildungspraktischem Handeln die Rede, wenn mindestens zwei Personen(-gruppen) bildungs-zielorientiert interagieren: beispielsweise Lehrende einerseits und Lernende andererseits. Lehrende und Lernende sowie Lehren und Lernen lassen sich, anders, als das bei Bildung oder Erziehung25 der Fall ist, sprachlich klar unterscheiden. Jedoch die Tatsache, dass Lehren und Lernen nie außerhalb konkreter Personen «existieren», die lehrend versus lernend aktiv sind, macht die Sache komplizierter. Es ist nämlich davon auszugehen, dass Lehrpersonen, während sie lehren, auch lernen, und dass Schülerinnen und Schüler, während sie lernen, auch lehren (z. B. in Kontexten kooperativen Lernens). Wenn im Folgenden von Lehrenden und Lernenden die Rede ist, dann wird damit nicht ausgeschlossen, dass Lehrende auch lernen und Lernende auch lehren (können); wohl aber: dass es nicht auf das Lernen Lehrender ankommt, wenn von Lehrenden gesprochen wird, und dass das Lehren Lernender irrelevant ist, wenn von Lernenden die Rede ist.26
(2)In der Rede von Bildungspraxis ist es schon sprachlich und vor allem sachlich komplizierter. Hier könnte man zwischen denen unterscheiden, die für die Organisation der Bedingungen zuständig sind, die Bildung ermöglichen und beeinflussen, und denen, deren Bildung dadurch beeinflusst werden soll. Aber für diese Unterscheidung fehlen die Begriffe. Dafür gibt es einen Grund. Nur der Adressat bildungspraktischen Handelns ist Subjekt der Bildung,27 und außerhalb der Persönlichkeitsentwicklung dieses Adressaten existiert Bildung nicht. Was Lehrende zur Bildung der Adressaten ihrer Praxis beitragen, ist nicht Bildung, sondern günstigenfalls die Ermöglichung und Unterstützung von Bildung. Lehrende werden Bildungspraktiker genannt, weil vor allem sie für die Organisation der Bedingungen Erfolg versprechenden Lernens zuständig sind. Das klingt nach begrifflicher Spitzfindigkeit, ist aber für die Beantwortung der Frage wichtig, wie in einer bildungspraktischen Interaktion die Zuständigkeiten verteilt sind. Die Tatsache, dass Lehren und Lernen sprachlich klar